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den Mut; und Svend besuchte sie weiter ein paarmal in der Woche meist Samstagabend.

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Else konnte nicht daraus klug werden, ob Madam Späckbom etwas ahnte; aber es quälte sie; troßdem konnte sie sich nicht entschließen, es einzugestehen. Es wurde auch immer schwieriger, je länger es dauerte, und schließlich hatte sie nicht die geringste Lust, mit Madam vertraulich zu reden.

Es gab so viel Sonnenschein im Juli und August, und es fam so wenig davon in Madam Späckboms enge Straße. Floh saß am Fenster und fah hinauf zum Himmel, und fie dachte so lange an Svend und an die Ziegelei und alle die blanken Perlen, welche von dem Wasserrad sprangen und an die Rosen des Küsters- sie atmete schwer; was würde sie nicht für solch eine Rose geben.

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Am nächsten Sonntag brachte ihr Svend eine. Die gab es haufenweise sagte er; man merkte den Geruch schon auf dem Weg, und sie hingen in diesem Jahre über den Zaun, so daß man nicht hinüberklettern mußte.

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Als er nun wieder gehen mußte die Uhr war halb neun damit Madam sie nicht überraschen sollte, wollte Else ihn bis zur Ecke begleiten. Die Rose hielt sie in der Hand; sie war fast verwelft; und er verlockte sie, sie sollte mit ihm herauskommen und noch viele pflücken.

Aber sie wollte nicht; und sie erklärte ihn zum zwanzigftenmale, wie viel flüger es wäre, wenn sie so lange als möglich bei Madam bliebe, so konnten sie eher daran denken, zum Herbst zu heiraten.

Svend hörte ihr ruhig zu, und so tamen sie bon Ede zu Ecke über den Hügel hinter der Stadt. Aber als er sie so weit bekommen hatte, faßte er sie um den Leib und sagte: 1,, Sei nun nicht dumm, Else! was willst Du dort unten in dem schwarzen Krankenhaus! sich doch, wie frisch und schön es hier ist."

Er war wieder von der Sonne braun geworden; das warme Zigeunerblut stieg ihm in die Wangen, und die Zähne Leuchteten im Halbdunkel. Sie konnte ihm unmöglich wider stehen, wie er so teck und reisefertig dastand und glücklich und gedankenlos lief sie mit ihm fort in die stille, wunder­schöne Sommernacht.

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" Ich sagte Ihnen das im voraus, Fräulein Falbe," rief Madam Späckbom halb bitter, halb triumphierend; sie bleibt hier- sagte ich accurat bis sie gesund ist; dann läuft sie davon, denn das Blut kenne ich!- und außerdem höre ich jekt, daß er ihr Bursche von Zigeunern stammt; hätte ich das nur ahnen können, so hätte er nie die Erlaubnis be­tommen, sie an dem unseligen Abend zu begleiten."

Es könnte doch noch sein, daß sie zurückkommt," wandte Fräulein Falbe ein.

" Ja, sie soll es bloß probieren!" rief Madam drohend. Aber Madam Spädbom! Sie wollen doch nicht die Hand von ihr ziehen?"

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" Ja freilich, will ich das-Fräulein Falbe! so wahr ich Karoline Späckbom heiße! Es wäre Sünde und Schande dem zu helfen, der keine Hilfe will; es giebt wahrlich genug, die es nötig haben."

" Ja, aber die, welche keine Hilfe wollen, brauchen sie doch gerade am meisten."

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Elfe und Svend paßten zu einander, erwies sich als nur allzu wahr. Sie waren just gleich leichtsinnig, gleich genuß­süchtig und gleich untüchtig zu verdienen.

Svend war in der letzten Hinsicht der bessere, aber er vertrant alles gleich.

Floh schlug sich eine Weile durch, indem sie eine nach der anderen von den wohlthätigen Damen zum Narren machte. Aber als das zu Ende ging, war sie in der ganzen Stadt so übel berüchtigt, daß sie keine Stelle wußte, an die sie sich wenden konnte.

So verließ sie Svend und folgte einem anderen, der gerade einige Schillinge besaß, kam zu ihm zurück und verschwand wieder, so daß niemand recht wußte, wo sie sich aufhielt.

Selbst Fräulein Falbe verlor sie aus den Augen. Aber bei Herrendiners pflegte der Polizeimeister Floh zu nennen als ein Beispiel, wie ungemein schnell die Frauenzimmer vom einfachen Volk zu Grunde gehen, wenn sie erst auf Abwege kommen. Und die Herren stierten melancholisch in die Champagnergläser und unterhielten sich darüber, wie gering die moralische Straft bei den unteren Klassen wäre.

und

Mit Elfes Denken und Träumen war es zu Ende; sie fühlte weder Scham noch Reue.

Von Tag zu Tag focht sie sich durch das Elend; sie lachte, wenn es mit Essen und Trinken lustig ging, und trieb sich in der Stadt herum, wenn sie in Not war.

