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alte Großmutter haben fie menschlich behandelt. Wenn die seinem Rechte fam. Eine Dörflerin nach der anderen hüpfte mit Bäuerin einschläft, erlischt das einzige Licht, das im Leben ihrem schmucken Häubchen, angethan mit buntem Rock und weißen des Grashupfers" brannte. Die Großmutter ist zu schwach, auch puffigen Aermeln unter dem Mieder, in den niedrigen Saal des nur um sich selbst vor den Mißhandlungen des Bauern zu schützen, Wirtshauses. geschweige denn andere. Außerdem munkelt man, daß der Bauer bereits mit einem fremden Weibsbild einig ist.

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So sehen wir fie noch heute an unferm" Spinnabend, dem späten Echo einstiger Herrlichkeit im Jahre 1899 teine jugend lichen Gestalten mehr, denn diese wollen die alte Kunst" nicht mehr erlernen, aber doch noch rüftige Weiber, die in ihrer altertüm­lichen Tracht uns ganz eigen anmuten.

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Wie der Grashupfer" verzagt und niedergeschlagen dafigt, er: zählt die Großmutter eine alte Geschichte. In der Gegend hat es einmal eine Mutter gegeben, deren Kind auf den Tod frank war. In ihrer Not warf sie sich vor das Bild der Mutter Maria und bot In einem offenen Viereck von Bänken inmitten des Saales ihr eigenes Leben an, um das Leben ihres Kindes zu retten. Das nehmen sie Platz. Die Spätkommenden entschuldigen sich wortreich. Heiligenbild nickte drei Mal und bald darauf starb die Mutter, aber Ein gepustes junges Menfch" der alte Ausdruck für junge Weiber das Kind genas zu frischer Gesundheit. Die dunkle Geschichte padt findet sich noch hier oben reicht Schnäpschen umher, auch eine den Grashupfer" mit einem unheimlichen Schauer. Was hat sie Düte mit Süßigkeiten und zündet den Kienspan an, der inmitten eigentlich zu verlieren! In ihren Adern fließt das warme Blut der Spinnerinnen auf einem dazu gehörigen Gestelle brennt. ihrer Mutter; aber sie wird nie einen Burschen im Arm halten. Es find lange, schmal und zierlich zugeschnittene Scheitchen, Ihr Gesicht ist schön; aber Not und Elend haben ihre Schönheit die allerdings mäßig qualmen qualmen und völlig wagerecht auf­liebt aus werden. der Ferne mit leidenschaftlicher gelegt Die Rädchen ausgelöscht. Sie beginnen zu furren, die Schwärmerei einen reichen Bauernsohn. Er kennt sie nicht einmal! Spinnerinnen neigen sich, um mit ihrer Zunge den Faden und Was hat sie also zu verlieren? Und alles kann sie gewinnen, zu negen; die Lippen trocknen bei eifrigem Neden wenn sie sich der heiligen Jungfrau als Opfer für die Bäuerin an dem mählich beißender werdenden Qualm. Jezt nimmt eine der bietet. Sie tann ihre sündige Geburt entsühnen und kann die Erste Frauen das Wort. Sie beginnt eine Schnurre zum besten zu geben, werden im Himmelreich. Gewiß! sic will's. In der Nacht eilt sie eine andere löst die im schlesischen Dialekt ab, dann eine dritte, und mit fliegendem Atem in die stapelle und bittet die Mutter Maria, so ziehen eine ganze Menge volkstümlicher Erzählungen vorüber, in ihr Leben für das der Bäuerin zu nehmen. denen meistens Dünkel und Dummheit der Bauern und des Teufels lächerlich gemacht werden. Auch eine langatmige Darlegung der Entartung der heutigen" Jugend fehlt nicht.

