Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Str. 153.
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Dienstag, den 8. August.
Es lebe die Kunst!
Roman von E. Biebig.
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1899
wandten, man sah es an den seidenen Kleidern der Damen, ( Nachdruck verboten.) an der Behäbigkeit der Herren mit dem dicken Siegelring am Zeigefinger. Ueberall Nippes und Kunstgegenstände, bunt durcheinander gestellt; Goedeke hatte die Manie, auf allen Auktionen zu kaufen. Da waren Meißener Tassen und Schäferpaare, da Makart Bouquets , da Tanagra- Figuren , Er blieb nachdenklich stehen und überlegte wenn er da bronzene Statuetten, da Gipsbüsten, da venetianische Urlaub nähme und mit ihr und dem Kinde fortreiste, in ihre Gläser; auf dem Tisch vor dem Sofa eine riesenhafte AlabasterHeimat vielleicht? Sie sprach in der letzten Zeit viel von vase mit künstlichen Blumen- lauter prangender Klatschmohn den blauschimmernden Kiefernwäldern und den niedrigen Goedete liebte den besonders. Dorfhütten und hatte dabei stets ein eigentümliches Flimmern ,, Womit kann ich dienen?" Goedeke kam aus dem Nebenin den Augen; er glaubte ihrer Stimme eine gewisse Sehnzimmer gerannt; er schien Nachmittagsschlaf gehalten zu haben, sucht anzuhören. Ja, das würde ihr gut thun, in der heimat- seine linke Wange war dunkelrot und zeigte den Abdruck eines lichen Natur würde sie gefunden! Bessere Zeiten würden gestickten Kissens. Oh ja, ich erinnere mich, lange nicht kommen, ach ja, bessere Zeiten! jefehn! Wollen Sie sich nicht placieren?!"
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Es war fein selbstisches Empfinden, was ihn seufzen ließ; er dachte nur an sie. Er sah, wie sie sich quälte, und er litt mit ihr. Hilflos dabei stehen und sehen, wie[ ein geliebtes Wesen leidet, das ist doppelt schwer. Er nahm den Hut ab und ließ den weichen Frühlingswind um seine heiße Stirn fächeln. Es würde schwer zu machen sein, ein Haushalt hier, ein Haushalt dort aber es mußte gehen! Er rechnete und rechnete.
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Da fam fie; er erschrat über ihre finstere Miene. ,, Weißt Du was, Elisabeth," sagte er und trat hastig auf fie zu, sowie es warm ist, wollen wir fort von hier. Ich werde um Urlaub bitten."
Sie sah ihn erstaunt an.
Er nickte und lächelte. Ich sehe es gar nicht ein, warum Du nicht einmal dahin kommen sollst, wohin Du Dich doch sehnst."
Woher weißt Du das- woher?" Ich weiß es." Weiter sagte er nichts, merkwürdig, wie er sie durchschaute! Es unbehaglich.
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aber sie errötete wurde ihr fast
" Ich kann nicht fort," sagte sie rasch, erst muß mein Stück aufgeführt sein. Es ist mir mun flar, ich muß es durchsetzen, koste es, was es wolle!"
Ruhe Dich erst aus, schone Dich und fange dann mit frischen Kräften an!" bat er.
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Er hatte es nun einmal im Griff, diensteifrig die Sessel zu rücken. Im stillen überlegte er: was wollte die eigentlich Etwas wollen, von ihm, tauchte die auch mal wieder auf? wollte sie. Er setzte sich in Positur.
Elisabeth sah ihn an. In den drei Jahren war er noch röter geworden, noch aufgeblasener; es wurde ihr schwer, die Worte zu finden. Ohne jeden Uebergang sagte sie:„ Ich wollte Sie um Ihren Rat bitten, Herr Goedeke." Ahah! Er rieb sich die Hände.
ich
" Ich weiß nicht, ob Sie etwas von mir gelesen haben,
"
,, Na, erlauben Sie mal!" Das ging doch nicht anders, wenn jemand seinen Rat wollte, muß Goedefe liebenswürdig sein, das war ihm angeboren. Ich bin doch kein Prolet!" Er that ganz beleidigt. Ich jehe mit der jesamten Produktion unserer modernen Litteratur Hand in Hand. Ich, die jeschätzte Autorin von Einfache'-, Einfache"- er konnte nicht gleich auf den Titel kommen, zum Glück war ihm noch die Hälfte davon eingefallen. Nun verbarg er das Fehlende unter einem getränkten:„ Hm, hm nicht kennen?! Apropos, da war ich vorijen Sommer in Pontresina , habe lebhaft an Sie jedacht, habe da einen Stoff jefunden Landleben, Stallduft, Sennerin, Messerstiche und so was jroßartiger Stoff, janz was für Sie!"
