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Betten

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Kleines Feuilleton.

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Wut, setzte er sich dem Brett gegenüber und starrte nach der Küche, aus der Geklapper von Schüsseln drang und der Speisegeruch her­a. Hüttenschen.( Nachdruck verboten.) Pogoda   blieb still auf einzog. Der Verwalter ging an den Brett vorüber mit halbvollen seinem Lager liegen. Seine Stubenkameraden spraugen aus ihren Kochtöpfen, framte die übriggebliebenen Semmeln vom Tisch, der auch Samet fletterte aus dem Bett, das, wie in den hinter dem Brett stand und sprach dabei mit seiner Frau über Kasernen, auf Pogodas Bett aufgebaut worden war. Schlaftrunken das viele Effen, das er noch zum nächsten Tage habe. dehnten sich die Männer, zogen sich die Hosen über, taumelten fröstelnd durcheinander in der wenige Meter langen und breiten Stube, stießen an die Schemel und den Tisch und tasteten sich fluchend hinaus auf den Flur und hinunter nach dem Waschkeller. Kamet war der letzte. An der Thür blieb er einen Augenblick stehen und rief halb mahnend, halb mitleidig zurück: Komm mit, wasch Dich, Pogoda  ; komm!" Als Pogoda   nicht antwortete, ging Samet still hinaus.

Pogoda   lag wach. Mit offenen Augen starrte er das Draht­geflecht von Kameks Bett an, das sich in dem dunklen Zimmer auf ihn herabzusenten schien. Er hörte wohl, wie die Bewohner der andern Zimmer des Schlafhauses über den Flur tappschten, aber er rührte sich nicht, er fonnte nicht aufstehen. Krank fühlte er sich nicht, aber er kam sich so matt vor, als hätte er gar keine Muskeln. Sogar die Zunge mochte er nicht bewegen. Es war ihm zu viel gewesen, Kameks Aufforderung zu beantworten.

So blieb er still liegen, jah hinauf nach dem Bett und hörte dem Regengeriesel zu, das gleichmäßig gegen die Fenster und die Mauern rann. Als die Stubenkameraden herauffamen, sich aus

Er

Pogodas Augen brannten immer mehr in dem blassen, knochigem Geficht, das von einem dünnen, weichen Bart umrahmt war. konnte nicht begreifen, warum die Verivaltung ihm kein Essen geben wollte. Und so starrte er den Verwalter und dessen dicke Frau an, die vor dem Brett hin und her gingen.

Der Verwalter nahm plötzlich eine Hundepeitsche von der Wand. Die hab' ich gekauft für solche, die sich frech werden, die gar nicht

wollen.

Er konnte den Satz nicht vollenden. Pogoda   hatte die Wut übermannt, er hatte das Brett zurückgeschlagen und den Verwalter an der Kehle gepadt. Der aber schüttelte ihn und schlug zu- jezt hatte er Pogoda  , wo er ihn haben wollte.

Am nächsten Morgen ging Pogoda   mit leerem Magen zur Schicht. Noch keine Stunde war vorbei, da fuhren sie ihn nach dem Krankenhaus. Er hatte sich den Fuß in heißglühender Asche ver­brannt bis auf die Knochen.

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Musik.

Die musikalischen Leistungen slavischer Völker haben seit längerer ihren Spinden Brot nahmen zum Frühstück und die Jacken über- Zeit begonnen, ein Bestandteil auch unseres Mufiflebens zu werden. zogen, lag er immer noch so schlapp und ruhig. Kamet meinte zu Aus der Reihe der russischen Komponisten wird bei uns M. J. Glinka  den andern, die in Haft und Eile mit den Schemeln polterten: Seid( 1803-1857) viel gepriesen, wenn auch weniger gepflegt; mit sich nicht so laut! Js doch Pogoda   frank!"

Sie polterten nicht mehr so heftig, aber sie redeten Pogoda   zu, er folle Soch aufstehen; wenn er erst aus dem Bett sei, gebe sich die Mattigkeit. Er müsse doch Geld verdienen, er solle gefcheidt sein und die Angst vor der Hütte überwinden. Pogoda   gab auf alle ihre Neden feinen Laut von sich. Er hörte es wohl deutlich, ja, wohl noch deutlicher als sonst. Aber er hatte nicht einmal so viel Kraft, um nur einen Finger rühren zu können. Laßt ihn, den Pogoda  , ist sich hüttenschen!" meinte ein alter, fast fahlköpfiger Mann, dessen Glieder so ecig und ungleich zu eine ander standen, als feien sie verrenkt. Das fenn ich... hütten scheu... da kann man sich die Hütte nicht riechen. Liegt man wie lebendig begraben im Bett... laßt ihn! laßt ihn!"

