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Schidst Du das Weißbrot ins Asyl?" fragte der Meister mit] scharfer Betonung.
" Zu Befehl. Gestern wurde jedoch das Weißbrot zurückgeschickt. Man wolle es nicht, sagte man.
"
Man will nicht!" rief Affaf Assafjitsch mit heiserer Stimme. " Wie gefälit Dir das? Sie wollen nicht!... Nun dann ist es eben nicht mehr nötig."
Vielleicht befehlen Sie, daß man zu morgen ein kleineres Hefeftüd fett?" fragte Dyschlo. ds.
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Nicht raisonnieren!" Dyschlo verstummte.
II.
Affaf Assafjitsch saß am Fenster und dachte nach. Er dachte daran, wie er als Lehrjunge zu Fuß in die Stadt gekommen war. Er träumte damals von Reichtum und Ruhm, und er war überzeugt, daß sich beides durch ehrliche Arbeit erreichen ließe. Assaf trat in eine gute Konditorei ein, lernte wunderhübsche Marzipanschlösser machen und das Publikum gewann seine Ware lieb.
An den Somtagen, wo die Menschen überhaupt mehr essen als arbeiten, liefen bei seinem Meister viele Bestellungen auf Marzipanschlösser ein, und der junge Konditor Assafka mühte sich, so sehr er konnte. Allmählich wurde der Ruhm des Assaf Assafjitsch immer größer; andere Meister versuchten, ihn in ihre Dienste hinüberzu ziehen, er aber hatte seine eigenen Gedanken.
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An einem schönen Tage einem jener hellen und flaren Tage, deren es in drei Jahren immer nur einen giebt eröffnete Affaf fein eigenes Geschäft und setzte auf sein Schild die originelle Auf schrift:„ Was Ihr wollt, Ihr haben sollt."
Das Publikum freute sich, endlich' mal eine solche Bäckerei gefunden zu haben. Assaf Assafjitsch bekam großen Abfaz- er wollte aber mehr, wollte Geld, Reichtum, Macht.
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Da half ihm sein Patriotismus weiter. Eines Tages erklärte er, daß man mur nationales Brot essen dürfe, und dann machte er sich mit ganzer Energie an die Arbeit. In seinem dunklen und umsauberen Geschäft wurden die Kalatschi in der That äußerlich sehr gut, wenn auch schmugig hergestellt. Das andere Gebäd aber- polnisches und französisches Brot, Wiborger Kringel, deutsche und jüdische Bublifi wurde unglaublich schlecht gebacken. Bittere Butter und muffiges Mehl wurden absichtlich verwandt und mit liebenswürdiger Miene fagte Affaf Affafjitsch den Käufern: Sehen Sie, ich führe auch das, ein anständiges Publikum wird jedoch natürlich so etivas nicht faufen!"
Selbstlob wirkt stets auf die Menge, sie läßt sich durch solche Einflüsterungen mir zu oft bestimmen. Der vielgewandte Assaf Ajjafjitsch aber lachte sich ins Fäustchen, baute sich ein Haus nach dem andern und dachte: So lange ich lebe, werden die Dummitöpfe nicht alle!"
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Kleine Unannehmlichkeiten passierten auch Affaf Affafjitsch. Es kam vor, daß eine große Schabe in das Rundbrot geriet oder ein Stück Bast im Kalatsch zu finden war. Deshalb regte sich jedoch der Meister keineswegs auf. Er nahm danu gewöhnlich eine häus liche Untersuchung vor und teilte den Kunden mit:" Es ist eine deutsche Intrigue, die gegen mich ins Werk gesetzt worden ist!. Von Neid erfüllt haben die Deutschen jemanden hergefchickt, um das Geheimnis der Bereitung russischer Kalatschi zu stehlen." Und die Räufer glaubten ihm.
Als die ständigen Kunden mit den Jahren älter wurden, würzte Affaf Affafjitsch seine Waare mit pifanten Dingen und war noch mehr bemüht, es ihnen recht zu machen. Er that ihnen alles zu Willen, that es in einem Grade, daß er manchmal in der Nacht errötete, da fich etwas wie ein Gewissen in ihm zu regen begann. Dann dachte er:„ Wozu eigentlich mühe ich mich ab? Geld habe ich jest genug und könnte mun auch an meine Seele denken. Ich müßte mir einen guten Nefrolog verdienen." Wenn aber der Morgen kam, und die Glocke der Ladenthür erklang, dann lachte er über seine Nachtgedanken.
