Mnterhaltungsblatl des Worivärts Nr. 159. Mittwoch, den 16. August. 1899 i3] (Nachdruck vertoten.) Es lröo die Vunft! Roman von S.-Viebia. VII. Am Bettchen seines Kindes stand Wilhelm Ebel und starrte entsetzt auf das mit nassen Tüchern umwundene Köpfchen. In seinen Ohren war noch das Lachen, das Zischen des Publikums, und jetzt? Ein anderer, ein viel furchtbarerer Ton l Alles schwand dahin, als wäre es nicht gewesen, das Theater, die Menschen, der ganze Abend; nur dieser eine Ton. der blieb! Das Ktnd stöhnte. Die kleinen Lippen waren halb geöffnet, nun ei-trang sich ihnen wieder das Stöhnen, furchtbar bei einem Ertvachsenen, noch furchtbarer aus deni unverständigen Kindermund. Wilhelm, Wilhelmchen 1" Angstvoll beugte sich der Vater über das Bett und nahm das Händchen des Kindes; schlapp hing es in seiner Hand. Wilhelmchen!" Die schweren Lider öffneten sich einen Spalt breit, einen Moment zeigte sich das glasige Weist des Auges wieder das Stöhnen l Das Köpfchen neigte sich ein wenig zur Seite, da lag es, totenblaß. ei»»en seltsam un- kindlichen Leidenszug um das Mündchen. Ein schwerer Schatten lauerte zwischen diesen blonden, kaum angedeuteteir Brauen. Wenn der Arzt nur käme, wenn er doch schon hier wäre! Ebel atmete zitternd. Glaubst Du, daß es schlimm ist?" In der offenen Thür des Nebenzinlmers erschien Elisabeth, sie hatte noch das schwarzscidenc Kleid an und trug noch die halbentblätterten Rosen an der Brust; das Haar hing ihr feucht von Schweiß und verwirrt um das abgespannte Gesicht. Sie trat näher. »Du glaubst doch nicht, daß es schlimm ist? Antworte mir doch I" Eine unklare Angst lag in den letzten, hastig heraus- gestoßenen Worten.Ist es schlimm?" Das wolle Gott verhüten!" Man hörte es ihm an, er bezwang sich, er wollte nicht die ganze qualvolle, zitternde Todesangst zeigen, die ihn verzehrte.Kinder sind eben sehr empfindlich; er ist auf den Kopf gefallen, das Bettche» ist zwar nicht hoch, aber" Er stockte. Mite sagt, er hätte nur einmal aufgeschrien, sie war gleich aufgelvacht, war sofort bei ihn," Elisabeth sah ihren Mann unnihig anwas machst Du für ein Gesicht? Wilhelm. Wilhelmchen 1" Sie schrie auf und stürzte an das Bettchen. Still, störe ihn nicht l" Er schläft!" Nein, er ist bewußtlos." Bewußtlos?" Sie sah ihn an, als spräche er irr.Be- wnßtlos? Wo war ich denn?--- Die Mutter, die Mutter I" Sie hob beide Hände an die Schläfen und hielt sich dann die Ohren zu.Mein Kind in all dem Lachen. all dem Zischen Wilhelnichen!" Aufschreiend sank sie neben dem Bettchcn auf die Knie.Wach auf I" Die alte Mile kam herein, sie sah aus wie ein Gespenst und hielt sich kaum aus den schlotternden Füßen.Ach, Herr- Ebel I" jammerte sie,es wird doch nich schlimm sein? Ich bin imnier so todmüde, der Junge war so wild, er wollte nicht schlafen, ich wollte ihn einsingen, da konnte ich gar nich mehr, die Augen fielen mir zu, nur ein Augenblickchen, da hörte ich ihn auch schon schreien; er hat gewiß übers Gitter klettern»vollen!" Hätten Sic nur gleich zun» Arzt geschickt l" Ebel runzelte finster die Stirn. Die Alte»veinte.J ja. Hütt' ich man nur gekonnt l Aber die Bertha lief weg, kaum waren die Herrschasten aus denr Haus. Das is'ne Wirtschaft! Ich konirte das Kind doch nicht allein lassen!" Der Doktor muß gleich kommen!" Ebel ging mit un- ruhigen Schritten im Zimmer auf und ab. Er legte seiner noch immer knienden Frau die Hand auf die Schulter.Steh auf, Elisabeth I " Sieh nur, sich!" Sie hob zitternd den Finger. Die Bnist des Knaben schieil sich»vie in einem inneren Kampf zu heben jetzt stieg der Kamps in die Kehle ein kurzes Würgen dann drang es über die Lippen. Erbrechen!" Ebel wurde totenblaß. Ja, das hatte er schon mal I" Mile sprang hilfreich bes. Elisabeth wollte aufschreien, sie sah das angstverzerrte Gesicht ihres Mannes da--- es klingelte. Der Arzt!