P. Tschaikowsky  ( 1840-1893) geschieht beides desto mehr. Auch die fungruffische Schule wird jetzt immer bekannter: vor allen N. Rimsky­storjakow( geb. 1844), sein Schüler A. Glafunoff( geb. 1865) und andere, wie sie uns zum Teil im vorigen Jahr in einem eigenen Ronzert vorgeführt wurden; die Form der sinfonischen Dichtung" ist dort ganz besonders beliebt. Weder diese Eigentümlichkeit noch jene jene Bevorzugung auf deutschem Boden gilt für musikalische Leistungen der Polen  , wenigstens seit der Aufnahme Chopins( 1809-1849) als eines vollwertigen Gliedes in die Reihe der größten Stomponisten überhaupt. An M. Moszkowski  ( geb. 1854) haben wir den bekannten gefällig- geschickten Komponisten und Klavier­spieler; St. Moniuszko( 1820-1872) ist in Deutschland  , trotz der seinerzeitigen Schülerschaft bei Rungenhagen in Berlin  , trotz seiner nationalen Opern usw. und trotz seiner Wirksamkeit in Warschau  kaum irgendwie näher bekannt. Um so lieber ergreifen wir die Gelegenheit, auf seine uns vorliegenden Sechs Polonaisen für Klavier ( Leipzig  , H. Schulze) aufmerksam zu machen. Obgleich als seine Stärke nicht eben die Klavierfachen gelten, so scheint doch gerade in dem genannten Werfchen seine nationale Eigentümlichkeit gut hervor zutreten. Sind diese Polonaisen auch nicht so konzertmäßig fünstlerisch wie die Chopins, so bestehen sie doch neben ihnen mit Ehren; sie sind melodiös und erfreuen auch durch einen gewissen heroischen Zug. Am berühmtesten soll die zart idyllische 6. Polonaise geworden sein; der Komponist hat sie später für Cello- Solo mit Begleitung tiefer Streichinstrumente in seine Oper Die Gräfin" als Vorspiel zum dritten Att und als Vorbild der ländlichen Situation dieses Attes eingelegt.

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Die Männer gingen hinaus. Pogoda   hörte, wie sie die Treppen hinunterrannten. Einen Augenblick war es ihm, wie wenn er ihnen nacheilen müßte. Aber er rührte sich nicht. Ein Efel stieg in ihm auf, als er jetzt die schwarzroten Hallen der Hütte und die vom gelbbrannen Dampf erfüllten Gießräume vor sich zu sehen glaubte. Wie eine Ueberfättigung hatte es ihn hingeworfen. Eine gänzliche Mattigkeit hatte ihn gepackt. Und doch hatte er nicht einen Tropfen Kuru" oder Bier getrunken. Er hätte weinen mögen über seine Schwäche. Aber selbst dazu fühlte er sich zu schwach. Er wußte, die Schwefeldämpfe und Binkdünste hatten ihn so mitgenommen. Und es schien ihm, als athme er immer, auch jetzt noch, in der Etube, die beißende und fressende Luft der Hütte ein, als lähme sie ihn immer von neuem und raube ihm seine Kraft und seinen Mut. So lag er, als der Verwalter des Schlafhauses seinen dicken Kopf und seine breiten Schultern ins Zimmer hineinsteckte, mit einer Unter den czechischen Komponisten sind bei uns Frdr. Smetana  Laterne die Betten ableuchtete und schimpfte:" Aufstehen! Faules( 1824-1884) und A. Dvorak  ( geb. 1841) gut bekannt, letzterer Luder! Stinkt sich vor Faulheit!... Wird's un? Oder soll ich sogar als eine Art Brahms   einseitig bevorzugt. Von ersterem ihm geben heute kein Effen?! Wird sich hungern, wird sich auch werden mehrere sinfonische Dichtungen, wie besonders die hier in arbeiten! Nu marsch, steh auf!... Thut so, wie wenn schwer vorigen Winter gehörte Moldau  ", in deutschen   Konzerten gern ge frank sei, wie wenn fich was feble... ih, ist bloß faul, das spielt. Sechs von ihnen bilden den Cyklus Mein Vaterland." Stück!. Kriegt sich kein Essen... müssen sich alle ran, alle Unter diesen ist Aus Böhmens Hain und Flur" wenigstens in ran, hat der Herr Direktor gesagt; kann ich ihm kein Essen geben. Den lezten Jahren für Berlin   unbekannt gewesen; jetzt Faules Luder!" wurde es in dem Eröffnungskonzert des Berliner Sinfonie Orchesters" Karl 3immer legten Dienstag aufgeführt, mit dem Erfolg, der diesent sowohl künstlerisch wertvollen als auch dankbaren Werk und der wirkungsreichen Ausführung angemessen ist. Wir nehmen wieder gerne Gelegenheit, auf die( mun immer Dienstags und Freitags stattfindenden) Konzerte eines Dirigenten hinzuweisen, der eine würdigere Stellung verdient, als die, zu der er inmitten der( nächstens hoffentlich weniger lauten) Biergeister gezwungen ist. Unter den übrigen Stücken, die Herr Zimmer in gewohnter ungefünftelter, doch fräftiger und zum Teil sehr inniger Weise von seinem bekränzlen Bult aus dirigierte, erschien uns Beethovens große Leonoren- Ouver ture besonders gut angelegt. In Anbetracht der übergünſtigen Akustik des jetzigen Saales wäre noch manches Zurückhalten, zumal der Bläser, erwünscht. Daß auch diese Veranstaltungen im wesentlichen nicht über unseren Konzerttypus hinausgehen, haben wir ebenfalls schon betont. Mögen sie bald auch eine Stätte für ausgleichende Gerechtigkeit gegenüber den nicht wenigen bei uns noch vernach lässigten Komponisten werden!

