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stürzen sich, das zermarterte Gehirn verweigert uns den Dienst, Kleines Feuilleton. gerade wenn wir aus geistigem Schaffen Brot gewinnen wollen. Undous map

leer und hoffnungslos dämmert uns jeder Morgen. Die Menschen lk. Toter Herbst. Draußen ist Auskehr, die große diesjährige wenden sich scheu ab, im stillen fürchtend, daß man ihre Kaffe in Vegetationsausstellung ist vorüber! Die Saugwürzelchen der Bäume, Anspruch nehmen werde. Man ist sich selbst überflüssig und den Sträucher und Kräuter stellen allmählich ihre Thätigkeit ein, anderen lästig. So lange noch Jugendkraft über all dem Zehrenden sie schrumpfen zusammen, und als Resultat dieses Riesenstreits in und Saugenden triumphiert, da laden sich die Unseligen Illusionen der Natur rieseln Milliarden vertrockneter Blätter auf das feuchte in ihrer Hungerwirtschaft zu Gast und schmausen mit ihnen leckere Erdreich herab. Besonders in gemischten Wäldern bietet Träume. Das große Loos fliegt ins Haus, wir hocken sich jegt dem Beobachter ein wunderbares Farbenspiel, ein stundenlang und überlegen, wie wir die Fülle des nicht minder fesselnder Anblick, wie ihn der sprossende Goldes nüßlich verwenden, wird kaufen uns schmucke Wald im Frühling gewährt. Der melancholische Eindruck, der Landhäuser mit prächtigen Gärten erhandeln herrliche im Gegensatz zum Frühlingswanderer empfindsame Betrachter der Kunstwerte, reisen in der Welt umher und beglücken alle Menschen. fich entblätternden Bäume beschleicht, ist eigentlich wenig berechtigt, Wir sind fest von dem großen Glückfall überzeugt, wir berauschen denn kaum vier Monate brauchen ins Land zu gehen, dann lächelt uns an ihm, der um so wunderbarer ist, als wir überhaupt gar die Märzsonne wieder über blühenden Haselsträuchern und Weiden . nicht in der Lotterie spielen. Oder wir denken uns einen reichen Der Winterschlaf unserer höheren Gewächse ist keine Ein­Mann, der sich unserer Not erbarmt und für ewig die Mittel ge- richtung, die ihnen eine Ruhepause gewähren soll, damit sie im währt, unseren Neigungen zu leben. An jeder Straßenede sehen kommenden Jahre neu gekräftigt den Kampf ums Dasein, um Nah­wir den Retter winken, der uns die ganze Zukunft in Schön- rung, Licht und Wärme wieder aufnehmen können. Es handelt heit und Würde vollendet. Aber es begeben sich keine Wunder; fich vielmehr um eine notgedrungene Anpaffung an unfer man gewinnt nicht das große Los, ohne daß man in der Lotterie durch die schiefe Stellung der Erdachse bedingtes Klima. spielt, und die plöglichen Retter leben nur in den Romanen. Mit Alle Pflanzen geben, wenn sie in der Vegetationsperiode sich be zunehmendem Alter verarmt auch die Illusionsfähigkeit; nun wird finden, unablässig Wafferdunst an die umgebende Luft ab. Wenn das Leben vollends leer und es bedarf mir noch vielleicht der An­fündigung des Befuchs eines Gerichtsvollziehers, um das ausgehöhlte Dajein wegzuwerfen.bloogid god nd hit and urin Gestern durch Selbstmord geendet!"

