Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 197.

Sonntag, den 8. Oktober.

1899

6]

Hanna.

( Nachdruck verboten.) mußte sowohl den Einband, als auch die fremden Worte darin

Roman von Peter Egge .

Autorisierte Uebersetzung aus dem Norwegischen .

von Adele Neustädter.

Holthe blickte sie lange an.

,, Einst wirst Du mir schon froh und vertrauensvoll in die Augen sehen. Du wirst vielleicht erzählen können, daß Du mich ein wenig liebst."

Ihr Kopf lag in der gleichen Stellung, wie zuvor. Sie hob nur die Augenlider und blickte ihn voll an. Kaum konnte sie durch die Thränen sehen. Er fühlte den warmen Druck ihrer Hand. Sie drückte die seine, und er beugte sich über sie.

" Ich liebe Dich."

,, Bist Du dessen sicher?" frig er. ja."

Mund.

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Weißt Du, seit wann?" Er hielt ihre Hände an seinen

" Ich weiß es nicht genau. Vielleicht seit dem Abend unten im Wäldchen. Ich empfand, daß Du mir wohl wolltest."

Während sie sprach, blickte sie ihm ins Antlitz; aber er fonnte ihre Augen nicht ganz erreichen. Nur einmal gelang es ihm in schnellem Blinzeln.

-

" Hanna", sagte er dann, wir heiraten uns so schnell als möglich und fahren fort vielleicht weit fort."

-

Sie sprachen nicht weiter. Er zog ihre Hand an seinen Mund und preßte sie fest, um seine Bewegung zu unter­drücken.

In der folgenden Woche grübelte Holthe darüber nach, was er beginnen und wo er sich niederlassen sollte.

Er hatte nie recht geglaubt, daß er zum Rechtsanwalt tauge, und die paar Monate, die er als Amtsgehilfe ver­brachte, hatten ihn nicht ermuntert, die Beanitenlaufbahn ein­zufchlagen.

Da las er eines Tages in einer Zeitung, daß Lövwall zu verkaufen war, ein größeres Gut, das dicht bei der ruhigen schönen Stadt im nördlichen Hochgebirge lag, wo er zehn Jahre die Schule besucht hatte.

Wenn er es faufte!... Mit Fleiß und guter Hilfe fonnte er wohl in einigen Jahren ein guter Landwirt werden. Das Gut sollte ja guten Boden und gute Vorwerke haben, und er wußte aus früherer Zeit, daß die Aussicht dort oben berühmt war.

Er dachte den ganzen Tag über diesen Plan nach, und immer mehr verliebte er sich in die Sache. Später wurde er schwankend und wunderte sich darüber. Daß er schließlich Landmann werden sollte... Arbeiter.. nach den viel­jährigen Mühen des Studiums.

Nach einigen Tagen war er entschlossen.

Er weilte eine Woche im nördlichen Gebirge, faufte das Gut und bereitete den Einzug vor. Einen Monat später fand die Hochzeit im Vogthose statt; und dann führte er seine Frau über Christiania in ihr neues Heim.

II.

In der ersten Zeit waren beide sehr beschäftigt, dort oben Ordnung zu schaffen. Zur Hochzeit war nur das Notwendigste an Ausstattung gekauft worden; das Uebrige konnte ja ganz gut allmählich angeschafft werden. Da er jetzt ihre Verlegen­heit sah, wenn sie Geld erhielt, so begleitete er sie in die Geschäfte und zu den Näherinnen. So oft es sich um einen Einkauf handelte, sagte sie:

,, Du verstehst es gewiß ebenso gut." Zulegt frug fie feinen Stoff, keine Farbe, die er nicht gewählt hatte.

ansehen und belächeln.

Eines Tages traf er sie weinend.

Hanna, warum weinst Du?"

Sie trocknete die Thränen und lächelte; aber die Thränen famen wieder und mun gab sie das Lächeln auf und weinte

heftiger.

Sag' mir jebt, weshalb Du weinst."

,,, eigentlich um nichts."

"

Um nichts, Du scheinst es nicht sagen zu wollen?" Nein, das mußt Du nicht glauben."

Eine kleine Pause, dann sagte ich:" Ist es Dir vielleicht

selbst nicht klar?" Nun ließ das Weinen nach, und sie sagte: ,, Nein, ich weiß es mir selbst nicht zu erklären." Biel­leicht trägt alles Neue und Ungewohnte dazu bei?" " Ja, das glaube ich auch."