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Sie sind sehr gütig!" sagte Elisabeth mit eigentümlich ironischer Betonung; am liebsten wäre sie aufgestanden und fortgegangen. Aber was half's? Sie brauchte ihn. Konnektionen, Konnektionen allein! hatte Maier gesagt. Sie fühlte, daß sie rot wurde; sie schämte sich. Ich habe ein Stück geschrieben," sprach sie dann leise.
„ Nanu? Sie-?!" Er sah sie unter hochgezogenen
Nein!" Eine hartnäckige Zähigkeit zeichnete sich um ihre Mundwinkel. Nein, erst das Stück, dann die Erholung. Wie könnte ich ruhig sein, wenn sich mein Schicksal nicht entschieden hat. Wenn einer zum Tode verurteilt ist, und man läßt ihn angebunden auf dem Henkerblock noch eine Stunde leben, was hat er dann von dieser Stunde Leben? Ich danke Dir?" Sie nahm seinen Armi und drückte ihn. Augenbrauen an. ,, So. Das ist ja janz nett!" " Nachher, nachher so gern, aber erst das Stück! Maier sagt, ich muß" sie brach ab und fah ihren Mann düster und zerstreut an. ,, Geh nach Hause, Wilhelm, ich muß noch einen" So." Er stützte das glattrasierte Kinn in die Hand und Gang machen." sah wichtig drein. Hm. Illusionieren Sie sich aber da doch nicht zu sehr! Es jiebt heutzutage vielleicht im janzen fünf, sagen wir sechs Leute, die ein Drama zu beurteilen verstehen. Hm."
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Soll ich Dich nicht begleiten?" fragte er besorgt; sie fah so blaß aus. Sie richtete sich straff auf, in jeder Muskel trotzige Entschlossenheit. Du kannst mir nicht helfen, ich muß allein gehen!"
um
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Sie trennten sich. Er ging ohne Widerspruch, er wußte, der reizte sie nur; aber au der Ecke drehte er sich nach ihr da stand sie und sah ihm nach ihre Blicke begegneten sich, rasch kam sie noch einmal zurückgelaufen, faßte seine Hand und sah ihm in die Augen. Du bist sehr gut!" Dann war sie auch schon wieder fort.
Herr Eugen Goedeke wohnte Klopstockstraße 90; Sprechstunde von fünf bis sieben" stand an der Thür. Breite marmorne, mit roten Läufern belegte Treppen führten zum zweiten Stock; auf jedem Treppenabsatz stand eine Palme vor dem Buzenscheibenfenster und ein altdeutsches Stühlchen darunter. Goedeke wohnte stylvoll.
Als Elisabeth Klingelte, öffnete ihr ein niedliches Mädchen in Hamburger Häubchen und rosa Kleid. Auf einem silbernen Tablettchen nahm fie die Karte in Empfang.
Herr Goedeke läßt bitten."
" Es soll gut sein"- der Stolz kam ihr- Leute, die viel verstehen, haben es mir gesagt."
"
Es ist gut!" Mit einer hoheitsvollen Gebärde hob sie den Kopf und sah ihn mit ihren düsteren grauen Augen an, als wollte sie ihn zu Boden schmettern.
"
Er wurde ganz flein. Selbstverständlich!" sagte er rasch. Sie sind ja auch ganz exzeptionell bejabt; habe ich ja immer jesagt: starke dramatische Ader. Jewiß sehr interessant, höchst interessant!" Er spikte den Mund.
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Würden Sie es lesen?" fragte sie. Sie hätte lieber gleich sagen sollen: Sie werden es lesen!" so befehlend war ihr Ton; sie ließ den Blick nicht von ihm.
"
"
Sie imponierte ihm. Donnerwetter, hatte die ein Paar Augen! Es grufelte ihn ordentlich; er wurde sehr geschmeidig. Lesen? Ich bitte Sie, mit Verjnüjen!" Er legte die Hand aufs Herz. Mir' ne Ehre!" Nun machte er eine Verbeugung. ,, Wieviel Stücke habe ich nicht schon protegiert, i Du meine Füte! Das muß ich sagen, ich habe mich nie jeirrt. Ja, der Goedecke ist ein Filou, er hat' ne Nase,' ne Nase!" er füßte sich auf die Fingerspigen„ na, wo hätte der Schwertfeger denn den Succès mit der Starzynska jehabt, wenn ich nicht jewesen wäre! Kassenstück- Kassenstück."
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Es öffnete sich ein pompös eingerichtetes Zimmer mit Smyrnateppich, geschnitztem Paneelsopha, schweren Ueber-" Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mein gardienen und vielen Delbildern. Lauter Porträts von Ver- Stück lesen wollten." Sie zwang sich, eine gewisse Verbind