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geringste Pflänzchen. Da, schon wieder eine Störung! Es] flopfte.

Er schrieb weiter. Er hörte nicht, wollte nicht hören. Noch einmal schüchternes Pochen.

" Zum Donnerwetter, herein!"

Der Diener brachte eine Karte: Herr Maier." Wer?"

" Herr Verlagsbuchhändler Mater. Den sollte ich ja nicht abweisen."

"

( Von unten dringen brausende Hochrufe herauf, sodann flatschende, puffende, gellende, johlende Geräusche, wie sie Menschenmassen hervorbringen, die sich um einen gemeinsam begehrten Gegenstand raufen dann wird alles still. Auch oben paustert man. Nach

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einer Weile.)

Hohenlohe( zu Posadowsty): Warum haben die Leute eigentlich gesungen, lieber Posa? Posadowsky : Sie wollten uns eine Freude bereiten, uns trösten wegen der Niederlage, die wir um ihretwillen er­

litten.

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Hohenlohe: Ach so!" Der Dichter warf die Feder hin. Führen

fie ihn herein!" bil

Maier trat ein. Er hatte dieselbe zugeknöpfte Haltung wie damals bei Mannhardts; nur sein Organ flang ge schmeidiger, seine Verbeugung war verbindlicher. Er hatte borgestern in der Zeitung unter Kunst und Litteratur" von der neuesten Schöpfung des berühmten Autors gelesen; dort war der Roman in höchst schmeichelhaften Zeilen als beinahe vollendet angekündigt worden. Als rühriger Geschäftsmann hatte Maier gestern bereits geschrieben, heute machte er dem Dichter seine persönliche Aufwartung.

Man war sehr artig miteinander, man erkundigte sich nach dem gegenseitigen Befinden. Man haspelte die gewohnten Einleitungsphrasen der Unterhaltung ab; in fünf Minuten war man bei dem Hauptthema dem Roman.

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Maier rieb sich die Hände; vor jeder größeren Unter­nehmung pflegte er das zu thun, eine gewisse nervöse Unruhe lag in diesem Händereiben. Anscheinend beiläufig erkundigte er fich, wie weit der neue Roman schon gediehen sei. Bald fertig, wie ich in der Zeitung las?"

"

" Das gerade nicht." Der Dichter lächelte. Sie wissen ja, die Reporter fönnen's nie erwarten. Aber selbstverständ­lich bin ich im vollen Zuge. Ich arbeite mit einer Schaffens freudigkeit fondergleichen. Ich glaube, es wird mein bestes Werk!"

ndoaia( Fortsetzung folgt.) og listhiti 196

Sonntagsplandevei.

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Hohenlohe: So, so wir haben eine Niederlage erlitten. 60. fo- wir haben eine St Wo denn? Warum denn?

Posadowsty: Ich kann nur mit Schauder an die vier Tage im Reichstag zurüddenken. Sie haben uns furchtbar mitgespielt. Hohenlohe: So, fo. Sie waren ako gegen uns? Posadowsky : Die Zuchthausvorlage hat uns zerschmettert. Bassermann war schlimm, Bebel war grausam, Röside und Lenz­mann wüteten blutig, Heine massatrierte uns, aber am gräßlichsten war doch der Arendt, der uns verteidigte. Man könnte an Selbst­mord denken... Hohenlohe: Nuhe, Ruhe, lieber Bosa! Sie reden da von

der Zuchthausvorlage. Ich hörte bereits öfters davon. Ist sie denn

wirklich so schlecht?

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Posadowsth: Sie haben Sie ja verteidigt! Hohenlohe: Ja, ja, ich entfinne mich. Aber hätte ich das vermutet, so

Posadowsky : Wissen Sie, was ich am letzten Tage am liebsten gethan hätte? Ich hätte eine Rede halten mögen gegen dieses Monstrum, wilder als Bassermann, Bebel, Röfice und Heine zusammen genommen. Aber( ächzend) das war doch staatsrechtlich unmöglich.

Nieberding( in einem Folianten blätternd): Sicher, das war staatsrechtlich unzuläffig. Ich als Jurist freilich hätte gewünscht, gegenüber dieser Vorlage- Socialdemokrat ſein zu dürfen.

Posadowsky : Was sollen wir nun anfangen? Ich kann mich ja überhaupt nur noch in geschlossener Droschke auf die Straße wagen, und eigentlich nur in Begleitung eines Möbelwagens. Brefeld( aufgeregt): Sprechen Sie nicht von Möbelwagen. Schreckliche Vorstellung: Umzug.

..

der

Hohenlohe( träumerisch): Ja, ja... Möbeltvagen. hat manchmal etwas Berlockendes. Aber es giebt doch zu viel Trubel.. Ich habe mich nun einmal an die Wilhelmstraße ge­wöhnt... Und in meinen Jahren noch einmal das Quartier Sie müssen uns helfen, Die Socialdemokratie und insbesondere der Borwärts" verfügt, wechseln... nein, nein, es geht nicht... wie Graf Posadowsky im Reichstage anerkannt hat, über eine gute, lieber Miquel. Sie verstehen alles? Was denken Sie denn eigent­findige Polizei, die jedes Bergehen der Regierung entdeckt. Was lich über die Zuchthausvorlage? Bongo immer die Herren thun, unsere Polizei erfährt es und bringt es Miquel: Als Mensch bin ich natürlich unbedingt Gegner, als an die Oeffentlichkeit, deren Absperrung höchste Pflicht und Weisheit einer mit allem Komfort der Vergangenheit aus­gestatteten Ministerthätigkeit ist. Dieser Polizei verdanken wir auch die Kenntnis einer Konferenz, die am Freitagabend nach der parlamentarischen Stäupung der Zuchthausvorlage, im Reichsamt des Innern stattgefunden. Wir sind sogar in der Lage, den Ge­dankenaustausch der Minister wortgetreu mit der ganzen Zuverlässig teit einer amtlichen Denkschrift wiedergeben zu können.

