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Bettrand und sah ihn groß an wenn sie auch lachten und keit, eine verrohte Sprache, krasse Gefühlsäußerungen ohne zischten, mein Stück ist doch gut!"
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Er sah sie erstaunt an und fragte dann freudig bewegt: Wie kommst Du darauf? Gewiß ist es gut!"
" Ich habe darüber nachgedacht," sagte sie ernst, zum ersten mal. Ganz aus der Welt wollen sich die Gedanken doch nicht schaffen lassen!" In ihren matten Augen blikte ein flüchtiger Strahl auf und sie lächelte wehmütig.
,, Dann werden wir auch heute die Kritiken ansehen," sagte er rasch." Heider hat sie alle gesammelt. Ja, willst Du?"
" Zeige sie mir!"
Nebenan regte sich das Kind; augenblicklich huschte sie fort. Komm, komm!" hörte Ebel sie kurz darauf rufen, ihre Stimme klang hell, Wilhelmchen ist aufgewacht, er sitzt im Bettchen! Und er sagt, er hat Hunger!"
VIII.
jede Vorbereitung und Uebergang Realismus find, so ist Frau Reinharz eine Realistin; wir lehnen jede Fühlung mit dieser Art Realismus entschieden ab. Uns scheint, der Lorbeer ihrer Hochbegabten Kollegin Wlodzimira Starzynska hat die Verfasserin der gestrigen Unglaublichkeit nicht ruhen lassen. Vermessen greift ihre Hand nach Sternen, die ihr unerreichbar sind!" Nun hielt Heider doch inne, ein unterdrückter Laut schnitt ihm das Wort ab. Elisabeth war aufgefahren, totenblaẞ stand sie da. Warum wollen Sie auch solchen Wisch gelesen haben!" wütend knäulte er das Blatt zusammen und schleuderte es in eine Ecke. ,, Weiter!" sagte sie tonlos und setzte sich wieder. „ Laß doch!" Ebel trat zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter.„ Es greift Dich doch an!" flüsterte er. Sie lehnte den Kopf an seinen Arm.„ Oh nein!" Die Augen schließend, blieb sie in derselben Stellung.„ Lesen Sie weiter!"
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Sie hatten nun doch noch ein paar Tage mit dem Lesen der Kritiken gezögert; Elisabeth war noch einmal ganz davon abgekommen. Sie hatte so viel mit dem Kinde Heider ergriff ein anderes Blatt.„ Aha!" Ein Freuden zu thun gehabt; es schlief nicht mehr, es wurde lebhaft, schein flog über sein Gesicht. Da sind doch auch Gerechte! aber es war leicht reizbar, weinerlich, wie Kinder in der Hören Sie, was der schreibt nun erst allerhand im allGenesung sind. Es wollte ruhig gehalten und doch unter- gemeinen, das lasse ich aus, aber dann: halten werden; nun spielte sie stundenlang mit ihm. All ,, Ein merkwürdiges Stück! Nur ein echtes Talent fann die kleinen Scherze ihrer Kinderzeit kamen ihr wieder ins Ge- das schreiben. Da ist Kraft, Leidenschaft, Mut und Originalität. dächtnis, sie holte sie hervor mit einer rührenden Geduld. Eine echte, wenn auch freilich noch unbeholfene Dichternatur Es war ein merkwürdiger Anblick, die große Frau vor spricht zu uns. Noch ist Frau Elisabeth Reinharz nicht auf dem Bettchen knieen zu sehen; ihre hohe Gestalt beugte sich der Stufe angelangt, wo der Schriftsteller aufhört und der tiefer und tiefer, das Schäfern stand ihrem ernsten Gesicht wahre Künstler anfängt aber sie wird dahin kommen, seltsam. Ebel war gerührt, wenn er sie so sah; sie gab sich besonders, wenn es ihr gelingen wird, auch die männliche so unendliche Mühe und machte sich so müde. Aber er ließ Individualität so zu zeichnen, daß sie sich ihren trefflich gesie gewähren, er wußte, es war ihr eine Genugthuung. sehenen Frauencharakteren ebenbürtig an die Seite stellt. Nun spielte der Kleine schon an seinem Tischchen unter Noch ist ihr der Mann ein Buch mit sieben Siegeln; aber Miles ängstlicher Obhut. Elisabeth saß an ihrem Schreib- ich zweifle nicht, sie wird lernen, und wir werden mit der tisch, mechanisch hatte sie den gewohnten Platz wieder einge- Autorin als einem wichtigen Faktor unseres litterarischen nommen; Ebel ging im Zimmer auf und ab, er ließ sie gar Lebens noch dereinst zu rechnen haben. Glück auf! Schade nicht aus den Augen; und Heider saß auf dem Sofa. Ein nur, daß durch den Mangel an Lokalkolorit, durch den Schluß, Beitungsblatt nach dem andern legte er vor sich auf den Tisch, durch-"" das Päckchen war schon hoch.
" Haben sich ja riesig angestrengt," fagte er.„ Eine Menge Papier !"
