Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Mittwoch, den 10. Januar.
( Nachdruck verboten).
Das Weiberdorf.
Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Am Wirtshaus trafen sie sich alle; Lorenz war der letzte, sie foppten ihn, daß er sich nicht hatte trennen können. Auch viele Frauen und Mädchen waren hier, die den Männern das Geleit geben wollten; mit verstörten Gesichtern und fröftelnd standen sie umher.
1900
Gegen den Schluß fiel der Gesang schon etwas auseinander, die Weiber schluchzten, der einsame Busch war nah; da war manch einer, der ein wenig zurückblieb und die Seine auf offener Straße umfing.
Die junge Tina hing Thomas Laven am Hals; er hatte fie in den Chausseegraben, hinter ein vorspringendes Stück funkelten ihr im Kopf, bei ihren Stüssen biß sie, bei ihren Umels gezogen, da küßte er sie noch ordentlich ab. Die Augen armungen kniff sie; inumer, wenn sie ihn schon losgelassen hatte, stürzte sie sich noch einmal auf ihn. Oben, längs der Chaussee, auf der Höhe von Schwarzen Rock:„ Komm chs, Tina!" Ihre kleine Schivester, die mitgelaufen war, zog sie am born, stand ein Busch, wie ein Haarschopf auf kahlem Scheitel; Frech Dingen!" Ein Schlag brannte auf der Wange der Rock:„ Komm chs, Tina!" das war die Grenze, so weit gingen sie immer mit. Da war schon mauche Thräne auf den nackten Felsgrund gefallen und Kleinen, aber diese ließ nicht nach, sie zerrte die andere am der einsame Busch hatte wie eine dornige Wand legte Um- Rock, dabei spizte sie den Mund und lächelte den Burschen an:„ Adjes, Thomas!" Der füßte zuletzt das hübsche Kind Niklas Deuzborn kommandierte zum Abmarsch; es war auch noch. d hohe Zeit. Noch ein Schluck aus der Branntweinbuttel, die Die Kathrin Denzborn reichte ihrem Mann nur die Hand, der Strummscheidt in die Runde reichte, und dann Boran dann machte sie das Zeichen des Kreuzes: Jesus ! Maria! Josef! Dattste gesond widder fömmst! 30 Weihnachten- gemaach!" Seine Frau am Arm, ging der Denzborn voran. Die bergeß net! för ons Trautche an Kleid von Kattong Kathrine hatte schon manches Mal Abschied genommen, die ( Rattum), sechs Ellen äwer, dat de Farf net schanschört berzog keine Miene. Bald war ihr ältester Sohn fünfzehn,( changiert)! On för mech en Gedrocks, elf Ellen, et es nor fünf Bärtel breit. Adjes, Nikla!"
armungen versteckt. role
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dann wanderte der auch mit. #Trapp- trapp Hart tönen die Schritte auf dem holprigen Dorfpflaster. Trapp- trapp- das klingt wie Hammerschlag auf einem Sargdeckel. Haus nach Haus vorüber; verödet bleiben sie alle zurück. Leer sind die Gärtchen, thränenschwer nicken die Blumen am Zaun.
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Stumm schritten sie die Straße gen Schwarzenborn hinan. Alle Gesichter sind grau, alle Blicke trüb, traurig suchen sie den Himmel; oben auf dem Scheitel des Berges ragt der einsame Busch. Eine gelbliche Helle ist um ihn, die ihn dunkler erscheinen läßt, faft schwarz; scharf hebt er sich ab vom weiten Hintergrund des Himmels.
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alles Grau der
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„ Adjes, Kättche! Hä, allons", schrie der Deuzboru. Lorenz wandte sich noch einmal zurück und schaute ins Thal hinunter; er schwenkte seinen Hut, eigentlich war ihm mun schon ganz leicht ums Herz. Adjes, Bäbb", murmelte er, und dann pfiff er hell. Da lag die Welt, sonnbeschienen; vor der Arbeit scheute er sich nicht, Pläfier gab's auch, zu Weihnachten kam man schon wieder nach Haus denn grämen?!
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warum
Küsse, Umarmungen, Abschiedsblicke, Abschiedsworte. " Adjes, bring mer ebbes Schienes met!"" Schreiw als bal." " On Dau oach!"" Bleiw gesond!" Grüß ons Könner!" Händeschütteln, Nicken, Winken. Trapp, trapp, fort geht's! Trapp, trapp! Hohl verklingen die Schritte, hinter der nächsten Erdivelle sind die Männer verschwunden.
