III.

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Un einem Maimorgen, als er über den Quai Voltaire bummelte, wo er bei den Antiquitätenhändlern schöne Erwerbungen und gute Geschäfte gemacht, betrachtete er das schwerfällig dahinfließende Waffer der Seine und dachte dabei mit tiefer Melancholie, die ihn feit einiger Zeit beschlich, wie schnell das Leben doch verfliegt, wie düster das Alter ist, und wie wenig Bestand die Freuden haben. Da sah er einen Freund aus dem Klub, der schnellen Schrittes näher fam.

"

Wo laufen Sie denn hin?" fragte er, ihn ansprechend.

" Nach dem Justizpalast, mein Lieber, kommen Sie mit; es ist sehr interessant."

" Was denn?"

Instinktiv hatte er denselben schnellen Schritt angenommen und folgte seinem Freunde.

Ach, Sie wissen doch... der Fall Dingsda.

die Sache beendet."

Heute wird Herr Gantrey fannte an seinem alten Freunde die vielen Leuten eigentümliche Manie, niemals einen Namen finden zu können, und er fragte deshalb mit halbem Lächeln:

"

Wer ist das, Dingsda?"

" Ach, Sie wissen doch... Lesen Sie denn keine Zeitungen?. Dieser Mensch, der eine alte Frau, seine Beschützerin, die Kammer­frau und ein kleines Mädchen ermordet hat, um sie zu berauben." Sie stiegen die Stufen des Justizgebäudes hinauf.

Ach ja, richtig," versezte Herr Gantreh, wenig interessiert. Sie haben diese Geschichte also verfolgt?"

Wir

Leidenschaftlich! Unglücklicherweise mußte ich um drei Uhr fort­gehen.. Eine Aufsichtsrat- Sigung.. Sie begreifen. Aber ich habe nur die Plaidoyers versäumt. werden gerade zur Urteilsfällung kommen. Oh, man wird ihn sicherlich freisprechen.... Der Verteidiger hat auf Wahnsinn plädiert und wirklich gut gesprochen. Kommen Sie, gehen wir hier hinein, ich habe Karten."

wieder.

" Aber wie heißt denn dieser Mörder?" fragte der Bankier " Warten Sie, warten Sie doch!... Mervelle, Mervelle! Man hat ja seit einem Monat nichts weiter gelesen!"

Mervelle!" Dieser Name gellte wie ein lauter Schrei Herrn Gantrey in die Ohren. Mervelle!"

In einer Sekunde sah er wieder die niedliche Wohnung vor sich, in die er die, die so hieß, hineingescht, eine reizende kleine Blumen­macherin, die er in das galante Leben gestoßen hatte. Das war Tange, sehr lange her.. Doch welche Beziehung bestand zwischen dieser Vergessenen und diesem Mörder?

Im Augenblick, da er den Saal betrat, verlas der Obmann der Jury die Antwort, die alle Schuldfragen bejahte; mildernde Umstände waren ausgeschlossen worden.

Im Hintergrunde des fieberhaft erregten Saales, in dem ein dumpfer Geruch in der Luft schwebte, verlas der Präsident die Artikel des Coder, die die Todesstrafe aussprachen.

Und dort auf zitternden Füßen, mit bleichen Lippen und blut­unterlaufenen Augen, stand der Unbekannte, den Herr Gantrey seit so langer Zeit suchte, der Unbekannte, der Mervelle hieß, gerade wie die hübsche Blumenmacherin, die der Bankier vor 30 Jahren berführt hatte.

-

Die blinzelnden Augen des jungen Mannes liefen einen Augenblick mit der entsetzten Angst eines gehetztes Tieres durch den Saal. Sie begegneten denen des Herrn Gantreh, dessen zusammengepreßte Zähne vor Grauen nirschten. Er kannte er den Mann, der ihm vor drei Monaten 30 000 Frcs. abgewonnen hatte? Sein Geficht zeigte eine entsetzliche Toten­blässe.

