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fie noch zum Teil mit ihren Instinkten in diesen Schichten, so darf
,, Das finden Sie," sagte kühl die schöne Frau. Die Widmann fuhr auf.„ Töne findet sie darin, Töne! auf der anderen Seite auch nicht der materielle Zwang vergessen Die ganze unterdrückte Frauenseele macht sich Luft. Es werden, der heutzutage auf der künstlerischen Produktion Der Dramatiker ist unerhört von Maier! insbesondere muß mit Er taugt nichts, wie alle Ver- laftet. seinem Publikum rechnen; und noch ist das Proletariat nicht in leger!" der Lage, feinen Dichtern Stätten zu bauen, von denen " Ich finde Mater sehr gut." herab jene ihre Offenbarungen tünden könnten. Sobald ein Dichter heute das Theater betritt, ist er zu Kompromissen genötigt, zu Ausbiegungen, Verschleierungen die Kunst solcher Dramen macht sich dann als besonders unwahr fühlbar.
,, Sie verlegen doch aber nicht bei ihm?" Frau von Lindenhahn zuckte die Achseln, es konnte ebenso gut" nein" wie" ja" bedeuten. Sie verriet nicht, daß sie ihm ihr neuestes Buch angeboten hatte.
Natürlich nein," sagte Bolten, sonst hätte ihn unsere Freundin doch nicht gelobt. Ich möchte den Autor sehen, der mit seinem Verleger zufrieden ist! Mit dem Redacteur geht's ebenso. Ich allein mache eine rühmliche Ausnahme, nicht wahr, meine Damen?"
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Ja, Sie! Doktorchen, Sie!" Die drei überschütteten ihn mit Romplimenten.
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Elisabeth wunderte sich, sie hatte bis jetzt noch nicht gewußt, daß Damen einem Herrn die Cour machen. Sie sollte dem Doktor eigentlich auch etwas Angenehmes sagen; Frau fie ergriffen, wie ein zündender Blig fällt ein aufrührerisches Mannhardt hatte ihr eingeschärft, besonders liebenswürdig gegen ihn zu sein. Es fiel ihr garnichts ein. Eine unsicht bare Hand legte sich auf ihren Mund, eine Stimme tief innen sprach:„ Du wirst doch nicht? Einschmeicheln- pfui!" Sie
faß wie ein Stock.
Nun nahte die Dame des Hauses und brachte Goedeke mit. Hier, Liebchen!" Sie winkte Elisabeth zu sich und diese sprang froh auf; ihr war so beklommen zu Mute auf dem fleinen Sofa hinter der spanischen Wand. Hier, ich möchte Sie mit Herrn Eugen Goedeke bekannt machen, er ist sehr entzückt von Ihrer Novelle." Sie huschte fort.
" Ich werde Sie im litterarischen Klub vorlesen lassen, Fräulein," sagte Goedeke. Sie lesen janz nett. Morjen über bierzehn Tage! Ich schreibe Ihnen noch drüber."
"
Wirklich?!" Wieder dies Aufleuchten des Mädchengesichtes. Was, wo soll ich lesen?" Sie atmete haftig, wie bei schnellem Lauf. Wie gütig von Ihnen!"
" Jeben Sie mir Ihre Adresse."