Und dieser Hintergrund färbt sich röter und röter; die wie träumend hingelagerte Wolfenschicht belebt sich, bewegt sich, wird durchschoffen von rosenfarbenen Bändern, von eine verlassene Herde. Der herbe Morgenwind wehte scharf Allein. Da standen sie nun um den einsamen Busch, goldenen Linien, von feurigen Bligen Wolfen ist schon verdrängt. Eine Flamme loht auf, voll, übers fahle Plateau; er blähte die Röcke der Frauen, daß sie start, großriesengroß sie leckt himmelan mit gierigen flatterten wie Flaggen, in der Not gehißt. Zungen, mit Windesschnelle greift sie um sich; auf dem Eweil sein se weg", sagte eine und starrte trübselig hinter Gipfel des Berges entfacht, schlägt ihre Todernde Glut höher den Entschwundenen drein.
und höher, breitet sich weiter und weiter.
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IV.
Der Busch ist eine Fackel; jeder Zweig ist feurig durch- Beter Miffert saß vor seiner Thür auf dem Bänkchen. glüht, jeder Dorn, jedes Blatt. in den Hosentaschen; behaglich schabte er den Rücken an der Die Beine hatte er weit von sich gestreckt, die Hände hielt er fonndurchwärmten Hauswand.
Er brennt, er brenut! Der Himmel brennt! Der ganze Berggipfel brenut! Ein Riesenbrand ist entglommen, staunend schauert die Erde! ein Riesenvorhang verhüllt den Himmelda- jekt jetzt hebt er sich, er zerteilt sich ruhig, in majestätischer Größe fchwebt ein Ball empor, hinter'm Gelsgrat, eine goldne Scheibe, eine Welt voll Glanz die Sonne!
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Ueber Schwarzenborn stand die Sonne, und sie wanderten mitten hinein in die Flut von Licht. Der Goldglanz fiel auch auf die grauen Gesichter; die der Männer erhellten sich, die Frauen bedeckten die Augen mit der Hand.
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Boran, gemaach," rief der Deuzborn und hob mahnend Hand, de Sonn!"
Und Lorenz stimmte den Abschied" an; er mußte fingen, da saß was auf der Brust und in der Kehle, das mußte weg. Er schmetterte der Sonne entgegen:
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„ Der, der, der, on der Abschied fällt mir schwer! On die, die, die, on die Abreiß noch viel mehr!
Also fällt mir dieser Trost noch ein,
„ Ech fann net immer an einem Ort sein,
" Mein Glück muß ech probieren,
Marschieren!"
Sie sangen alle mit:
" Hinaus, hinaus, zum éngen Thal hinaus!
Wir haben hier gehauset im besten Sans und Braus; " Wir wünschen euch zu guterlegt
"
Ein andern, der die Stell ersetzt,
Damit sei'n alle Wunden
Verwunden!
hatte sie sich gefangen und kochte und brütete da wie in Still war die Luft, sehr heiß; zwischen den Bergwänden einem Steffel. Kein Windchen rührte sich, die Bäume regten fein Laub, lautlos schlängelte die Salm ihr sehr schmal gewordenes Silberband gen Himmerod hin.
drang kein Ruf, fein einziger Hall. Im Sonnenbrand lag Hier herauf zur letzten Hütte, abseits von allen übrigen, weiter unten das Dorf, ohne Leben, wie verfunken in einen flimmrigen Licht, duckten sich schen im engen Thälchen. Märchenschlaf; seine kleinen weißen Häuser, blendend im
schweren Lider fielen ihm noch tiefer über die Augen, die Peter dehnte und rekelte sich; danu saß er ganz still, die Müge rutschte ihm bis auf die Brauen, er gähnte, daß man seinen allerhintersten Zahn sah. Willenlos wackelte sein Kopf nach der linken, nach der rechten Schulter, dann fank er ihm auf die Brust. Pittchen schlief.
Frau Zeih war heut nicht zu Hause; ein Reisender in Knöpfen, Ligen und Kleiderstoffen hatte das Dorf passiert, auf dessen Wagen war sie in aller Frühe mit dem Kind zu ihren Verwandten nach Manderscheid gefahren. Sie hatte die Gelegenheit benutzt.
Peter hatte sie vors Wirtshaus gebracht und abfahren sehen, hatte dann beim alten Krummscheidt einen gekippt und war dann langsam nach Hause geschleudert, um die Ziege und die Hühner zu füttern. Eben wollte er sich davon erholen, da tam der Hubert, der Enkel vom alten Steffes, gerannt: Der