Jezt lächelte sie wieder.

In der ersten Zeit beobachtete er öfters, daß sie ernst, nachgrübelnd schwermütig vor sich hinblickte, wenn sie sich allein glaubte. Seine Zärtlichkeit Ioderte auf. Er fürchtete, daß seine Schweigsamteit an ihrer Stimmung schuld trage.

Zuweilen, wenn er auf dem Heimwege war, konnte er sie in Gedanken plötzlich vor sich sehen; sie saß im Zimmer und starrte ins Leere. Sie saß mit dem Rücken vom Fenster ab­gewandt. Das Buch hatte sie fortgelegt. Woran dachte sie? Er beeilte sich.

Sollte sie wirklich nicht völlig glücklich sein? Sollte sie immer noch etwas aus der Vergangenheit quälen? O nein, das war unwahrscheinlich.

Nein, es mußte dieser gewaltsame Wechsel in ihrem Leben sein, und auch die Bücher, die sie mit den verschiedensten Gedanken erfüllten. Er hätte nie gedacht, daß die Bücher sie so stark beschäftigen könnten. Er hatte geglaubt, daß sie immer die Unwissende bleiben würde. Sie war umhergegangen wie auf der Jagd nach den Gedanken der andern, sie lauschte auf die Betonung der Worte, die ihr gesagt wurden, um Zweifel, Hohn oder Mitleid zu entdecken, und oft hatte sie sich grund­los verlegt gefühlt... Aber das sollte anders werden! Je näher er ihr fam, um so offener und zutraulicher wurde sie. Ihr ganzes Innere würde er kennen lernen. Jeden Kummer, Zweifel und jede Freude würde sie mit ihm teilen. Er war ja auf dem rechten Wege zum Ziele...

Im Laufe des Winters bemerkte er endlich, daß ihre schwermütigen Stunden seltener wurden.

Um Neujahr kam er eines Tages in die Wohnstube. Es war Nachmittag zur Dämmerungszeit. Sie saẞ gebeugt und drückte das Kinn auf ein Buch, das sie gegen den Tisch hielt. ,, Du langweilst Dich, wenn Du so allein sigest?" ,, Nein, ich habe ja die Bücher."

,, Aber, Du kannst ja des Lesens müde werden." Und dann habe ich ja das Haus, wenn ich mich be schäftigen will."

" Du bist auch nicht schwermütig?"

,, Nein, jetzt nicht mehr," sagte sie schnell und fast stolz, als habe sie eine schlechte Gewohnheit abgelegt. Wenn Du Dir eine Freundin fuchtest?" Nein, dann hätte ich ja nicht so viel Zeit zur Verfügung. Ich glaube, ich dürfte dann weniger lesen." Vermißt Du denn nicht eine Freundin?" Nein" sie sah durchs Fenster habt, feit ich zur Schule ging."

"

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,, ich habe keine ge­

Aber wenn ich halbe Tage lang fort bin, da wäre es amüsant für Dich, eine zu besuchen oder zu empfangen?" " Ich glaube nicht, daß ich mich dann so sehr auf den Abend freuen würde auf das Vorlesen." Er lachte, als mache er sich über sie lustig. Sie ging nach der Küchenthüre. Aber er zog sie schnell auf seinen Schoß.

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Er sah sie jeden Tag von einem neuen Wunder erfüllt, Nun schien etwas in ihr loszubrechen. Er schlug die das sich den verschiedensten Dingen gegenüber gleich start Armie um sie und preßte ihre Wange an seine, und bald äußerte. Wenn sie ein Paar schiefhackige Lackschuhe oder ein fühlte er sein Gesicht von ihren Thränen naß werden. Er Paar durchlöcherte Seidenstrümpfe aus ihren von der Eisen- wollte ihr zuflüstern, daß sie beide gleich viele Freunde hätten; bahn gestempelten Stoffern auspackte, oder auch nur ein kleines aber dann that er es doch nicht, nahm nur ihre Liebkojungen gefleckstes Bild hervorzog, so erschien ihr das eine ebenso entgegen, die er seit vielen Tagen nicht empfangen hatte. wunderbar, wie das andere. Es konnte ein Buch sein, sie! Die Gebäude auf Lövwall waren groß, hell und bequem.

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