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,, Nein, thu's lieber nicht. Ich werde mit Bob Cecil sprechen. Schrecklich kluger Kerl, dieser Bob Cecil. Weiß alles."
Sie gingen weiter.
Die Straßen, die nach dem Square führten, füllten sich nun rasch mit Männern und Frauen, die von allen Seiten andrängten und sich gegen die Schuhmannsfette zu bewegten.
Weiter gehen! Weiter gehen!" riefen die berittenen SchutzIeute vom Pferde herunter und ritten dabei dicht an das in dichten Massen stehende Publikum heran.
Janni Clavino. Moins
Ueber den Wilhelm Meister schreibt Schiller in einem Brief an einen Freund: 停
„ Dieser Tage hat mir Goethe die Aushängebogen von dem ersten Buch seines Romans mitgeteilt, welche meine Erwartung wirklich übertroffen haben. Er ist darin ganz er selbst; zwar viel ruhiger und kälter, als im Werther, aber eben so wahr, so individuell, so lebendig, und von einer ungemeinen Simplicität. Mitunter wird man auch von einzelnen auffahrenden Funken eines jugendlich- feurigen Dichtergeistes ergriffen. Durch das Ganze, soweit ich davon las, herrscht ein großer, flarer und stiller Sinn. eine heitere Vernunft und eine Junigkeit, welche zeigt, wie ganz er bei diesem Produkt gegenwärtig war."( b
Das Publikum blieb in Bewegung, denn es wollte sich ja nur den Spaß" mit ansehen, aber keineswegs an der Demonstration selbst teilnehmen. Da tam plötzlich ein Klub der Radikalen eine Seitenstraße herauf gezogen, und Wir haben mit den Worten Schillers angefangen, weil wir in die Schutzleute erhielten Befehl, auf ihn los zu gehen. Die Fahnen wurden ihnen weggenommen und zerbrochen, eine den Tagen der Goethe- Feier auch an dieser Stelle einige Worte über den großen Dichter sagen möchten. Wir haben dazu umso mehr Grund, Trommel zerschmettert, Musikinstrumente auf die Erde ge- als die Neueinstudierung des" Clavigo " im Schauspielhaus worfen und darauf getreten. Der Klub wurde zurück- wohl als ein stiller Siachtlang des lauten Jubiläums empfunden geworfen, aber nur für eine Minute. Ein leises zorniges werden sollte. Was Schiller in den wenigen Beilen seines Briefes Bischen ließ sich unter den Leuten vernehmen, und von neuem giebt, ist ein mit souveräner Kunst gezeichnetes Bild seines unsterb drängten sie sich vor und bahnten sich mit Stöcken nnd Fäusten einen Weg, wobei die Knüppel der Schuyleute ihnen ihre Schläge mit Zinsen zurück gaben. Die Polizei schlug nach rechts und links, denn ihre Wut war groß. Schon seit Wochen war sie Tag und Nacht auf den Beinen gewesen, und heute bot sich ihnen die erste Gelegenheit, den Arbeitslosen zu zeigen, was es heißt, sich ihretwegen so anstrengen zu müssen. Nochmals wurde der Klub zurückgedrängt, und zischend zog er sich zurück. bot Und aus allen vier Himmelsrichtungen, vom Norden, Süden, Osten und Westen des Plates famen mit Musik und Fahnen noch mehr hungrige Leute" angerückt. Die Polizei war wütend, und, von den Berittenen" angeführt, gingen die Schußleute auf die verschiedenen heranziehenden Vereinigungen los. Es wurde nun auch bekannt, daß in anderen Stadtgegenden, in Westminster , Holborn, Piccadilly und in den Seitenstraßen, die zum Trafalgar Square führen, Publikum und Polizei aneinander geraten waren. sie. Der Zuschauer bemächtigte sich eine ungeheuere Entrüstung, der sie auch unverholen Luft machten, wenn sie fahen, daß ein Berittener" einen Mann zu Boden schlug und sein Pferd auf ihn trat, wenn sie sahen, wie die SchutzLeute auf die Köpfe der Männer und Brüste der Frauen los schlugen, und wenn sie sahen, wie ein Mann nach dem andern und eine Frau nach der andern zu Boden geworfen und mit Füßen getreten wurde. Größer und immer größer wurde das Gedränge und immer lauter das Bischen. Immer näher drängte das Volk gegen die Schuhmannstette, die sie von dem Plate trennen wollte, der doch dem Volte gehört.