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Werden es auch so freffen!... Sie haben sich gewöhnt und
werden nun essen, was man ihnen auch geben mag..
II.
Und nun plößlich eine solche Veränderung! Die ständigen Kunden sagen ab. Assaf Assafjitsch erbleicht und beißt sich in die Lippen. Es kam ihm in den Sinn, daß ein derartiges einmütiges Verhalten der Käufer keine russische Erscheinung sei, daß Amerika diese moralische Strafe erfunden habe und daß sie einen seltsamen Namen trage.
" Wie war das doch?" Und er suchte auf das Wort zu verfallen, es tamen ihm aber nur russische Worte in den Sinn und folche häßlichen wie„ Unzufriedenheit der Gesellschaft.. Verachtung.. einmütiger Tadel.. Inwville. Ach ja,.. Boykott!" ficl es ihm endlich ein; das Fremdwort beleidigte sein Ohr in geringerem Maße. Und der alte Assaf Assafjitsch weinte; er weinte und hatte das Gefühl, daß auch der Nelrolog, von dem er in den Nächten so viel geträumt hatte, der Nekrolog, welcher Dutzende schmeichelhafter Ausdrücke enthielt, niemals in den Spalten der Gouvernementszeitung erscheinen werde. Der Redacteur des amtlichen Teiles dieser Zeitung hatte gleichfalls auf seine Ware verzichtet und am Schlusse seines Briefes ein kleines Wörtchen hinzugefügt. Es war undeutlich geschrieben, trieb aber dennoch die Röte in die Wangen des Assaf Assafjitsch, obgleich er sich nicht entschließen tonnte, es laut zu lesen.
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Um die Geister zu beruhigen, gab Assaf Assafjitsch folgende Erklärung ab:
Intrigen! Eigentlich ist eine Kleinigkeit passiert... Eine fleine Maus hat man im Kalatsch gefunden und sich darüber so gefreut, deshalb solchen Lärm erhoben!... Als ob so etwas nie vorgekommen wäre... Bei anderen ist es noch schlimmer: Ratten hat man ins Rundbrot hineingebacken, und hier... hat ein Mäuschen sie gestört. Alles Jutrigen!..." Und das Publikum?
,, Lauter Dummköpfe!" sagte Affaf Assafjitsch zwei Tage
später.
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...
Kleines Feuilleton.
"
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gk. Die geistige Thätigkeit der Somnambulent. Es ist der wissenschaft noch immer nicht gelungen, eine völlig befriedigende Erklärung des merkwürdigen scelischen Zustandes, der mit dem Namen Somnambulismus bezeichnet wird, zu finden. Man kennt nur die Thatsachen; die Erscheinungen des Schlafwandelns" und „ Schlafhandelns" hat jeder schon gesehen oder wenigstens von ihnen gehört. Dafür daß sich im Somnambulismus auch eine komplicierte geistige Thätigkeit vollziehen kann, stellt eine englische Zeitschrift eine Anzahl von Beispielen zusammen. Einen Uebergang zum Nachtwandeln stellt die bei nervösen, meist jugendlichen Personen auftretende Neigung zu lebhaften Träumen und lautem Sprechen dar, die durch die Helligkeit des Schlafraums begünstigt wird. In das Gebiet des Somnambulismus gehört es, wenn bei Dichtern während des scheinbaren Schlafes eine so lebhafte und erfolgreiche Thätigkeit der dichterischen Phantasie ausgeübt wird, daß deren Produkte als fertige Kunstwerke gelten können. Coleridge , der von Jugend auf tränkelnde englische Dichter mit seiner prachtvoll wilden Phantastik, ist hier an erster Stelle zu nennen. Das schöne, wenn auch unheimlich anmutende Gedicht Kubla Khan" hat er in einem solchen Zustande concipiert. Eines Morgens erwachte er, und die ganze Dichtung war fertig in seinem Kopf; jede Zeile war während