" Ich will sie alle hören. Weiter" Elisabeth sprach ganz ruhig, nur die Farbe auf ihren Wangen kam und ging, fie wurde abwechselnd blaß und rot. ,, Na, denn wieder an die Gewehre!" Heider schlug einen forciert heiteren Ton an und warf einen schnellen Blick auf Elisabeth.
Sie fing den auf und lächelte. Lesen Sie ruhig weiter." „ Es ist die allerschlimmste!" sagte er. Lesen Sie nur!"
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Heider ließ das Blatt sinken. Das hat kein Interesse mehr, er sagt nur, was wir leider wissen. Aber Glück auf Frau Elisabeth Reinharz! Glück auf!" Er war aufgesprungen und hielt ihr die Hand hin.
Sie hob den Kopf nicht vom Arm ihres Mannes." Ich denke, Sie geben nichts auf Kritiken" fielächelte_fchwach— Sie pfeifen drauf!"
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Er sah betroffen drein.„ Ja freilich, eigentlich, das hatte ich ganz vergessen! Ja, ich pfeife auch drauf. Aber, man freut sich doch! Mut, Frau Elisabeth!" Seine Stimme hatte einen ungemein herzlichen Klang. Man hofft noch was von Ihnen!"
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,,, Einen schlimmen Durchfall erlitt gestern Herr Direktor" Ich nicht mehr!" Sie lächelte wieder, aber ein Schwertfeger mit Aufführung des fünfattigen Dramas der, müdes Lächeln. Ich kann nicht mehr. Ich habe mir das als Novellistin nicht unbekannten, Frau Elisabeth Rein- Wort gegeben am Bett meines Kindes, ich schreibe nicht harz. Zu verwundern ist nur, wie der feinsinnige Leiter mehr."
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,, Viele sind berufen," sprach sie ernst, ihr Gesicht veränderte keinen Zug. Wenige sind auserwählt- ich bin nicht auserwählt. Hoch oder garnicht! Ich schreibe nicht mehr."
dieser, wirklichen Kunstinteressen gewidmeten, Bühne in Heider sah sie einen Augenblick starr an. Unsinn!" sagte seinem sonst so vortrefflichen Urteil so irren konnte; zu be- er dann rasch, wie sich selbst beruhigend. dauern ist ferner, daß die Darsteller ihre schönen Kräfte an dieser litterarischen Totgeburt verschwendeten. Um gleich vorweg zu nehmen: Fräulein Maschkas stummes Spiel bei der vergeblichen Erwartung ihres Bräutigams im ersten Aft war geradezu vollendet; es verwischte in etwas den peinlichen Eindruck, den die technische Ungeschicklichkeit der Autorin hervorrief. Ebenso ausgezeichnet war das Spiel unseres Schoenfließ, der aus seiner matten, farblofen Rolle das Möglichste herausholte. Was er darin leistete, ist gar nicht genug anzuerkennen. Es war schon eine Selbstverleugnung, überhaupt diese Rolle zu übernehmen.
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,, Sie werden schreiben, Sie müssen schreiben!" Heider sprudelte die Worte nur so heraus.„ Hören Sie denn nicht, was vernünftige Leute sagen? Habe ichs Ihnen nicht vorgelesen, glauben Sie uns nicht, mir, Ihrem Manne? Es ist einfach ein Unrecht; Sie müssen schreiben, Sie müssen!" " Ich will nicht. Vorbei!"" Sie scheuchte mit der Hand durch die Luft, als jage sie etwas fort.
Ein gründlicheres Fiasko haben die Mauern unseres Heider sah Ebel an und erwartete von ihm Widerspruch; schönen Theaters wohl kaum je geschen. Es ist bewunderns- dieser schüttelte nur unmerklich den Kopf, im Blick seiner wert, daß das Publikum eine so würdige Haltung bewahrte Augen Tag: Abwarten! ich habe keine Angst!' Er strich seiner das ist eben das gut gezogene Publikum der Residenz; diesen Frau zart übers Haar. Meine brave Frau!" Und dann Abend hätte ich in einer anderen Stadt erleben mögen! Es bückte er sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. ist geradezu unverständlich, wieso dies von evidenter Talentlosigkeit zeugende Machwerk-"
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( Fortsegung folgt.)
Heider hielt inne; er glaubte einen zitternden Atemzug bernommen zu haben, aber nein, es war eine Täuschung. Da rit Robert Wilhelm Bunsen. faß Elisabeth und fah ihn ruhig an. Er las weiter:
Durch den Tod des alten Bunsen, der gestern( Mittwoch, den Die Verfasserin umgiebt sich mit dem Nimbus einer 16. August) in Heidelberg erfolgte, hat die Nainrwissenschaft einen Realistin. Wenn reine, oder vielmehr schmutzige Aeußerlich der umfassendsten Köpfe verloren, deffen Wirken in den verschiedensten keiten, beleidigende Ausfälle gegen Gesellschaft und Geistlich- Zweigen die bedeutsamsten Spuren hinterlassen hat. Allerdings