Hnterhaltungsblatl des Horwärts Nr. 196. Freitag, den 6. Oktober. 18SS (Nachdruck verbot«.) Dannau 6] Roman von Peter Egge . Autorisierte Uebersetzung aus dem Norwegischen von Adele Neustädter. Holthe lachte, zufrieden und ruhig. Das war eine ausgezeichnete Idee, an ihr vorbeizu- gehen!... Sie glaubte an ihn und sprach gut von ihm... sie verteidigte ihn. Und sie wußte, daß er es wußte l In strahlender Laune kam Holthe zum Abendbrot. Er ersah sowohl durch Hannas als der Frau Benehmen, daß die alte Dame nichts gesehen oder gehört hatte, und er empfand es dankend gegen Hanna. Aber als er später auf seinem Zimmer saß und über die Wiese sah, ins Birkenwäldchen hinab, wurde er ruhig und betroffen. Wie hatte er in all den Jahren gesucht, herumgetappt und geirrt! Alle diese kleinen Liebeleien, alle diese Anläufe! Stets blieb er auf halbem Wege stehen, fürchtete, zu geben, ohne etwas zurückzubekommen. Oder diese vage Furcht, daß seine Liebe nicht stark genug wäre! Aber o Gott, es war ja so natürlich, daß er sie gesucht hatte, die ihm das Heim geben konnte, das er nie besessen und stets so sehr entbehrte. Die Stätte, wo sie war und ihre Müder, wo der große Mangel geschwunden war... Er erhob sich. Daß er wieder über derartiges nachzudenken begann! Aber so war er. Er zerstörte jedes Handeln in sich durch Grübeln und Berechnung und Faseleien! Er sah sie vor sich, wie sie nachmittags im Garten lag und jätete. In dcni Augenblicke, ehe sie ihn gewahrte, trug ihr Antlitz noch einen Schimmer des Ausdrucks, den es gehabt haben mußte, als sie gesagt hatte:Glauben Frau Vogt racht, daß er im Grunde genommen rechtschaffen ist?" Es bebte eine seltsame Angst und Freude durch den Ge- danken: Wenn es nur beiden zum Glücke gereichen konnte.... Lag ein Sinn darin, solches zu versuchen? Er mußte jetzt zugreifen.... O, es half nichts.... Sie würde nicht an ihn glauben.... Sie würde nicht.... Aber er würde nicht weichen. Er würde hier bleiben, arbeiten, leise vordringen, bis sie ihm nahe kam.... An einem Sonntagvormittag ging er auf sein Zimmer. Thürc und Fenster waren geöffnet, Hanna war in der Stube. kehrte ihm den Rücken zu und beugte sich über das Bett, das sie zurecht machte. Sie kehrte sich nicht um und deshalb dachte er:Sie denkt, daß ich hereingekommen bin." Guten Morgen, sind Sie heute hier, Hanna?" »Ja I" Wo ist denn Grete?" Sie ist krank, Herr Kandidat." Können Sie ihre Arbeit auch mitbcsorgen?" ,.O ja, siir einige Tage... Es giebt hier für zwei, drei Mägde nicht so viel zu thun," fügte sie hinzu. Es wurde still. Holthe nahm ein Buch und wog eS in der Hand, während er sagte: Ich glaube, Sie lesen sehr gem." »/\yU* O ja. gute Bücher sind gute Gesellschafter." Er blickte vor sich hin, trat absichtslos, unmhig ans Fenster und hielt das Buch in der Hand. Er hörte seine eigenen Worte wie von einer weit entfernten Stelle. Es zitterte in ihm und die Stimme Ivurde leise. Die Bücher bieten Gesellschaft", wiederholte er mehrere Male, ganz sinnlos. Wenn er es jetzt sagte, würde sie fortlaufen, und dann war es vorbei vielleicht für immer. Sie würde nicht der- stehen, nicht glauben. Er ging umher, ging ans Fenster, strich viele, viele Male mit der Hand aus dem Tische hin und her. versuchte ruhig ohne Laut zu atmen. Er blickte auf sie flüchtig: Daß sie nie fertig wurde!... Nein, sie durfte nicht fertig werden, sonst ging sie ja! Er trat schnell ans Bett und blieb dicht vor ihr stehen. Hanna, wollen Sie mein Weib werden?" Sie lief nicht fort, fuhr nicht einmal zusammen, blieb aber unbeweglich