Ein neuer Mann taucht jetzt mit einem Drama auf, das man wohl bald als Voltsdrama wird bezeichnen hören. Franz Adamus hat für sein Drama Familie Wawro ch"( Verlag von Albert Langen , München ) in Ernst v. Wolzogen einen warmen Fürs fprech und Geleitsmann gefunden, dessen Bemerkungen wohl zur Erörterung herausfordern. Doch zunächst der Inhalt des Stücs. herum in einem öftreichischen Bergarbeiter- Bezirk. In der jüdischen Die ganze Handlung spielt innerhalb weniger Tage um den 1. Mai Dorfschenke erscheinen ein paar Arbeiter, die ihr Elend im Alkohol vergessen machen wollen. Dumpfe Vorstellungen von der völkerbefreienden Socialdemokratie, von der Bedeutung der Maifeier haben Lied, das ein im Trunk verkommener Mensch ihnen vorsingt, in ihre Seele. Abseits von ihnen halten sich einige besser gezahlte Hüttenarbeiter, die sich um nichts fümmern, so lange fie Arbeit haben. die zur selben Stunde in einem Lokal stattfindet. Mitten in die Drum find fie auch nicht in die Arbeiterversammlungen gegangen, Unterhaltung über die Dummen, die an eine Verbesserung ihres Loses durch eigene Kraft glauben, plagt ein Schwarm von Arbeitern, die von der aufgelösten Versammlung sich herbegeben, um ihre Beratung fortzusetzen. Ihr Führer ist der alte Wawroch, ein der Arbeit nicht sonderlich ergebener ehemaliger Schreiber, der sich von seiner Familie erhalten läßt. Ein beweglicher Geist, erfaßt er schnell die neue Situation, die durch das Eindringen socialdemokratischer gitation geschaffen wird. Indem er sich der Bewegung anſchließt, hofft er mit Hilfe der Bewegung noch eine Rolle spielen zu fönnen. Nun wird es in der Schantstube politisch, eine Ver fammlung in aller Form wird abgehalten. Ein socialdemokratischer Agitator aus Wien hält eine Rede, die von mächtiger Wirkung auf diese halbvertierten, ausgebeuteten Unglücklichen ist. Nur ein einziger wagt es, Widerspruch zu erheben: Dieser einzige ist der junge Wawroch, selbst ein Arbeiter, aber von großer Bildung und Lühowstraße acht, vier Treppen." Sie lachte glückselig. Intelligenz. Ihn widert die Gleichheitsmacherei, das Streben nach " Ich habe sie auch schon dem Herrn Maier gegeben. Dem Besserung der materiellen Lage an; er will eine Veredlung des Menschen großen Verlagsbuchhändler, wissen Sie!" Sie biß sich auf gelangt; ihn treibt der Widerspruch mit seinem Vater, dessen ganzes von innen heraus. Nicht mir theoretisch ist er zu solchen Folgerungen die Unterlippe und preßte die Hände ineinander, als müsse Wesen er zu hassen beginnt. Die ganze Bewegung verkörpert sich fie so einen lauten Freudenschrei unterdrücken. Habe ich ihm in dieser Berson, und so schließt er mit einer Beschimpfung aller ein Glück!" Anwesenden und ihrer Bestrebungen. Er muß das Lokal verlassen. In der allgemeinen Aufregung werden Bertrauensmänner gewählt, die die Forderungen der Grubenverwaltung überbringen sollen. Das Lied der Arbeit" ertönt, da sprengt die Polizei die Verfammelten auseinander, die aufrecht und freudig dem Kommenden ent gegensehen. Die Versammlung trägt ihre Früchte. Die Arbeiterschaft ist in mächtiger Bewegung. Der alte Watroch ist verhaftet worden, wird aber wieder freigegeben. Seinem Sohn Robert wird seitens der Werkleitung die Arbeit gekündigt, um gewissermaßen den Arbeitern einen Gefallen zu erweisen. Heimlich läßt man ihm aber eine Vermittlungsrolle zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern antragen, die er voll Berachtung zurückweist. Daß die Schuld des Vaters ihn zum Opfer macht, verschärft seinen Groll, und in den Familienscenen, die sich erschütternd abrollen, entladet sich die Tragödie des von seinen Eltern ausgenügten Kindes mit furchtbarer Gewalt. Den Pflichten Anderen, der Familie, gegenüber erhebt fich die Pflicht gegen sich selbst, und in diesem Konflikt verläßt Robert das elterliche Haus, um zum Militärdienst überzutreten. Nun ruht die Last des Haushalts ganz auf