647
Hammerstein: Das Abgeordnetenhaus ift noch viel bös- p artiger als der Reichstag . Den Posadowsky haben die Sozzen wenigstens angehört, als ich sprach, lachten die Herren rechts, und Sprachen vom Wintergarten, Pferden, und Getreidepreisen. Ich habe mein eigenes Wort nicht verstehen können.
Miquel: Sie haben wohl absichtlich nicht zugehört, um nicht hören zu müssen, daß Sie gegen sie sprachen. So wissen sie von nichts und brauchen Ihnen, lieber Kollege, nichts nachzutragen. Sie tönnen Sie nach wie vor für ihren Freund halten.
Hohenlohe: Einen Augenblick Ruhe, Kinder. Ich will und muß eine Rede über die innere Lage halten.( In seiner Rocktasche fuchend, für sich leise): Wo ist doch mein Konzept?( Sucht weiter.) Aha, da ist's( zieht ein Blatt Papier heraus, entfaltet es und liest mit erhöhter Stimme):
Meine Herren! Wir müssen energisch vorgehen! ( Er setzt sich wieder.)
Miquel: Ich glaube im Namen aller zu sprechen, wenn ich versichere, daß die Nede unseres Hochverehrten Präsidenten uns allen wie aus der Seele geschnitten war. Es fragt sich nur, wie wir energisch vorgehen wollen.
Rede: Laffen wir mit'n paar Zeitungsartikeln den Auffässigen nach den Beinen zielen. Drohen hilft, und Einseifen ist die Hauptsache.
Miquel: Doch nicht! Sie werden uns auslachen. Wir müssen noch energischer werden.
Thielen: Demiffionieren wir also! Miquel: Lange nicht energisch genug. Und schließlich, wer hätte den Schaden davon? Wir!
Brefeld: Man muß die Bande auflösen.
Miquel: Ein schwächliches Mittel. Die Kerle fkommen wieder. Energischer, energischer! Sinnt doch mal nach.
Recke ( lächelnd): Ich weiß; Allgemeines, gleiches, direktes, geheimes Wahlrecht oktrohieren.
Miquel: Das nennen Sie energisch? Das hieße doch neue Niederlagen organisieren.
Hohenlohe( murmelnd): Nur recht energisch, immer noch mehr energisch! Hammerstein, weißt Du nichts?
Hammerstein( seufzend): Ach nein! Ich bin ja doch nur ne Null!( Er weint.)
( Pause.)
-
Kreitling: Total!
Ridert( stürzt auf Wiemer zu und umarmt ihn): Jetzt können wir einig fein, auf ewig vereint!
Snörde( feguet gerührt den Bund): Das ist die schönste Stunde meines Lebens!
Rickert: Aber bei der Portefeuille- Vergebung natürlich halb und halb!
Wiemer: Aber selbstverständlich. Ich schlage also folgende Liste vor: Rickert: Präsidium und Inneres, Brömel: Krieg. Snörde: Kultur, Träger: Justiz. Lessing : Landwirtschaft, Kreitling: Handel und Bachnicke: Eisenbahn.( Großer Jubel.)
Die Liste wird einstimmig angenommen.
Wiemer: M. H. Wir haben noch eine Vorbedingung zu er füllen vergessen, ohne die es uns nicht vergönnt sein würde, zum Wohle des gesamten Vaterlandes ohne die einseitige Berücksichtigung irgendwelcher Sonderinteressen Minister zu werden. Wir müssen das frei" aus unserem Parteinamen streichen.( Sehr richtig! Händeklatschen.)
"
Ridert: Und wir müssen ferner, um die wieder gewonnene Einheit der beiden freisinnigen Fraktionen zu kennzeichnen, einen Ausgleich zwifchen Volkspartei und Vereinigung schaffen, wobei wohl das" Volk" geopfert werden kann.
Wiemer: Ich schlage vor: Führen wir hinfort den Namen: Die sinnige Vereinigungspartei. Meine Herren! Die sinnige Vereinigungspartei. Hurra, Hurra, Joc.
Hurra!
336
-
Kleines Feuilleton.
Aus Wiener Gerichtsfälen. In einem SchwurgerichtsProzesse sagte ein Verteidiger in seinem Plaidoyer:" Dem Angeklagten ist leider keine energische Hand zur Seite gestanden, die ihn vom Abgrunde weggezogen und ihm zugerufen hätte:„ Vis hierher und nicht weiter!"
„ Es ist nicht zu verkennen," plaidierte ein anderer Advokat, „ daß die Stellung eines Angeklagten ihre Schwierigkeiten hat. Stiehlt er bei Tag, so wird ihm die größere Frechheit, die er dadurch bekundet hat, als erschwerend zur Last gelegt. Stiehlt er bei Nacht, dann ist wieder die größere Gefährlichkeit erschwerend. Ja, wann soll dann eigentlich einer stehlen?"
Miguel: Aber ist denn immer noch nicht das Telegramm da? Hohenlohe: Telegramm? Ach richtig! Das hätte ich bei- a, nahe vergessen( holt aus seiner Hosentasche ein Telegramm). Ich friegte es heute mittag. Lest es mal.
( Das Telegramm cirkuliert, jeder schüttelt beim Lesen den Kopf) Thielen: Ist das denn die Antwort? Deutsch - franzöfifcher Michael... Gottesfrieden. Ich verstehe gar nichts.