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die äußere Umgebung einer Pflanze so verändert wird, daß diese Ausdünstung, die sogenannte Transpiration der Pflanzen, unmöglich gemacht wird, so stirbt die Pflanze ab, so wie ein Mensch stirbt, beffen Hautporen fünstlich verstopft oder durch Verbrennung der In diesen leuchtenden Herbsttagen, da es allein unendlicher Schwerung der Transpiration der Pflanzen bildet mm die Abnahme Haut außer Thätigkeit gesetzt werden. Eine natürliche Er­Gemuß ist, die reine Luft zu atmen und den trunkenen Farbenglanz der Temperatur im Herbst. Mit dem Kälterwerden des Bodens läßt des scheidenden Laubes zu schauen, haben einſame, von den täglichen die Saugwirkung der feinen Wurzelhärchen nach, sie schrumpfen ein, Sorgen müde gehetzte Frauen, die nichts mehr von der Zukunft erhofften, hemmen den Transpirationsstrom und unterbrechen ihn schließlich den ganzen Reichtum des natürlichen Lebens preisgegeben, weil ihnen die grausame Simulosigkeit des gesellschaftlichen Daseins gang, wenn der einfrierende Boden ihre Thätigkeit völlig lahm legt. die begehrende Freudigkeit des ungebrochenen Seins vernichtet hatte. Die Folge davon ist, daß die äußeren Transpirationsorgane der Frau Kapf- Effenther, die bekannte Schriftstellerin, war zuerst als Wasserdampf an die Luft abzugeben haben, ebenfalls allmählich Pflanzen, die Blätter, welche unmittelbar den transpirierenden Siegerin eines Preisausschreibens in der Oeffentlichkeit erschienen. ihre Thätigkeit einstellen müssen. Sie würden den Bäumen und Seitdem schrieb sie fleißig und ihre Arbeiten wurden wohl auch be- Sträuchern den Winter über nur zur Last sein also fort mit ihnen! gehrt. In ihrem Familienleben verunglückt ihr letzter Gatte war der Sie welken und werden abgestoßen. Inzwischen sind die jungen abenteuerliche Gründer des Theaters des Westens, der jetzt in Blätter für den nächsten Sommer bereits vorgebildet und harren, Amerita flüchtige Journalist Blumenreich war sie zuletzt auf ihren forglich in den Knospen verwahrt, des Frühlings. Daß es nicht der eigenen Griverb angewiesen. Hatte sie auch vordem nicht zu den kommende Winter an sich ist, der die Bäume zum Abwerfen der ersten bevorzugten Lieblingen der bürgerlichen Lefelieferanten gehört Blätter zwingt, sehen wir daran, daß die Erscheinung des regel so trat sie in den letzten Jahren noch mehr zurüd. Von persönlichem mäßigen Laubfalls auch in gewissen tropischen Gegenden zu Hause Mißgeschid pepeinigt, mußte fie schreiben, um ihre Existenz zu fristen. ist, wo auf eine Periode monatelanger Regen eine lange Dürre Die Thätigkeit, die ursprünglich aus dem drängenden Quell des Talents frei und befeligend geftrömt, wurde jetzt zum martervollen periode folgt, z. B. in den sogenannten Catingas Brafiliens, Wald Zwang, dem müden Hirn immer Neues abzuringen und halb wider- trichen, die zur Regenzeit ihr prächtiges Grün entwickeln, um es in willigen Verlegern und Zeitungsredacteuren für fargen Lohn Waffermangel des Bodens, der fchließlich die Transpiration in der folgenden Trodenperiode wieder abzuwerfen. Hier ist es der demütigend anzubieten. Eine Proletarierin des Geistes, eine Sklavin einem Grade beeinträchtigt, daß die Blätter ihre Thätigkeit nicht jener infeligen Empfindungsreizbarkeit, die litterarisch Schaffenden mehr ausüben können; sie werden abgeworfen, und die Bäume ver eigentümlich zu fein pflegt, suchte die Frau, gehegt zusammenbrechend, schlafen die Zeit bis zum nächsten Eintritt der Regenperiode. Hier den stummen Frieden des Nichts. Ihr forgjamet Unternehmer aber ist also tein Winterschlaf, sondern ein Sommerschlaf vorhanden; stellte sich lockend vor seine Warenbude und pries den interessanten jedenfalls sehen wir, daß die Erscheinung des regelmäßigen Laub Fall: Immer herein spaziert, meine Herrschaften. Neu, neu! falls nicht auf die gemäßigten Zonen beschränkt ist und daß ihre Gestern erst durch Selbmord geendet!"