Die Munizipalgardisten hatten den Mörder fortgeführt, und die Menge verlief sich.

-

Militär, dessen Augen aber unruhig und lauernd hin und her fuhren. Die bürgerliche Kleidung, der wohlgepflegte, rundliche Vollbart und selbst der gleichmäßig gehandhabte Spazierstock konnten nicht darüber täuschen, daß man einen Polizisten vor sich hatte.

Er streifte die beiden mit einem Blicke und ging ruhig weiter. Sie atmeten auf. Hatte er sich doch täuschen lassen! Wenn er sie geflebbt hätte, wenn sie ihre Papiere hätten zeigen müssen, wäre es mit ihren Fahrten vorläufig vorbei gewesen. Der Kleine sagte: Jetzt habe ich genug von Moabit ; ich mache, daß ich fort­tomme."

Mensch, sei doch nicht so ängstlich;" lachte der andere. Denkst Du denn, der sieht uns an, was wir sind?"

Das ist mir ganz gleich. Ich fahre ab 1" Damit eilte der Kleine zu einem vorüberfahrenden Omnibus.

wäre

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Der Größere hatte an der nächsten Ecke ein großes Kaffee- und Delikatessengeschäft entdeckt. Und wenn es sein Untergang getvesen das mußte er erst noch mitnehmen! Er ging in den Laden, in dem zwei Lehrlinge und ein Gehilfe thätig waren. Während die Lehrlinge die Käuferinnen bedienten, unterhielt er sich mit dem Gehilfen, der sagte ihm den Arbeitsnachweis und erzählte ihm, daß er ebenfalls gewalzt hätte.

Da tam in den Laden ein Mann. Ohne daß der arme

Reisende sich umsah, wußte er, daß es der Greifer war. Er fühlte, wie er ihn von der Seite beobachtete. Er wurde wohl heiß unter diesen lauernden Blicken. Aber er erzählte ruhig weiter von gleich­gültigen Dingen und lachte dabei.

Der Mann ließ sich eine Cigarre geben. Die Lehrlinge sahen einander verwundert an. So etwas tam in ihrem Geschäft doch sonst nicht vor!

Und dann zündete er sich die Cigarre an, beobachtete dabei aber den armen Reisenden unausgesetzt. Dem war es, als hätte in feinem ganzen Leben noch kein Mensch so viel Zeit gebraucht, eine Cigarre in Brand zu setzen. Endlich ging der Mann; das laute Wesen des armen Reisenden hatte ihn wohl irre geführt. Der bat nun endlich den Gehilfen um Unterstüßung. Warten Sie einen Augenblick!" antwortete der Gehilfe und ging hinauf in fein Bimmer.

"

Der arme Reisende wartete. Er wartete eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten. Die Uhr über dem Ladenspind rückt immer weiter. Immer andere Käuferinnen kommen herein und gehen wieder. Fünf Minuten find vorüber, zehn Minuten. Jetzt denkt er, der Gehilfe sei inzwischen nach der Wache, um ihn festnehmen zu lassen. Mit jähem Entschluß wendet er sich zur Thür und will davon. Da sieht er draußen den Mann mit den lauernden Blicken. Da wäre er also dem direkt in die Arme gelaufen! Dann lieber bleiben und abwarten, denkt er sich. Und er wartet weiter. Seine auf den Ladentisch gestützten Hände zittern.

Endlich kommt der Gehilfe, drückt ihm feinen Thaler in die Hand und wünscht ihm gute Reise. Der arme Reisende bemerkt das gar nicht, vergißt den Dank und drückt dem Kollegen nur freund­schaftlich die Hand- draußen steht ja noch der Mann.

Und dann geht er grüßend davon, wie von einem alten Be fannten. Der Mann mit den lauernden Augen wendet den Blick, als er den Beobachteten so unschuldig lächeln sieht. Er läßt ihn ruhig vorüber gehen. An der nächsten Ecke betrachtet sich der das Geschenk und hält es vor Freude lachend dem ihm verblüfft Nach­sehenden entgegen.