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Als sie am nächsten Morgen heimwärts pilgert, kommt fie am Dorfwirtshaus vorbei, wo allerlei junges Volt beisammen ist. Der reiche Bauernsohn, den sie liebt, hat gerade mit einem Schreiber Streit. Wie die beiden an einander geraten, sicht der Gras­hupfer" in der Hand des Schreibers verstohlen ein Messer blinken, und wie eine wilde Kaye springt sie von hinten auf ihn zu und entwindet ihm die gefährliche Waffe. Ei, der Tausend! Der Bauernbursche ist ganz überrascht. Das hat ja Temperament, Leidenschaft, Energic, mehr als alle die anderen. Er bleibt den Tag mit ihr zusammen. Das bißchen Glück läßt sie aufleben, nimmt ihr fast die Sinne wie ein Rausch und läßt sie mit Schaudern an die nahe Stunde denken, in der ihr Leben der heiligen Jungfrau verfallen ist. Sie will nicht sterben, jetzt nicht mehr. Die faßen­artige Wildheit, die in ihr schlief, ist jäh erwacht. Um der Sache ein Ende zu machen, beschließt sie, der franken Bäuerin soviel von ihrer Medizin zu reichen, daß sie für immer daran genug hat. Der Gifttrank ist bereits gemischt als sie den Bauernburschen gewahrt, der sich in die Kammer der Magd schleichen will. Sie ruft ihn an; er murmelt halb verlegen etwas, wonach seine Liebesversicherungen Spaß" gewesen seien und wirft damit den Grashupfer" in das frühere Elend zurück. Statt der Bänerin den Gifttrant zu reichen, leert sie ihn mun selber.

Früher ist dieser allgemeinen Unterhaltung sicherlich eine längere intimere Aussprache von Mund zu Mund vorangegangen, denn daß das Reden in jeder Weise von alten Zeiten her mit dem Spinnen nahe verwandt ist, davon zeugt noch so mancher Sprachgebrauch, dessen Herkunft uns nicht immer gegenwärtig ist.

Der Faden der Rede spinnt sich weiter; er reißt oder wird wieder von neuem angeknüpft. Und daß auch die am wenigsten be­liebte Rede, das Klatschen, an den Spinnabenden nicht vergessen wurde, davon zengt das Durchhecheln" des lieben Nächsten. Ab­gehaspelt" wird eine Rede, wenn sie mechanisch vor sich geht, wie die gefühllose, sich immer im Kreise drehende Garnhaspel, und sie schnurrt" nur so, wenn sie glatt und lustig geht, wie das liebe gut geschmierte" Rädchen.

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k. Vom ,, Specialforrespondenten". Ein Pariser Blatt schreibt: Die Scene geht vor sich hinter den Buttes Chaumont , Kleinen An­höhen im nordöstlichen Paris . Englische Soldaten, weithin kenntlich an ihren roten Uniformen, nehmen einen Hügel im Sturm. An ihrer Spike reitet ein General, der sie durch Zurufe und Gesten an­feuert. Oben auf dem Hügel setzt sich ein Boerenheer, um zwei Mit einem eigentlich tragischen Vorwurf haben wir es in dem Kanonen geschart, gegen die Angreifer zur Wehr. Plötzlich beginnt Drama nicht zu thun. Es bleibt, um eine Hebbelsche Wendung der englische General zu wanten, er fährt mit der Hand zur Brust, zu brauchen, in der Psychologie stecken. Ein menschliches Los ist finkt zusammen und fällt von seinem Pferde herab. Die Soldaten gut geschildert, hier und da mit feiner Kunst, aber dem Einzel- eilen ihm zur Hilfe, heben ihn auf und tragen ihn vom Schlacht­schidial fehlt der Hintergrund einer Weltanschauung. Es ist schließlich felde fort... Was geht da vor? fragen die Spaziergänger über­eine Dorfgeschichte, die man aber gern anhört, weil um die magern rascht und bleiben stehen. Was haben diese Boeren und Engländer Glieder des Grashupfers" ein Schimmer von wehmütig ergreifender auf dem Buttes Chaumont zu thun? Und siehe da, der ver­Poesie fließt. Die Darstellung war gut. Frl. Eysoldt bestätigte wundete General steht auf und geht einher wie jeder andere dem Photographen in der Hauptrolle den günstigen Eindruck, den wir von ihr gewannen, auch... Es sind einfach Leute, die vor pofieren. Eine illustrierte Zeitung fühlte die Verpflichtung als sie im Schiller- Theater die Nora spielte. ihren Lesern einige Episoden aus dem Kriege in Transvaal im Bilde vorzuführen, und ein findiger Photograph hat diesen Ausweg ersommen, um ihr dazu zu verhelfen. Er mietet sich Leute, steckt sie in englische und Boeremmiformen, sieht sich nach einem für militärische Operationen geeigneten weiten Terrain um, zicht mit Waffen und Troß dorthin, stellt seine beiden Armeen gegeneinander auf, und der Kampf kann beginnen. Nummehr legt er sich mit seinem Apparat in den Hinterhalt und nimmt von den Haupt­wendungen des Kampfes" Momentbilder auf, die er dann seiner Zeit­schrift übermittelt. Bon dieser werden sie nun mit der sensationellen Unterschrift" Tod des General Symons, nach einer Photographie unseres Specialforrespondenten" publiziert. Zweifellos werden sie so wecht" aussehen, daß den naiven Lesern ein Schauder über­läuft.