lichen Freundes. In seiner Festigkeit und Klarheit würde es jede eigne Buthat, als eine Buthat der Armut erscheinen lassen und so verzichten wir gern darauf, sein Licht durch irgendwelche hinzu gefügten„ Erläuterungen" verdunkeln zu wollen. Es ist ein eigentümlicher Neiz, das Bild Goethes anzusehen, wie es sich in der geschliffenen Prosa seines Freundes spiegelt und dann wieder in die tümlicher Neiz, das Bild Goethes anzusehen, wie es sich in der geWelt hinauszublicken, in der wir leben. Die Sonne Goethes leuchtet nicht in dieser Welt. Unsere Tage sind einem Geiſt fern, der wahr, individuell, lebendig und von einer ungemeinen Sim plicität war. Wir können vielmehr diese Attribute samt und sonders in ihr häßliches Gegenteil verkehren und kommen eben dadurch unserer Zeit recht nahe. Wer in der heutigen Welt nach Wahrheit wir denken nicht so sehr an die fleine schäbige Verlogenheit, die das sucht, muß sich mit bescheidenen Ansprüchen auf den Weg machen. weltumspannende Geschäft auszeichnet. Wir denken vielmehr an die ungeheuren Lügen, an denen unsere ganze Kultur krankt. Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrivürdigen frommer Scheu betrachteten Thätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet". Sie hat die fulturiellen Erwägungen in dem eiskalten Wasser persönlicher Berechnung ertränkt" und hat so alle Institutionen der Kultur mehr oder minder offenkundig zu geschäftlichen Zweden mißbraucht. Richtsdestoweniger aber follen wir fortfahren, diese Einrichtungen für geistige Fattoren zu halten, und so entsteht jene feige Heuchelei, jene sentimentale Berlogenheit, jene gemütvolle Schäbigkeit, die unsere Zeit kennzeichnet wie die Schminke die Dirne. Noch schlimmer ergeht es uns, wenn wir das Verhältnis unserer Zeit zu dem individuellen Dichtergeist Goethes erivägen. hier rafjelu die Maschinen in unsere Betrachtungen hinein und bes fäuben uns mit ihrem wilden Lärm. Die Juduſtrie zwingt den Einzelnen zur Einseitigkeit und macht ihn zum Strüppel, indem sie die übrigen Sträfte feines Innern verdorren und hinfiechen läßt. Für Tausende und Abertausende ist der Gedanke, vor dem Schiller sich einmal entfezte, grauenvolle Wirklichkeit geworden. Bir sens die Knechte der Menschheit gewesen; wir haben Stlavens Das Eichfäßchen und Jos waren in das Gedränge gearbeit für sie getrieben und und unserer verstümmelten Natur raten und konnten nicht mehr heraus kommen. Sie fühlten, find die beschämenden Spuren dieser Dienstbarkeit einwie sie, immer unter beständigem Zischen, gegen den" Square" gedrückt. Unser Verhältnis zu Goethe fann man am Ende gedrängt und von dort wieder zurückgeschoben wurden. Das als dasjenige des tranten Bettlers bezeichnen, der mit seinen offenen Eichtäkchen war leichenblaß geworden. Sie hatte sich fest an Wunden auf der Treppe des reichen Mannes Tag und sehnsüchtig in Jos geschmiegt und vergaß ganz ihren Blumenkorb, der ihr die Welt hineinschaute, in der ein glücklicheres Geschlecht von goldenen Schalen speisen und den freien Wuchs seiner Menschheit" entwideln im Gedränge abhanden gekommen war. Ihr kleines Herz durfte. Unsere Zeit ist so trank und verworren, wie der schlug heftig. Sie zischte laut mit, zwar wußte sie nicht, Stil Goethes lebendig und von einer ungemeinen Sintwarum sie zischte, aber sie fühlte, daß das Bischen ihr in ihrer plicität" ist. Der klare und stille Sinn", der in seinen aufs höchste gespannten Erregung Erleichterung brachte. Da Werken waltet, ist dem hastigen, drängenden, stoßenden, blutigen rief plöglich jemand:
,, Die Soldaten kommen!"
Auch eines komischen Beigeschmackes sollte dieses Schauspiel nicht entbehren. Verschiedene Männer und Frauen aus der Menge traten an die Schußleute heran und baten um ihre Verhaftung, und die kräftigen Schuhleute richteten sich zu ihrer ganzen Länge auf und antworteten:
"
isu Bevor wir das thun dürfen, müßt Ihr uns erst thätlich zu Leibe gehen."
"
Die Soldaten kommen!" rief das Eichfäßchen, zitternd bor Aufregung. Ach, Jos, werden sie uns erschießen?" Und, wie es in vergangenen Jahrhunderten der Fall war, trat jetzt in würdevoller Haltung und gemessenen Schrittes ein hoher Würdenträger, gefolgt von einer berittenen Leibwache, in die Mitte des Platzes und verlas die „ Aufruhr- Akte".
Plötzlich rief jemand: Jekt ist es mit dem Aufstand borbei," denn als die berittene Leibwache vorrückte, ließ das Bifchen nach, und von der Nationalgalerie, wo Infanterie gehalten hatte, wurden schwache Hurra Rufe laut.
( Fortsetzung folgt.)
Kampf ums Dasein gewichen und die heitere Vermmft" ist von der tristen Unvernunft abgelöst, vor der immer die sterbende Kultur bes fallen wird. Trotz alledem aber war die Goethe- Feier, die wir hinter uns haben, keine Heuchelei, oder war es doch nicht mehr, als eben Es steht jede derartige Gedenkfeier es notwendig fein muß. felfenfeft, daß keinem anderen unserer Dichter eine gleich aufrichtige und warme Berehrung hätte dargebracht werden tönnen. Bon keinem Genius ist unsere Zeit entschiedener und trauriger getrennt als von Goethe und doch baut sie feinem so willig und gern einen Dankaltar, als eben ihm. Wir lieben ihn eben un den scheinbaren Widerspruch zu lösen- wie die Kranken den Arzt. Wir schauen zu ihm empor, wie der Ges fangene zum blauen Himmel emporschauen mag. Wir sehnen uns heit und Stille sehnen. Er ist uns ein Trost und eine Hoffnung ge nach ihm, wie abgetriebene Menschenkinder sich nach Ruhe und Klarworden. Niemand tann fo tief wie wir empfinden, daß Vilmar den Kern der Sache traf, als er in den vierziger Jahren schrieb:„ Goethes Wesen als Dichter besitzt etwas Heilendes, Beruhigendes, Versöhnendes, wie es neben ihm fein Dichter weiter bejigt; wir verlieren durch ihn unsere unruhige krankhafte Krittelei, mit welcher wir an die Gegenstände heftig heranzugehen und sie nach unserem Belieben herumzuzerren und aufzuftußen pflegen; vir verlieren an ihm die Haft des vorschnellen Urteilens und Aburteilens; wir lernen an ihm unsere Vorurteile ablegen und uns