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Der Verwalter schlug die Thür zu und ging weiter. Pogoda   hatte es bei dem Worte Essen  " wie mit einer Peitsche getroffen. Schon gestern hatte ihm der Verwalter kein Essen gegeben. Und er hatte doch schon zehn Schichten gemacht seit den letzten Lohn tage. Zehn Schichten und zwei Tage nicht gearbeitet, also schon zwölf Tage fcit der letzten Lohnzahlung. Da fonnte er auch kein Geld mehr haben, um sich Essen zu kaufen ein Drittel seines Verdienstes schickte er seiner Mutter Und Essen! Essen! wühlte es in ihm. Sie verlangten, er solle mit leerem Magen in die stickige Halle gehen und den qualmenden Schlick wegfahren das riß ihn wütend empor.

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Aber im nächsten Augenblick fant er wieder zurück, schlaffer als zuvor. So lag er, als es Tag wurde, als der graue Regenschleier von lichteren Strahlen durchleuchtet wurde. Stundenlang tomite er sich nicht bewegen. Da flappten unten im Flur viele Tritte die andern kamen zum Mittag zurück. Er glaubte, fie essen zu hören im Speisezimmer, das unter seinem Schlafraum lag. Und dies Ge­fühl peinigte ihn, es schürte die letzten Kräfte auf Eine gewaltige Gier überfiel ihn, er konnte plöglich aufspringen, sich ankleiden und hinuntergehen.

unter

Kunstgewerbe.

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SZ.

am

Die andern hatten schon gegeffent. Der Verwalter räumte ge­Ueber die Geschichte der Gobelinweberei hielt rade die leeren, braunen Näpfe von den Tischen. Er mußte wohl Konrad Astfall in der letzten Sigung der Gesellschaft für Heimat­die Augen Pogodas mit brennendem Verlangen auf die Näpfe ge- funde der Provinz Brandenburg   zu Berlin   einen Vortrag, in dem richtet geichen haben. Hinter dem Brett, das den schmalen, die Küche er nach einem Bericht der Voss. Btg." folgendes ausführte: Schon und den Speiferaum verbindenden Gang in der Mitte trennte, sagte den Babylonieru war die Bildiveberei bekannt; Aegypten   wurde das er: Wer nicht will arbeiten, soll sich auch nicht essen!" Musterland. Römer und Griechen liebten ebenfalls Gewebe mit figür­Pogoda hörte den hämischen Ton. Bitternd, vor Schwäche und l lichen Darstellungen; Tyros  , Sidon   und Pergamon   waren im Altertum