Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 119.

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Mittwoch, den 21. Juni.

( Nachdruck verboten.)

Es lebe die Kunst!

Roman von C. Biebig.

Aber wieso denn?" Das Mädchen wurde ganz blaß. Eben fagte noch die Dame, die schöne Frau von Linden- Linden- ach, Sie wissen schon! Die dort in deni ausgeschnittenen Sammetkleid und dem Brillantstern- die schien viel Wert auf Herrn Maier zu legen!"

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,, Kunststück! Er wird ihr neuestes Buch verlegen sollen, nimmt ja fein anständiger Verlag. Lauter Nuditäten! Wissen Sie, Fräulein" Goedeke beugte sich näher und flüsterte geheimnisvoll Intriguen, Komplikationen, nichts weiter, trauen Sie feinem! Mit dem er blinzelte mit einem Auge nach Bolten- ,, mit dem lassen Sie sich man schon jarnicht ein!"

Aber die Damen, mein Gott, die berühmten Schrift stellerinnen, alle drei sind doch mit ihm"

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1899

Sie hatte sich Fräulein Rosen angeschlossen; Elisabeth hätte sich nichts daraus gemacht, zu Fuß zu gehen, aber schon bei dem Gedanken war Alinde ganz entsetzt. Wo denken Sie hin, zwei junge Mädchen so spät in der Nacht allein?! Noch dazu in der Nähe des Tiergartens und in meiner Toilette!" So nahmen sie eine Droschke.

Elisabeth war sehr gesprächig; das Glücksempfinden, das sie durchströmte, hatte ihr die Zunge gelöst. Die Droschten. fenster ratterten, der Hufschlag des müden Gauls klapperte auf dem Asphalt, die Räder polterten über Pferdebahn­geleise ihre helle Stimme übertönte alles. Und glauben Sie wirklich, daß ich vorlesen darf? Ach, und wenn der Doktor was von mir druckte! Wie gut die Menschen sind! Was Frau Mannhardt Leonore," verbesserte sie sich- doch alles für mich thut!"

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,, Sie sind wohl sehr befreundet?" fragte die Rosen. Nein, eigentlich gar nicht; bis jetzt wenigstens nicht. Aber mun! Ich hatte einen Empfehlungsbrief an Herrn Er ließ sie gar nicht ausreden. Lauter Komplikationen! Mannhardt, unser Arzt in Meseriz ist ein Verwandter von ihm. Aber er klopfte ihr auf die Hand- seien Sie nur ganz Der interessiert sich für michadh, mein guter Doktor! Er außer Sorge! Ich bin auch noch da, und was ich an- fchrieb ihm einen langen Brief, und ich ging dann gleich den fange er rieb sich die Hände und blies die Backen auf ersten Sonntag punkt zwölf hin." ,, hat immer Chic! Da habe ich neulich" er brach ab und fuhr hastig herum, rief da nicht jemand meinen Namen? Ach so, Direktor Schwertfeger! Er hielt die Hand vor den Mund: Janz jenialer Direktor! den dritten Mann zum Stat. Ja, ja, ich komme schon, Verehrtester! Verzeihen Sie, Fräulein, ich bin unabkömmlich!" Er machte eine hastige Verbeugung. Sie hören noch von mir!" Fort war er.

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,, Dieser Arzt in Meseritz   ist wohl noch ein junger Mann? Na, na!" Alinde witterte gleich einen Roman; sie drohte schelmisch mit dem Finger. Sucht Elisabeth sah sie groß an. Er war ein Freund meines Großonfels," sagte sie ernst; er hat ihm auch die Augen zu­gedrückt. Er war sehr gut zu mir, es wurde mir schwer, mich von ihm zu trennen. Aber ich wollte nach Berlin  , ich mußte nach Berlin  , ich muß etwas erreichen!" Wie aus der Pistole geschossen fuhren die letzte Worte heraus; die Droschke schien zu eng für den vollen, freudigen Klang dieser Stimnie." Ich muß!"

Elisabeth sah noch, wie sein schwarzer Frack zwischen Thüren und Menschen durchschwänzelte; sie wußte nicht recht, warum, aber sie hatte große Lust zu lachen. Der Kopf wirbelte ihr; langsam ging sie zum Sofa zurück.

" Der gute Goedeke hat sich ja ordentlich ins Zeug gelegt!" sagte Bolten.

Was ist der Herr?" fragte Elisabeth schüchtern. Ein heimliches Lächeln glitt über die Gesichter. Antwort.

" Ja!" seufzte die Rosen, diese Illusionen haben wir alle gehabt!" ,, Sie feufzen?" Elisabeth wurde ganz eifrig. Sie können sich doch gewiß nicht beklagen! Wer so viel er­Keine reicht hat!"