stehen. Die Hände, die die Decke gefaßt hatten, hielten sie noch fester als zuvor. Sie war festgcfroren. Ihre schweren Atemzüge ertönten laut in der Sonntagsstille, die auf den üppigen Sonnenfeldern und Wiesen ruhte, herein« drang durch offene Fenster und Thüren. Holthe wartete... wartete. Wagte sie nicht zu bs» rühren, aus Furcht, sie möge fortlaufen oder flüstem:Nein, nein." Er hielt es nicht länger aus. Er stieß die Worte hastig hervor, in Angst. Er liebte sie so selffam innig. Er könne nicht erwarten, daß sie ihn schon lieben solle; denn sie keime ihn ja fast nicht: aber er könne sie lehren, ihn zu lieben. Sie möge ihm nicht mißtrauen, weil andere Menschen ihr Uebles zugefügt hätten. Sie solle Selbst» vertrauen gewinnen und sich nicht um die Vergangenheit kümmern. Er wisse, wie unglücklich sie gewesen; aber essolle ihn nicht hindern... Er denke grade nicht... wie die andern denken würden... Sie solle ihm glauben. Seine Worte wurden ruhiger und überzeugend. Er glaubte, sie schweige, weil sie ihm recht gab. Der Vogt sei ein braver Mensch.. er habe ihm von ihrem Unglück erzählt, weil er ihr Wohl wolle, und das wolle er Holthe auch.... Sie glaubte ihm vielleicht nicht. Da solle sie jedoch zu hören bekommen, daß er heute jedem Menschen, den er traf, erzählen wolle, daß sie seine Frau würde. Sie solle sich nicht schrecken lassen... Nie wolle er sie über die Vergangenheit aussragen. Das versprach er auf Ehre und Gewissen. Er kenne sie erst seit dem Abend, da er sie zum ersteumale gesehen.... Sie würden fortreisen und wohnen, wo sie wolle... Ihm sei es einerlei, wenn sie nur mitgehe.... Sie sagte kein Wort, und er zog sie an sich. Aber schnell stemmte sie einen Augenblick beide Hände gegen ihn. Ersah, daß ihr Gesicht bleich und mit Schweiß bedeckt war. Dann fielen die Hände nach unten. Sie legte den Kops in die Bett« decke und weinte, weinte. Hanna 1" Sie antwortete nicht. Hanna I" und jetzt flüsterte ersoll ich zum Vogt hinuntergehen und alles sagen, was geschehen ist?" Er beugte sich zu ihr hinab. Hanna, Hanna!" Thun Sie, wie Sie wollen," hörte er durch da» Schluchzen. Da ging Holthe hinunter. Es war am nächsten Vormittag. Er saß an ihrem Bette. Die Sonne leuchtete durch da» Laub in die kleiuscheibigen Fenster und spann ein goldgrüue» Netz über die weiße Bettdecke. Die Frau, die ihm vor einer kurzen Weile nachgekomme» war, ging hinaus, damit die beiden allein sein konnten. Bist Du jetzt ruhiger?" Ja, ich glaube." Der Kopf lag zur Seite und die Augen blickten auf dt« Brust hinab. Du sollst nicht länger grübeln. Wenn Du nur Selbst« vertrauen hast, wird es gehen." Die Frau und auch der Vogt glauben sicher nicht, daß es für... für Sie... zum Glücke gereichen wird, ja,» keinen von uns." Liebe Hanna, Du mußt Dich selbst und keinen andere» fragen und mußt glauben, daß ich für uns beide thun will, was möglich ist. Du selbst wirst auch thun, was in Deinen Kräften steht. Es lohnt doch einen Versuch, glücklich zu sei«. Und selbst wenn wir irren sollten, und wir unser Zusamme»- leben aufgeben müßten, glaubst Du, daß wir dann minder glücklich werden können, als wir es bisher gewesen sind?" Seine Stimme wurde leise und zärtlich. Wenn wir uns einmal genötigt sähen, getrennte Weg« zu gehen, würde ich mein Bestes thun, daß Du Dich auch dann so glücklich als möglich fühlen könntest." Sie schwiegen. Sie lag wie zuvor, sah nicht auf. Hanna, hast Du mir gar nichts zu sagen?" Er bückte sich ein wenig konnte ihr jedoch nicht w dt« Augen sehen. Sie sind so gut gegen mich."