--- Gehirnerschütterung I" sagte Doktor Schmidt nach der Untersuchung; er hatte viel Armenpraxis und machte keine Umstände.Das heißt," setzte er hinzu, als tötlich erschrockene Gesichter ihn anstarrten und er den verzehrenden Blick der Mutter saheine leichte Gehirnerschütterung. Wollen das beste hoffen. Morgen früh komme ich wieder. Immer Eis; es muß natürlich gewacht werden I" Wer hätte an Schlaf denken können! Und doch. Elisabeth schlief; auf dem Stuhl am Bett des Kindes waren ihr die Augen zugefallen. Es war gegen Morgen; eine bleierne Be- leuchtung ohne Sonne kroch durchs Fenster, die die Schatten schwärzer erscheinen ließ, die Falten eingegrabener. Ihre blassen Lippen waren zusa»»lmengekniffen. die Mundwinkel schmerzlich heruntergezogen, unter den Augen zeichneten sich tiefblaue Ränder. Und da Ebel beugte sich näher hin an den Schläfen, in dem schinrmernden Blond, zeigten sich graue Fäden nein, er täuschte sich nicht! Es war sehr still nu Zimmer. Er schauderte und fror, seine Hände waren kalt vom steten Erneuern der Umschläge; kleine Stücke Eis schob er dem Kinde in das halbgeöffnete Mündchen, aber es schluckte nicht, das Wasser lies ihn» an beiden Mundwinkeln wieder heraus. Noch immer lag es de- Ivußtlos I Auch das Stöhne» hatte aufgehört. Daß der Kleine noch lebte, zeigte der schwache, unruhige Atem. Der Bater hielt den seinen an, immer wieder beugte er sich forschend über das Bettchen da lag die Kindergestalt, so klein, so leicht, und doch ein volles Glück! Oh nur nicht sterben! Des einsamen Mannes Hände krampften sich zu- sammen. Wenn es stürbe I Scheu richteten sich seine Augen aus die Schlafende wie würde sie's ertragen?! Elisabeth!" Sie hätte nicht; es wurde ihin plötzlich so angst und bange, der Kuabe sah so verändert aus. Zischen-- Zischen" sie schlug im Schlaf mit den Händen abwehrend um sichsie zischen-- ha l" Plötz­lich fuhr sie auf.Wo ist er?" Mit wirren Augen blickte sie um sich.Ich habe wohl geschlafen?" Sie sah ihren Mann sich über das Bettchcn beugen.»Was ist das? l" sprach sie laut. Pst!" Er wandte ihr sei» von Schmerz ganz ent- stelltes Gesicht zu.Ich höre seinen Atem nicht ich fürchte--- es geht nicht gut l" Sie rieb sich die Augen und stammelte:Sie lachten-» nein, komm fort, fort! Ich kann's nicht ertragen I"-- Jetzt schrak sie zusammen, jetzt war sie ganz»vach.Was sagst Du? Nicht gut? I Wilhelmchen l" Sie drängte sich heran. Sie sah das marmorweiße, marmorkalte Gesichtchen; ein plötzliches Entsetzen packte sie.Er sttrbt!" Sie bäumte sich hoch auf und stieß sich die Faust gegen die Brust.Ich habe ihn vernachlässigt, ich habe es gewußt, das mußte so kommen, hundertmal es schrecklich gesehen und doch nicht geändert I Oh ich!"-- Sie griff sich in die Haare. Was habe ich denn gethan? Wo war ich?" Sie brach plötzlich zusammen, ihre Stirn fiel schwer aus die Bettkante. Wie schützend warf sie beide Arme über das Bett.Mein kleiner Wilhelm, hier ist Deine Mutter!" Ihr verzweifeltes Rufen wurde zättlich flüsternd, sie sprach selbst halb lallend »vie ein Kind.Main , Maui , sag's noch einmal. Mam, Main . Wilhelmchen! so hör' mich doch, ich Hab' Dich ja so lieb so unsäglich lieb jetzt Hab ich Zeit-- nichts mehr von der Kunst! Sag: Mam. Mam. Wilhelmchen, Mam, Main !" Sie drückte einen Kuß auf das Gesicht des Kindes.Hier bin ich-- sag" Sie stockte. Mam-- Mam---" Das war ein Laut, so zart, kaum hörbar! Wo kam er her? Die Lippen des Kindes hatten sich bewegt, die Lider zuckten, aber sie hoben sich nicht. Er spttcht!" rief sie halb lachend, halb»veincnd.Er hat mich gehött! Mein Kind, mein Kind, ich schwöre es Dir, ich rühre keine Feder mehr an. ich schwöre--" Ebel legte ihr fest die Hand auf den Mund.Schwöre