der Frau Wawroch und ihrer Tochter Olga, die sich ihrem GeZwei Stofffreise sind es, in denen sich die moderne Dramaturgie liebten ergeben hat, um dann von ihm verlassen zu werden. Der vorzugsweise bewegt, und die eine Umbildung der dramatischen alte Wawroch selbst hat jetzt viel zu thun: Der Streit ist ausTechnik herbeigeführt haben. So haben wir die Seelendramen, deren gebrochen. Die Arbeiter hungern mit ihren Familien. Sie find typische Form Jbsen geprägt hat, und die Massendramen, deren nicht mehr zu halten, fie lassen sich zu Gewaltthätigkeiten hinreifftes Erzeugnis in Hauptmanns Webern" vorliegt. Aber diese reißen und demolieren einen Schacht, fie plündern die beiden Gruppen sind nicht gar zu streng von einander geschieden. Schenke, und als Militär heranrückt, da versuchen sie halbDas Seelendrama, das die Handlung von den äußeren Begeben- trunken Widerstand zu leisten, bis die Salve fracht. Als vorderster heiten in das Gebiet der physischen Ursachen zurückverlegt, wird leicht in die Brust getroffen wird Wawroch: den todbringenden Schuß hat zum Milieudrama, das die seelischen Stimmungen und ihre That fein eigener Sohn abgegeben. Nun ist alles dahin. Die Grubenauslösungen aus den materiellen Bedingungen, den Lebensverhält- befizer triumphieren. Den Gefallenen laffen sie einen schönen Grabs nissen hervorgehen läßt. Und so wird allmählich aus dem Drama stein sezen, der Bezirkshauptmann feiert diesen Beweis von Edeldes Individuums das Drama der großen Masse, von der der Einzelne mut, nicht ohne die Arbeiter vor weiteren Ungeberdigkeiten nachein mehr mitbestimmter als mitbestimmender Teil ist. drücklichst zu verwarnen. Bei der Feierlichkeit befinden sich die WawBon Zeit zu Zeit taucht ein Drama auf, das man als das rochischen und jene Gruppe von Hüttenarbeitern, die sich von allen Drama des Proletariats bezeichnet, in dem Sinne, wie etwa die übrigen in den bewegten Tagen durchaus fern gehalten. Unter Schillerschen Jugenddramen der künstlerische Ausdruck der auf diesen wird das Ende des alten Wawroch lebhaft besprochen, bis strebenden Bewegung einer ganzen Klasse, der Bourgeoisie, find. einer dem Verdacht Raum giebt, Robert hätte mit Absicht seinen Bater Aber nur zu bald stellt es sich heraus, daß es mit dem Dichter des erschossen. Ein einziger verteidigt den Angeschuldigten, und schließlich Proletariats" noch seine guten Wege hat. Die modernen Dramatiker soll der selbst entscheiden, ob man ihm mit diesem Verdacht Unrecht stehen der arbeitenden Klasse viel zu fremd gegenüber, als daß sie thue. Da muß es heraus. Seiner selbst kaum noch mächtig, die reine dichter.sche Verkörperung der Ideale unserer Zeit geben von Wahnvorstellungen durchrüttelt, bricht Robert in ein ents Tönnten; weil sie nichts sein wollen, als die Herren ihrer Zeit, feßliches Schuldbekenntnis aus. Der Efel und Widerwille tönnen sie nicht ihre Propheten sein. Stammen die Dichter noch gegen das Gemeine, das er in seinem Vater verkörpert durchweg aus den herrschenden Schichten der Gesellschaft, wurzeln jah, verdichtete sich in ihm bis zu jener That, Nun will er sich ent
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" Na," er sah sie von unten bis oben an, machte ein bedenkliches Gesicht und schüttelte dann gravitätisch den Kopf, ich möchte Ihnen doch raten, sich da quasi nicht zu illusionieren. Ich kenne Maier. Uebrigens, was hat er denn zu bedeuten?" Er zuckte die Achseln. Das bißchen Moderne!" Sie sah ihn ganz enttäuscht an. Ich dächte doch Ja, liebes Fräulein," er lächelte überlegen, Sie kennen die hiesigen Verhältnisse nicht. Lauter Komplikationen, sage ich. Sie können sich schon auf meinen Scharfblick verlassen. Diese Leute, pah!" er machte eine wegwerfende Handbewegung alles Mumpik!"
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( Fortsetzung folgt.)
Ein Arbeiterdrama?
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