-

890

Sein, nein," versicherte sie auf die Einvürfe des Gatten hin, ich werde keine Trübsal blasen!"

Ein Frühlingsopfer.

( Freie Bühne.)

Aber die Abendstunden verfließen langsam, und als sich Bianca allein bei Tisch sah und dann allein im Salon, ver- Inter dem Druck der kapitalistischen Theatermisere sind in Berlin mochte weder der freundliche Anblick des Kamins mit dem eine Reihe von Organisationen entstanden, die die Kunst im Kampf großen, fröhlichen Kaminfeuer, noch das Lesen ihres Dickensschen gegen die Tantiemen stützen wollen. Diese mehr oder weniger " freien" Bühnen sind eine durchaus notwendige Reaktion, eine ge= Lieblingsromans ihren Lauf zu beschleunigen. Man lese ein finde Lebensäußerung der bedrängten Litteratur, die von der Stritit paa: Stunden hinter einander die dichten, schwarzen Buch mit heller Freude begrüßt werden muß. Man kann protestieren, lebhaft stabenreihen Augen und Gehirn ermüden. Und draußen protestieren, wenn sie von Cliquengeist oder irgend einem anderen regnet es. Wie langsam die Zeit vergeht! Bianca legt das Gift angefressen werden, aber man muß dann gegen das Gift, nicht Buch nieder, horcht furze Zeit auf das einförmige Plätschern gegen den angegriffenen Organismus protestieren. Die kritische des Regens, schauert zusammen, schürt das Feuer, um in den Blafiertheit, die sich hier und da in mitunter etwas selbstgefälliger Seffel zurückzusinken, die Hände auf den Knien, und zu verderblicher, als dieser mißmutige Verzicht auf jede Hoffnung, weil Weise hervorwagt, ist unter allen Umständen vom Ullebel. Nichts ist Und Elifes Bild tritt wieder vor sie hin, Elises und das etwa ein Dutzend Hoffnungen fehlgeschlagen sind. Auch ist nichts in der Welt zugleich so unberechtigt. Wieviel immer zu wünschen tbres poetischen Gatten. Der Regen fällt stärker, und der übrig bleiben mag: Erfolge, fünstlerische Erfolge, haben Gedanke an die Freundin in dem nackten grauweißen Zimmer die freien" Bühnen trotzdem aufzuweisen und um dieser Fedrückt sie. Noch etwas anderes bedrückt sie, aber sie giebt Erfolge willen, kann man ihnen sehr wohl ein halbes fich keinerlei Rechenschaft darüber. Ihr, die ihr ganzes Leben oder auch ein ganzes Dugend von ungerechten Handlungen ver in einer weichen wohligen Bequemlichkeit verbracht hat, in zeiben. Die Theaterverachtung ist gewiß eine sehr erhabene Pose, hell erleuchteten Zimmern, mit Menschen, die, ob auch ein- aber damit ist ihr ästhetischer Wert leider auch völlig erschöpft. Den förmig wie Tante Jda, doch immer bei der Hand waren, sich Kritik die Waffen niederlegt und sich in die Einsamkeit der erhabenen litterarischen Spekulanten muß es goldene Tage bringen, wenn die an diesem und jenem zu beteiligen, luftig zu plaudern, ihr Berachtung flüchtet. Mit diesem Preis aber ist wenigstens uns die war dieses licht- und farblose Einerlei, die fahle Herbheit neue und interessante Pose zu teuer bezahlt.

träumen.