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Finanzminister halte ich sie für nicht sehr opportun, als Minister­präsident schätze ich sie, aber als Kämpfer für Religion, Ordnung und Sitte, und überhaupt in meiner Stellung als tündbarer Beamter bin ich geradezu begeistert für dieses staatsmännische Meisterwerk. Der Kapitalist in mir freilich fagt: Die Aktion war eigentlich recht überflüssig. Aber als Agrarier brauche ich sie, obwohl die Landarbeiter feine Koalitionsfreiheit haben; denn drang­faliert man den Industrie- Arbeiter, so sehen die ländlichen Staats­bürger ein, daß sie das eben so gat haben können, wenn sie daheim bleiben, und verlassen nicht die Schote.

Es war um Mitternacht. Das Konferenzzimmer war mittels schwarzer Umflorung der Glühbirnen in ein weihevolles Halbdunkel Die Politik besteht eben aus einerseits- andererseits, und wenn getaucht. Die Minister saßen in ihre Bolfier zurückgelehnt und lauschten sie ganz richtig sein soll, aus beiderfeits. Man muß für und gegen schweigend. Nur hier und da goß fich einer einen Gilfa ein sonst die Dinge sein. Das ist Freiheit. Bloß eine Ueberzeugung ist berharrten sie alle reglos in träumendem Brüten. Von unten tönte Zwang. Männergesang herauf. Der Gesangverein der Arbeitswilligen, geschmüdt Hohenlohe: Was raten Sie uns also? mit schwarz- weiß- roten Streifbruchbändern, brachte den Ministern Miquel( feierlich): Warten und sich nichts merken laffen. ein Troft- Ständchen. Die Mitglieder hatten bis 11 Uhr gearbeitet, Alles geht vorüber. hatten sich dann unverzüglich hierher begeben, und wollten dann fofort wieder Streifstätten ermitteln, wo sie ihre Arbeitswilligkeit mugbringend verivenden fonnten. Da sie jede Solidarität ver­schmähten und auch den Terrorismus des Koalitionszwangs der musitalischen Harmonie verabscheuten, sang jeder ein anderes Lied; da es aber durchweg staatserhaltende Gassenhauer waren, flang das Durcheinander doch ziemlich überwältigend.

Die Braven hatten geendigt, und nun entspann fich oben fol­gendes Gespräch: Hohenlohe: Lieber Miquel, werfen Sie den Leuten doch ein paar Groschen hinunter.

Nieberding: Ich erlaube mir gegen den Vorschlag unseres verehrten Chefs ein juristisches Bedenken zu erheben. Wir würden die Leute zu einem rechtswidrigen Vermögensvorteil verleiten, weil fie ja tein Recht haben, hier zu singen.

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Hohenlohe: Gewiß, gewiß aber sie haben doch schön gesungen, und da wollen wir Gnade für Recht ergehen lassen. Also, lieber Miquel!

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Miquel( ucht lange in seinem Portemonnaie umher, findet endlich ein paar Kupferstüde, widelt sie in einen Bogen der Schweine burgichen Korrespondenz" ein- die er stets in seiner Nodtasche mit sich führt, namentlich in der gefährlichen Obstzeit und wirft fie hinunter, indem er ruft): Wir danken Ihnen, meine Herren, für Ihre erhebende Kundgebung. Die Regierung steht Ihnen mit warmem Herzen sympathisch gegenüber. Helfen Sie uns weiter, und wir werden es auch an uns nicht fehlen lassen. In diesem Sinne erweifen wir Ihnen die eingewickelte Kleine Aufmerksamkeit.

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Brefeld( leidenschaftlich aufspringend, mit dem Fuße stampfend und die Arme werfend): Nein, nein, nicht warten. Wir müssen handeln. Woedtke kann nachhelfen Grunert oder besser noch Philippsborn soll schnell eine Vorlage gegen den Reichstagsterrorismus aus­arbeiten, mit verschärften Strafen gegen den Rädelsführer, den- äh! Präsidenten. Podbielski: Berbieten wir ihnen einfach, sich um Politik zu fümmern. Vertrauen zur Regierung ist das einzig Wahre. Jott, im Na im wat soll denn überhaupt det ville Jeschwafel im Ri Reichstagshaus. Nieberding( finnend): Man müßte sich überlegen, ob es nicht juristisch möglich ist, die Abgeordneten unter das Disciplinargesetz für nicht- richterliche Beamte zu stellen. Da sie in der That nicht­richterlich" find, bietet sich hier ein Weg. Brefeld( schreiend): Das ist ein zu schwieriges Problem dazu brauchen wir Zeit. Wir müssen sofort etwas thun. Dieser Ballestrem- wenn ich nur an ihn denke rase ich. Hohenlohe: Nuhe, Ruhe. Es wird schon alles wieder gut werden.( Er entschlummert.) Posadowsky ( leise, ernst): Eure Pläne find untauglich. Sie retten uns Sie beseitigen nicht den Grund unseres Elends. nicht vor dem Gericht der Geschichte.. Podbielski( zwischenrufend): Faulet Jericht, faule Jes schichte...

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Posadowsky( fortfahrend): Wecken Sie nicht den Alten durch Ihre Wige auf, Podbielski! Ueberhaupt, die Wize sollten Sie Bülow überlassen. Der kauft damit eine Insel nach der andern.