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Die Selbstmorde, die sich wirklich ereignen, sind nur ein kleiner Ursache einesteils sowohl in dem Eintritt von Kälte, als auch Teil von denen, die geplant werden, ohne daß der letzte Spring gewagt werden kann. Beide Ursachen sind eben geeignet, die Transpirations­andernteils in dem Eintritt übermäßiger trockener Wärme gesucht wird. Es ist nicht allzuviel lleberfluß an Lebenskraft in der Welt fähigkeit der Pflanzen zu unterbrechen. der Intellektuellen und Deklassierten vorhanden, und Zahllose spielen daß die Blätter Es wäre falsch zu sagen, in den nächtigen Augenblicken mit dem Gedanken, aller Qual durch vertrocknen und daß dies Ursachen des Blattfalles feien, doch kann bei uns erfrieren und in den Catingas rasche Selbsterlösung für immer ein Ende zu bereiten. Aber der natürlich nicht geleugnet werden, daß die Beschleunigung des Blatt Abschied ist allzuschwer, und man verliert auch dann, wenn man end- falls hiermit zusammenhängt. Bekanntlich haben wir Pflanzen, die loses Leid gegen den Tod eintauscht; so bleibt es meist beim düsteren unsere Winter immergrün" überdauern, wir brauchen nur an den Spiel. - Sobald jedoch irgend ein solcher Tragödienfall weithin bekannten Ephen zu erinnern. Alle diefe Pflanzen zeichnen sich durch Aufmerksamkeit erregt, reift in manch einem verlorenen Gemüt eine gewisse lederartige Beschaffenheit der Blätter aus, die ihnen das Spiel zum Entschluß und der Entschluß zur That. Kaum hatten die Zeitungen mit den üblichen Mitleids- gegen Erfrieren Schuh gewährt. Aber auch bei diesen Pflanzen ist wendungen den Selbstmord Selbstmord der Frau Kapff- Essenther ge= die Transpiration im Winter auf ein Minimum herabgesetzt. schildert, so erregte ein ähnlicher Fall geschwinde Erregung. In Alle Pflanzenblätter haben nur eine beschränkte Lebensdauer, dem stillen Vorort Lantwig- Lichterfelde, wo zierliche Einzelhäuser in mur wird dieselbe nicht überall so plöglich vor Augen geführt, wie Gärten freundlich gebettet sind, fuchte eine greife Mutter, die vers bei uns durch den herbstlichen Laubfall. Nicht alle unsere Gewächse laffene Frau eines Schauspielers, mit ihrer Tochter, die durch Sprach machen diese scharf abgegrenzten Berioden mit; außer den schon er unterricht den Unterhalt zu bestreiten bemüht war, der nicht mehr wähnten immergrünen fleineren Pflanzen behalten auch unsere meisten zu bezwingenden Not durch die Flucht aus dem Leben zu entrinnen. Nadelhölzer( die angepflanzte Lärche ausgenommen) im Winter ihre Sie wanderten gemeinsam hinaus nach dem Teltower See, und als Nadeln. Scheinbar tragen unsere Kiefernwälder jahraus jahr­die Dunkelheit ihren Mut gerüstet hatte, stürzten sich die beiden ein diefelben Nadeln und doch beweist die dichte Nadelftren Frauen, aneinander geschnürt, in das Wasser. Aber der Lebens- am Boden, daß auch die Nadelblätter nur eine beschränkte drang der Jüngeren triumphierte. Die Tochter fuchte die Mutter Lebensdauer besigen, die sich allerdings über einige Jahre erstredt. und sich zu retten; ihr selbst gelang es, die alte Frau war nicht Es liegt in der Derbheit der Nadeln begründet und in der geringen mehr zu erwecken. Das Mädchen kann mun, noch einsamer denn zu- Angriffsfläche, die sie der Kälte des Winters bieten, daß sie fich der vor, den unbarmherzigen Kampf um die elenden Mittel bescheidenster Periodizität des alljährlichen Raubfalles entziehen konnten; fie Lebensbedürfnisse aufnehmen. Vielleicht entschließt es sich, feine schränken im Winter ihre transpirierende Thätigkeit stark ein; aber fie Geschichte zu schreiben. Kein Zweifel, daß sich ein Verleger finden bleiben. In dem Lärchenbaum haben wir eine Ausnahme; er wirft seine wird, der es mit dem Hinweis dem Bublifum empfehlen wird: Bei- verhältnismäßig zarten, in dichten Büscheln zusammenstehenden Nadeln nahe durch Selbstmord geendet. Die Ausbeutungsfähigkeit in unsrer im Herbs ab. Auch hierin ist eine Anpassungserscheinung zu erblicken, kapitalistischen Gottesordning fennt keine Grenzen, und selbst die denn der nadellos dastehende Lärchenbaum bietet der Kälte nur geringe Todesqual wirft flugen Unternehmern hübsche Gewinne ab.- Angriffspunkte dar, und daß er diesen Schutz besonders nötig hat, beweist er durch seinen Standort. Die Lärche ist nämlich ein echter Hochgebirgsbaum, der in den Alpen mit Vorliebe auf eifigen Höhen bis zu 3000 Meter Meereshöhe wächst und hier die Baumgrenze oft allein oder mit der Zirbelfiefer bildet.

Joc.