-

"

Elises allzu neu und befremdend. Nein, niemanden, nicht Von den verschiedenen freien" Bühnen hat die Freie Bühne", einmal sich selbst gegenüber hätte sie es zugegeben. Daß die mit den Namen Brahm, Hauptmann usw. verknüpft Elise, die teure Elise ihrer Mädchenschwärmerei, die sie auf ist, für die Litteratur die größte Bedeutung gehabt. des modernen deutschen Dramas cin Piedestal gestellt und demütig verehrt hatte, daß diese Man wird die Geschichte Elise ihr fremd geworden war..., daß etwas zwischen beide nicht schreiben können, ohne sie nennen zu müssen. Als es galt, die getreten war, eine geheimnisvolle Kluft von Entbehrung und philiſtrösen Vorurteile aus der Welt zu schaffen, die sich der neuen Kunst entgegenstellten, hat sie schwere und gute Arbeit geleistet. Demütigungen, geheimnisvoll und quälend.... Arme Elife, Die Kampfesstimmung, die damals ihren Namen umgab, ist heute sagte sie traurig, und sie hätte besser gesagt: arme Bianca! freilich geschwunden. Das entspricht aber genau der inzwischen ver Um sich von dem schmerzlichen Griffe zu befreien, der änderten litterarischen Situation und gereicht somit der Freien ihr langsam das Herz einschnürte, langte sie nach einem nahe- Bühne" feineswegs zum Vorwurf. Im Gegenteil! Eher ist es ein Wer heute, 100 kas neue Drama liegenden Hefte der Nazione ", und als sie dort unter Zeichen ihrer Einsicht. ein wildes Stampfgeschrei cr den lokalen Nachrichten die Liste der zum Festessen Ein- sich bereits durchgesetzt hat, ein fein Held, sondern ein Narr. Eine geladenen fand, fing sie mechanisch an, die Namen zu lesen. heben wollte, wäre andere Frage ist es, ob die Freie Bühne sich Es waren gegen dreißig. Als sie den von Ugo Adinolfi fand, mit gewiffen Verlegerinteressen nicht näher eingelaffen hat, als hielt sie ein. Ugo Adinolfi? dachte sie verwundert. Und ihrer Jungfräulichkeit gut ist. Wir wollen heute die Frage nicht plöglich maß sie dem Bankett eine Bedeutung bei, die sie ihm weiter distntieren. Aufgeworfen mag fie aber immerhin sein. vorher nicht gegeben hatte. Die Aufführung, die am Sonntag im Lessing Theater Wer weiß, was für interessante Dinge da gesprochen stattfand, war ein Erfolg des Vereins. Ein Frühlings­werden... .. Schade, daß man nicht auch die Frauen ein- opfer" das Erstlingswert eines jungen Kurländers ist eine Iud!" sagte sie vor sich hin und verfiel wieder in ihre Dichtung, was man in diesem Winter noch von keinem neuen Besonders freut es uns, daß es in Träumereien. Das eintönige Murmeln des Regens, die Stück hat fagen fönnen. Unsere Stille der Stunde, das trauliche Knistern der Flamme, alles lud zum Träumen ein.