Schließlich sant sie herunter bis zu einer Art Kellnerin in einer Kneipe unten im Hafen, wo sie mit fremden Matrosen Bier trant. VI.

Der Vormittag des Christabends war ein geschäftiger Tag für die ganze Stadt und nicht zum wenigsten, für die guten Damen, welche den Armen bescherten.

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Fräulein Falbe pflegte mit Weihnachten nicht so start be­schäftigt zu sein; denn verkehrt und absonderlich, wie sie in allem war- pflegte sie das Wenige, was sie hatte, bis nach Weihnachten aufzuheben.

Sie durchsuchte die Stadt kreuz und quer, denn sie hatte es sich durchaus in den Kopf gesetzt, Elfe zu finden. sat Es war über einen Monat her, daß das Fräulein sie gesehen hatte; aber heute da alle froh waren und es sich wohl sein ließen, konnte sie die arme Else nicht aus ihren Gedanken bannen, und sie suchte nach ihr oben und unten in allen Löchern und Schlupfwinkeln der Armen.

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Erst spät am Nachmittag, als sie es fast aufgegeben hatte, traf sie Floh plöglich an einer Straßenecke.

Fräulein Falbe hatte oft gesehen, wie Schönheit, Jugend und Anmut zu Grunde gehen, wenn man Flohs Weg geht, aber etwas derartiges hatte sie nie vorher gesehen.

Aber sie gehörte nicht zu denen, die sich erschrecken lassen. Mit festem Griffe nahm sie Floh am Arme und sagte ruhig, als ob nichts vorgefallen wäre: Guten Abend, Else! das ist schön, daß ich Dich traf. Willst Du nicht kommen und heute abend Weihnachtsgrüße mit uns essen?"

"

Floh sah auf. Einen Augenblick flammte es von Trop und Frechheit in den großen glänzenden Augen; aber plötzlich brach sie zusammen und ging schluchzend einige Schritte, indem sie sich auf Fräulein Falbe stügte.

,, Entschuldigen Sie, Fräulein Falbe! aber da liegt fein Sinu drin; zuweilen sind Sie allzu flug und gelehrt- ganz ganz ad Elfe trug ein braungewürfeltes Tuch und nichts auf dem wie Doktor Bentzen;- ja, das will ich sagen, Sie sind Kopf. Mager und grau war sie im Gesicht geworden, und tausendmal besser- in jeder Hinsicht ja, da kann kein wie sie gebeugt ging und weinte, war ihr Hals so dürr und Vergleich sein!". sette Madam hinzu, ganz erschreckt eingeschrumpft, daß niemand ahnen konnte, daß sie noch nicht darüber, wie sie dazu gekommen war, das vortreffliche Fräu- 20 Jahre alt war. Es waren nur noch ihre Augen- die lein Falbe mit etwas so Abscheulichem wie Doktor Benzen großen glänzenden Augen, welche immer größer wurden, je zu vergleichen.- mehr das Gesicht seine Fülle verlor. Es war ein harter Winter für die armen Leute. Es galt, für die armen Leute. Es galt, Sie konnte nicht antworten; sie versuchte es nicht ein­sich einer der wohlthätigen Damen zu versichern, welche von mal; und Fräulein Falbe fuhr fort, ohne eine Antwort ab­den verschiedenen Vereinen Hilfe brachten. Und die Hilfe zuwarten: Ich sagte zu Christian, als ich ausging, daß ich tam zu vielen und that gut, wo sie hinfam. Dich mitbringen würde, wenn ich Dich träfe. Punkt sechs komme ich heim; ich muß nur hinaus zur Mühle zu einer franken Frau. Dann wollen wir zusammen Thee trinken und Weihnachtsgrüße essen. Du kannst gut bei uns schlafen, ich werde für Dich auf dem Sofa in der Stube zurecht machen."

Aber es gab auch solche, denen es nicht glückte, Hilfe zu bekommen, und viele, zu denen die Hilfe nicht hinuntersteigen wollte. Denn da, wo Laster sich mit Elend vereint hatte, konnte die Hilfe gar bald zum Fluch werden, und es war Sünde, das Brot den würdigen Armen, die mit Thränen und Segenswünschten dankten, zu entziehen.

Jane Floh bekam keine Hilfe mehr; alle nacheinander wurden ihrer müde. Als sie und Svend im Spätherbst aus der Ziegelei fortzogen, lebten sie eine Woche lang von den Resten feines Sommerverdienstes; aber als das vorbei war, hatten fie gar nichts.

Denn das, was Madam Späckbom einmal gefagt hatte:

Else drückte ihre Hand. Sie standen hinter einer hohen Steintreppe, wo es ganz dunkel war, und Fräulein Falbe faßte fie um den Leib und sagte: Du mußt mir fest ver sprechen, daß Du kommen wirft, Elfe."

" Ja, Fräulein! ich werde kommnen," antwortete Else fest und sah auf. lod

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Dante- jekt warst Du ein nettes Mädchen." rief