"

- Irrlichter. Herr H. Baul aus Trschemoschna in Böhmen schreibt an die Redaktion des Prometheus": Am 26. Juni ds. Js. hatte ich Gelegenheit, in Grado ( östreich. Küstenland), wo ich mich als Badegast befand, zusammen mit mehreren Badegästen und wohl über 100 Einwohnern eine große Anzahl Jrrlichter zu beobachten, nach dem ich mich über 30 Jahre auf dem Festlande vergeblich bemüht hatte, eine derartige Erscheinung zu Gesicht zu bekommen.

Am genannten Tage abends 914 Uhr befand ich mich auf dem Blöglich fiel Herr Gantrey gegen die Schulter feines alten Grado im Süden in flachem Bogen umfassenden Steindamm", der Freundes, fiel mit heiserem Röcheln zur Erde und starb nach zum Schutz der flachen Düne, auf welcher der Ort liegt, gegen den Angriff wenigen Minuten. der See erbaut ist. Die Adria an dem Damme, bei ruhiger See Am nächsten Morgen stand in den Zeitungen, er wäre einem und Ebbe nur 0,5-0,7 Meter tief, war zur Zeit gänzlich unbewegt, Herzschlage erlegen. in der Nordost- Ecke des Golfes von Triest ( etwa 20 Kilometer von Grado entfernt) stand ein schwaches Gewitter; den Damm entlang im allgemeinen in der Richtung von Ost nach West bis Nordwest zog eine schwache Strömung mit etwa 10-15 Meter Geschwindig feit pro Minute. In dieser Strömung nun traten die Er scheinungen auf, die nur als Frrlichter bezeichnet werden können und deren Vorkommen ich mit so vielen anderen bisher für mindestens unwahrscheinlich gehalten hatte.

Kleines Feuilleton.

-st- Der Verdächtige. Sie hatten einander in der Herberge tennen gelernt und gingen nun zusammen Umschau halten. Gegen mittag waren sie in Moabit ; bis jetzt hatten sie noch nirgends Aus­ficht auf Anstellung. Die meisten Kaufleute arbeiteten allein, in ihren kleinen Läden. Viele hatten auch einen Lehrling. Die wenigen größeren Geschäfte, die Gehilfen beschäftigten, brauchten vorläufig feine neue Kraft. Aber eins hatten die beiden doch erreicht: Einen ansehnlichen Zehrpfennig hatten sie im Laufe des Vormittags zu sammenbekommen.

Eben gingen die beiden eine Straße entlang, die mit ihren vielen Erkern und grünen Balkonen einen wohlhabenden Eindrud machte. Mit den Dienstmädchen, die hier und da noch Einkäufe machten, wechselten sie scherzende Blide. Plötzlich stieß der Kleine den Größeren an: Du.. da.. ein Greifer!"

Um die Ecke war ein Mann gekommen, der zwar ganz ruhig gerade aus schritt und den Kopf aufrecht hielt wie ein pensionierter

Auf einer an den Steindamm stoßenden Wasserfläche von etwa 30 Meter Breite und 80 Meter Länge( in der Richtung der Strömung) traten fleinere und größere Gasblasen, die unter Wasser schwach hell­blau leuchteten, an die Oberfläche und entflammten heftig bei Be rührung mit der Luft und zwar mit einem zischenden Geräusch und lebhaft rotgelber Flamme von 30-60 Centimeter Höhe und bis 20 Centimeter Querschnitt. Defter verbanden sich die Gase zweier dicht neben einander austretenden Blasen zu einer Flamme und ers zeugten dann ein um so stärkeres Leuchten und Zischen. Auf der gesamten thätigen Fläche mochten in der Minute wohl 20 bis 50 Flammen aussprühen, so daß entfernter stehende Beobachter sehr leicht den Eindruck von tanzenden Lichtern hätten erhalten können. Wir konnten uns einer solchen Täuschung nicht hingeben, da einzelne Flammen kaum 6 Meter von unserem Standpunkte erschienen und