einigen Partien den Einfluß Anzengrubers verrät. jungen Talente können nichts befferce thun, als bei östreichischen Meister in die Schule zu gehen, womit ja nicht gesagt In aller Seelenruhe durchdachte Bianka noch einmal die ist, daß sie Hebbel und Ibsen zu übersehen brauchen. Da fie feines furze romantische Episode ihres Mädchenlebens. Sie sah Ugo fopieren sollen, tönnen sie von allen lernen, und können dabei der vor sich, den großen schwarzen Mann mit den herben Zügen, Vorwurf der Nachahmung" mit voller Seelenruhe ertragen. s die dann plöglich einen so guten, weichen Ausdruck haben giebt gewiffe Leute, die der wunderlichen Meinung sind, ein Talent konnten; sie sah die trauten Abende in Tante Idas Villa, müsse immer aus dem puren Nichts entspringen, um etwas zu sein. wenn er mit seinem festen Schritt den großen Saal betrat, Das trifft nicht einmal auf das Genie zu, viel weniger alfo Shakespeare hat den Stil seiner eine Schule oder ein Hospital... und er, sonst so schweigsam, uns liegt mithin jede Absicht der Verkleinerung fern, wenn ward dann mitteilsam, und wie gut er dann sprach, wie beredt wir von Herrn v. Keyserling ( so heißt der Poet) behaupten, und warm... Und während sie so in sich versunken saß, durch daß er von Anzengruber und daneben auch von Hauptmann etwas zuckte sie einen Augenblick der Gedanke, was wohl ihr Leben Tüchtiges gelernt hat. hätte sein können an der Seite eines solchen Mannes: wie friedlich! Und wie manches Gute hätte sie thun können. Wie manchem Armen hätte man ein Obdach geschaffen in solchen talten Nächten wie heute. Und die Kinder? Die armen frierenden Kinder mit den erstarrenden Händchen, mit nackten talten Füßen, wie die Kleine, die sie heute gesehen hatte... heulenden und jammernden Nachbarsfrauen angefüllt. Da Und sie sah um sich, sah auf all die unnüßen Kostbarkeiten, die sie umgaben, und die ihr eigenes Selbst wiederspiegelten. Sie seufzte tief und wußte selbst nicht, warum. Was für einen Sinn hatte ein Leben, wie das ihre? Es mußte doch eine große Freude sein, denen, die leiden, zu helfen!

wo die Tante empfing; die langen Unterredungen, immer über auf das Talent selbst. Dramen vorgefunden und ist darum doch Shakespeare .

Das Stück spielt unter katholischen Bauern in Littauen . Im ersten Aft werden wir in das Sterbezimmer eines Bauernhauses ge= führt. Die junge Bäuerin, die das kleine Anwesen bisher zusammen­hielt, liegt im Sterben. Ihr Mann hockt stumpfsinnig auf einer Bettlante. Er hatte nie einen rechten halt und ist durch das Un­glück vollends zum Säufer geworden. Die Stube ist von zwischen sicht man den Pfarrer, der der Kranken den Trost der Kirche verabreicht hat, und schließlich noch einen derben Landarzt, der mit seinen Bauern umzugehen weiß, ohne doch zu ver gessen, daß sie Menschen sind.

Allmählich leert sich die Stube und nur die alte Großmutter bleibt mit einem jungen Mädchen zurück, einem verhärmten bleichen Während sie so dachte, ließ sie zerstreut ihr Auge hier Ding, das im Dorf allgemein der Grashupfer" genannt wird. Das und dort ruhen: anfangs sah sie nicht, worauf sie blickte, arme Ding hat seine eigene Geschichte und sein eigenes Schicksal. allmählich aber drückten die Gegenstände ihr Bild wieder in Sie ist die natürliche Tochter des Bauern, der sie tagtäglich ihr Gehirn und übten ihre Macht aus. Welch elegante prügelt, um sich auf diese Weise für die unangenehmen Er Schlanke Form hatfe doch jene ägyptische Vase und wie schön innerungen zu rächen, die sie in ihm aufscheucht. Ihre war das tiefe Blau der antiken Schale, worin sie die Mai- Mutter, die vom Bauer verlassen wurde, hat sich in einen glöckchen gestellt hatte! Und diese Maiglöckchen verbreiteten Brunnen geftürzt, um der Schande zu entgehen. Ihr Kind aber hat einen Duft, einen Duft!. Sie schmiegte sich mehr in sie dadurch leider nicht von der Schande befreien können. den Sessel zurück, liebkoste mit dem Blick die verschiedenen Landvoll sieht sie mit scheelen Blicken an und behandelt fie wie eine " Unehrliche". Der Grashupfer" wird von allen getreten und von Gegenstände, sog wohlig den Duft der Blumen ein. allen verachtet. Den jungen Burschen fällt es gar nicht ein, daß sie ( Fortsetzung folgt.) auch zum Weibsvolt gehört und die Dorfschönen lachen über sie hinweg. Nur die Bäuerin, die nun im Sterben liegt, und die

Das