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Erich Schlaijer.

Kleines Feuilleton.

Ein Spinnabend im Riefengebirge. Man schreibt der Köln . Volksztg.": Hoch oben auf dem Riesengebirge liegt ein kleines Dorf, abseits der großen Heerstraße, noch ziemlich unberührt von der modernen Kultur. Dafür hat sich aber ein Nachhall alter Beiten hier oben erhalten. Das einsame Dorf heißt Kiesewald, ist nicht weit von Agnetendorf , auch von Schreiberhan in etwa zwei Stunden zu erreichen. Es ist eine eigene stille Welt, in welche der sommer liche Fremdenstrom erst ein ganz kleines tastendes Seitenbächlein ab­geschickt hat.

Die sich zur Flucht vorbereitende alte geit ist einerseits noch in den echten alten Gebirgsbauten verkörpert, die unter einem mächtigen Schindeldach Mensch und Vieh, auch den Segen der Wiesen und Felder vereinigen, andererseits grüßt sie uns in manchem altertümlichen Gerät( bemalten Schränken u. dergl.), besonders charakteristisch aber in den Spinnabenden.

Die Spinnstuben oder Spinnabende waren in alter Zeit die phantafieanregenden, geselligen Quellen, aus welchen die mit teilungsbedürftigen Dörflerinnen tranten und schöpften. Man lehrte und lernte in ihnen, man erfuhr Neuigkeiten, tanzte und spielte, fang und dichtete; man traf dort die guten Freundinnen, den zu tünftigen Freier, denn auch die Burschen fanden sich ein, wenn der mitgebrachte Flachs versponnen war, und dann erst ging es laut und lustig zu.

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Psychologisches.

Ueber Farbenblindheit sprach in der Teßten Sigung der Polytechnischen Gesellschaft Prof. Arthur König. Wie wir einem Bericht der" Voss. 8tg." entnehmen, gab er zuerst einen leberblick über die Theorie des Farbensehens und erörterte dann die Unterschiede zwischen der totalen und partiellen Farbenblindheit. Die totale Farbenblindheit die damit Behafteten können nur Hell und Dunkel unterscheiden fommt nur, äußerst selten vor. Die mit ihr Behafteten sind von außen daran schon kenntlich, daß fie sämtlich sehr wenig weit sehen, starkes Augenzwinkern haben und bei hellem Tageslicht immer mit zugemachten Augen gehen; zum Militärdienst und natürlich auch Eisenbahndienst sind sie absolut untauglich. Das, was wir im gewöhnlichen Leben mit Den ganzen Sommer hat man hart auf Feld und Wiese ge- Farbenblindheit bezeichnen, ist dagegen etwas ganz anderes. Diese schafft, denn die Männer arbeiten im Walde und kein Pferd, ist nur eine partielle, denn solche Farbenblinde sehen statt fein Ochsengespann erleichtert die schwere Arbeit auf den schmalen der 170 Farbennuancen des Spektrums überhaupt nur zwei Farben, Ackerstreifen der Berge, welche Hand und Hade allein zu bearbeiten nämlich blau und gelb. Ferner sehen sie, abweichend von den haben. Dazu die Pflege der Haustiere, die Kühe und Ziegen. Da Normalsehenden, mitten im Spektrum eine weiße Linie. Dabei ver­wurde es acht Uhr und später, bis das letzte Melfen besorgt war mögen sie die sämtlichen Farben des Spektrums, troßdem sie nur und das Spinnrad- schön mit buntem Papier umwunden zu blau und gelb sehen, doch richtig zu benennen. Ist die Farbe

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