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Ach!" Alinde sprach nachlässig, so meine ich das ja gar ,, Wer ist er eigentlich?" fragte sie noch einmal. nicht. Man stumpft eben so ab. Im Anfang, wenn einem Das eigentlich" ist köstlich! Haha! Hahaha!" platzte alles neu ist, ist man schon glücklich, nur seinen Namen ge­der Doktor heraus, er schien sich zu amüsieren." Ja, mein druckt zu sehen. Jezt du lieber Gott  ! Es berührt mich Fräulein, da fragen Sie etwas viel. Sagen wir" er nicht einmal mehr, wenn ich die glänzendsten Rezensionen dämpfte seine Stimme- Hans in allen Ecken. Ein reicher oder irgend einen Essay über mich lese." Sie lehnte sich zurück Mann mit litterarischen Ambitionen." Jch ambitioniere", und zog den eleganten Pelzmantel fester um die entblößten würde er sagen; er sitzt im Vorstand aller möglichen und Schultern.

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unmöglichen Vereine, hat Geld bei rZeitungen, Journalen Elisabeth sah sie bewundernd an. und Theatern, darf deshalb mehr oder weniger ein Wort mit dreinreden. Im übrigen versteht er von der Litteratur so viel, wie der Ochs vont Lautenschlagen."

Ach!" Mehr brachte Elisabeth nicht heraus. Sie saß ganz stumm und steif. Es war gut, daß es hier bald zu Ende ging; einzelne empfahlen sich schon. Sie unterdrückte ein Gähnen, eine große Müdigkeit kam über sie und eine leis sich regende Enttäuschung. Diese wich erst, als Frau Leonore sie beim Abschied in die Arme schloß.

,, Liebes Kind, reizend! Man hat mir unausgesetzt Komplimente gemacht. Ich habe Sie Dr. Bolten warm empfohlen; Verlagsbuchhändler Maier hat mindestens eine halbe Stunde mit mir über Sie gesprochen. Zu schade, daß unser Eisenlohr heute nicht hier sein konnte, aber ich hoffe, ein andermal! Ich muß Sie mit unserem größten Dichter be­kannt machen!"

Sie sind so gut!" Elisabeth bengte sich über Fran Leonores kleine Hand und drückte ihre warmen Lippen darauf.

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,, Herzchen!" Leonore wurde ganz enthusiastisch. Wir müssen uns Du" nennen! Wenn man so gleich denkt und gleich empfindet wie wir! Also Du" hörst Du? Und wann kommst Du wieder zu mir? Morgen, übermorgen? Komm morgen! Wir haben so viel zu plaudern. Und sei fleißig, hörst Du, sei fleißig, fleines Genie!"

Das war das letzte Wort. Elisabeth stand unten auf der Straße und sah die Dunkelheit nicht; es war hell um fie, ganz hell, ihre Augen leuchteten, als spiegelte sich die Sonne darin wider.

,, Es erscheint jetzt wieder ein großer Roman von mir in Boltens Blatt, einer bei Bornemann und einer im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. Ich schreibe doch so das Jahr meine zwei bis drei Romane, abgerechnet die vielen kleinen Sachen."

Um Gotteswillen!" sagte Elisabeth, ist das möglich?!" " Ich werde so bestürmt, ich kann mich nicht retten, jeden Tag Briefe und Briefe- Anfragen von Redaktionen; es wird zu viel! Mein Arzt sagt: Sie überreizen Ihren Geist." Aber was soll ich machen? Sie sollten mal meinen Schreib­tisch sehen: Haufen unbeantworteter Briefe! Meine Schreib­maschine klappert den ganzen Tag. Wenn's nicht gerade in der Saison ist, schreibe ich zwei Feuilletons den Vor­mittag."

drein.

Elisabeth sagte nichts mehr, sie sah nur immer groß

" Diese Aufmerksamkeiten!" Alinde wurde zutraulich. diese Briefe! Sowie etwas Neues von mir erscheint, regnets Blumen in meine Studierstube und reizende kleine Cadeaux  . Besuchen Sie mich doch, ich zeige Ihnen alles, ja?"

" Das möchte ich wohl." Elisabeth reichte ihr die Hand: Ich danke Ihnen, ich komme fehr gern! Und dann mit einem Seufzer:" Ach, wenn ich's nur jemals halb so weit brächte!"

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Die Anerkennung thut freilich wohl"- Alinde lehnte sich noch bequemer hintenüber aber das Höchste ist doch die eigene Befriedigung des schaffenden Künstlers. Ich lebe einzig für meine Kunst. Ich mache ziemlich viel mit, aber selbstverständlich nur zu Studienzwecken. Die feinsten Motive