des Schlafes ausgearbeitet. Er setzte sich sofort an feinen Schreibtisch und brachte die Dichtung ohne Zögern, so wie sie jezt vorliegt, zu Papier. Unglücklicherweise war ihm der Schluß entfallen die Dichtung ist stets unvollendet geblieben. Ebenso litt Voltaire unter dem Som nambulismus und einige seiner besten Gedichte find während der geit der Bewußtlosigkeit entstanden; er schrieb sie dann nieder, wenn er erwachte. Edgar Allan Poe verfaßte viele seiner„ Erzählungen der Phantasie" in diesem Zustand; die„ Maste des roten Todes" war das Resultat eines Traumes, in dem der Juhalt der Dichtung mit greifbarer Deutlichkeit vor ihm erschien. Man erzählt fogar, fein Gedicht Die Glocken" sei in einem Zustande der Betäubung entstanden. Aber auch aus dem Leben einfacher Leute werden Fälle mitgeteilt, in denen sie als Nachtwandler Arbeiten ausführten, für die ein verwickelter geistiger Prozeß die Voraussetzung bildet. Vor einigen Jahren wurden die Einwohner von Orford durch die Nachricht beunruhigt, daß ein gespenstischer Schiffer" jede Nacht auf dem Flusse erschiene. Der Geist" ruderte jedesmal in einem schmalen Rennboot mit großer Schnelligkeit. In einer Nacht wartete jedoch ein beherzter junger Doktor, der der Sache auf den Grund kommen wollte, am lifer des Flusses auf die Ankunft des Gespenstes. Es kam endlich, und er sah nun, daß der„ Geist" am Landungsplatz Halt machte, ausstieg und das Boot in das Bootshaus brachte. Als der Doktor sich näherte, bemerkte er, daß dem Ruderer von der heftigen Anstrengung der Schweiß vom Gesicht rann; nunmehr erkannte er auch, daß es einer seiner Kameraden war, und daß er ganz fest schlief. Die schwere Arbeit, die der junge Mann in jener Zeit verrichtete, hatte sein Gehirn überreizt. Daß Nachtwandler auch reiten fönnen, zeigt folgendes Beispiel: Ein alter Landmann von großem Nuf im Norden Englands pflegte in der Racht, wenn er scheinbar fest schlief, aufzustehen, und nachdem er sich angekleidet hatte, in den Stall zu gehen, ein Pferd zu satteln und einen langen Ritt zu machen. Er galoppierte dabei so wild, daß ez beim Nachhausekommen von Kopf bis Fuß mit Schmutz und die Flanken des Tieres mit Blut und Schaum bedeckt waren. Auf den Rat eines Arztes weckten die Angehörigen ihn nicht, aber fie suchten ihn am Ausritt zu verhindern, indem sie ihm Schwierigkeiten bereiteten, den Sattel versteckten usw. Aber der alte Herr bestieg eines Nachts sein Pferd ohne Sattel und er fehrte nicht mehr zurück. Man fand ihn am nächsten Tage tot auf den Dünen, er war vom Pferde gefallen und hatte das Genid gebrochen. Ein anderer Somnambule, der Organist einer Kirche in einer großen Stadt war, hatte die Gewohnheit, nachts aufzustehen, die Kirche aufzuschließen und zu üben, indem er selbst die Bälge für sich trat. Er spielte ausgezeichnet und die schwierigsten Stompofitionen; aber diese Thätigkeit verursachte ihm eine große geistige Anstrengung, wie der Schweiß bezeugte, der ihm im Gesicht stand; am Morgen erwachte er so müde, daß er kaum seine Tagesarbeit verrichten konnte.
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Theater.
r. Das Ostend Theater hat sich der Schmarren von der Sorte der„ Kubanerin" entledigt und ist am Mittwoch mit einem Boltsstück" gekommen, wie man nun einmal die aus Sentimentalität und Boffenhaftigkeit zusammengebrauten Bühnenwerke zu nennen beliebt. 11 m tausend Mark" heißt das aus sechs Bildern bestehende Stüd der Herren Buchholz und