Miquel( erregt): Halt ich hab's. Das ist eine symbolische Antwort. Jetzt haben wir das wirklich energische Mittel angewiesen erhalten.
Brefeld: Mir ist die Sache nicht klar.
-
-
Miquel: Aber nichts einfacher als dies. Wir sind doch die Toten, und Leichen dürfen sich mit ihren Feinden versöhnen. Es giebt nur eine Möglichkeit, energisch vorzugehen..... Wir müssen nachgeben.
Rede( begeistert zustimmend): Ja wohl, der Kligere giebt nach.
Einem Angeklagten, welcher der Kurpfuscherei beschuldigt wurde, hielt der Vorsitzende strenge vor, daß er es gewagt habe, ohne ärztliches Diplom Kranke zu behandeln. Der Angeklagte bat sodann um Geheimerklärung der Verhandlung, da er zu seiner Rechtfertigung etwas vorzubringen habe, was er nur dem GerichtsHofe anvertrauen könne. Nachdem die Verhandlung für geheim erflärt worden, sagte der Angeklagte:„ Hier, Herr Präsident, ist mein Diplom; ich bin ja Arzt, aber meine Patienten dürfen es nicht erfahren, sonst haben sie kein Vertrauen mehr zu mir!"
Vorsitzender: Angeklagter, Sie find zu lebensläng lichem schweren Kerker verurteilt. Wenn Sie die Strafe gleich antreten, zählt Ihnen schon der heutige Tag."
Aus einer Extra- General- Versammlung der frei welche eigentlich unter Ausschluß der Oeffentlichteit
sinnigen Volkspartei.
Auf der Tagesordnung steht die Frage: Dürfen freisinnige Boltsparteiler Minister werden? Wiemer: Die Junker sind zerschmettert. Wir sind die Männer der Zukunft. Wir sind die Regierungspartei. Wir find die Minister von morgen. Fort mit der unfruchtbaren Opposition. Das Heil liegt im Absolutismus unter freifinnig volksparteilicher Verantwortlichkeit. Ist doch der Absolutismus schon im 16. oder 17. Jahrhundert nur aus dem Grunde in das Staatsrecht eingeführt worden, um die Macht des Adels zu brechen und das freie Bürger tum empor tommen zu laffen. So auch heute! Wir brauchen den Absolutismus, um den lebermut der Junker zu bändigen. Darüber find wir einig. Das Problem ist nur, ob es das Programm des Männerstolzes vor Königsthronen erlaubt, gerade Portefeuilles anzunehmen.
In einer Verhandlung, in der Dinge zur Erörterung tamen, hätten besprochen werden sollen, sagte der Vorsigende:„ Ich werde eine fleine Pause eintreten lassen, damit jene Damen, welche die weiteren Erörterungen nicht mit anhören wollen, sich entfernen fönnen." Reine einzige Zuhörerin verließ den Saal.„ Nun", fuhr dann der Vorsitzende fort, nachdem sich die anständigen Damen entfernt haben, brauchen wir uns keine Reserve mehr aufzuerlegen."
„ Wenn Sie nicht binnen drei Tagen", schrieb ein Advokat an einen fännigen Schuldner,„ die Forderung meines Klienten samt Zinsen und Kosten begleichen, werde ich Sie zu Lande und Wasser verfolgen und dem Erdboden gleichmachen".
Richter: Angeklagter, Sie sind freigesprochen."- Ange tlagter:" Ich rekurriere." Richter: Sie sind ja freiAngeklagter: gesprochen, wozu wollen Sie rekurrieren?"
( Rufe: Natürlich! Erst recht! Was denn sonst!) Wiemer( mit Bathos schließend): Minister sein oder nicht" Das Obergericht soll auch sehen, daß ich unschuldig bin." sein das ist die Frage.( Stürmischer Beifall.) Richter( schreiend): Kameele!
-
Wiemer: Erlaube mal. Das verstehst Du nicht mehr. Du bist zu alt dazu.( Rufe: Fossil! Blutverjüngung!) Richter( wütend): Wir gehen, wir haben hier nichts mehr zu suchen. Komm Snörde!
Kuörde( zögernd, verlegen): Ich möchte doch eigentlich bleiben. Dent', wenn ich das Kultusministerium bekäme. Die Humanität!
Richter( verzweifelnd): Auch Du! Na, denn allein!( Rufe: Raus) Ich gehe schon.( Er wirft krachend die Thür ins Schloß. Rufe: Gott sei Dank! Den sind wir los! Nach einer Weile Klopft es schüchtern!)
Wiemer: Her!
Ridert( ängstli, umherspähend): I er weg?
*
Ein berühmter Verteidiger reifte nach Iglau zu einem Prozeffe, für den er ein großes Honorar erhalten hatte. Gleich zu Beginu der Verhandlung zog der Staatsanwalt die Anklage zuri, und der Angeklagte wurde freigesprochen. Er forderte mun den Verteidiger auf, ihn wenigstens einen Teil des Honorars zurüdzugeben, da er dieses doch nur für seine Rede beanspruchen könne.„ Sie Kommen Sie haben nicht unrecht", entgegnete der Verteidiger. mit mir in mein Hotel, ich werde Ihnen dort die Rede halten. ( W. Extrabl.") Das Geld gebe ich aber keinesfalls zurüd!"
-
Erziehung und Unterricht.