Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 14.
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Sonntag, den 21. Januar.
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1900
Bittchen" schon hing sie schmeichelnd an seinem Arm-
( Nachdruck verboten). ,, faaf mer noch ebbes!"
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Ohne etwas zit sagen, schüttelte er verneinend den Kopf. ,, Dau moẞt! Bittchen, nor e flaan Andenken!" Schnell sah sie sich un, dann strich sie ihm rasch über die Backe, ihr Ton war bittend:„ Bittchen!"
,, Ech haan te Gäld!"
Dau Lappes!" Sie fließ ihn von sich, daß er gegen die Hauswand taumelte.
Das Weiberdorf. Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Peter zögerte noch einen Augenblick. Horch, wieder schlug der scharfe, gellende Sammerschrei an sein Ohr! Das Blut wich ihm aus dem Gesicht, sein Herz sette den Schlag aus; ein Graufen fam ihn an. Noch deutlich stand ihm die Stunde vor Augen, in der das Josephchen geboren worden; aber da hatte die weise Frau am Lager gesessen, ein Strom der Beruhigung ging von ihrer gewichtigen, geheimmis mivobenen Persönlichkeit aus, sie hatte den fetten Zeigefinger im Zimmer. erhoben: Dat dao kömmt e su leicht dervon wie en Stat! Bittchen, tocht mer en Staffee!"
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Und jene da, abseits in der Rammer neben dem Stall, lag verlassen wie ein hilfloses Zier. Peter rannte weiter, er konnte das Zammern, das jetzt in ein ruaweises Stöhnen überging, nicht mehr anhören; das Herz wurde ihm davon zusammengepreßt und die Tropfen herausgequescht. Sie traten ihm in die Augen.
Geld, Geld! Ja, wer Geld hatte, der konnte sich alles gewähren, auch Hilfe in der Not. Der brauchte nicht zu leiden.
Geld, Geld! Eine Gier überkam ihn. Er fuhr sich in die Tasche verflucht, nur ein paar lumpige Kupfer pfennige drin!
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Ja, wenn da Thaler geklappert hätten, harte Silber thaler, dann konnte er der Zeih ein Kleid kaufen noch mehr alles was ihr Herz begehrte! Dann würde die nicht im Wirtshaus fizzen und dem Reisenden um den Bart gehen, sie würde nicht mehr schmollen, nicht mehr weinen, nein, sie würde die Arme um seinen Hals schlingen und unter Küssen flüstern: Bittchen, mein auziger Schatz, wat haon ech Dech liev!"
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Der Schiveiß trat ihm auf die Stirn, tropfte herunter und vermischte sich mit dem Naß seiner Augen. Und dabei überlief ihn ein Frösteln. Mir sein arme Leit", hatte die Schneidersch gesagt.
„ Arme Leit- armes Pittchen" pfiff der Wind ihm entgegen. Wie mit Geisterhand strich es ihm übers Gesicht. Wenn die Bäbbi mun nikam da hinten in der verlassenen Stammer? Wenn die Zeih ihm untren wurde?! Er schüttelte sich wie in Fieber, eine unbezwingliche Angst packte ihn und zugleich ein Grimmt. Er ballte die Fauft im Sack in ohumächtiger Wut. Geld, Geld!
Immer noch hörte er das Jammern, es mischte sich mit dem Sausen des Waldes und dem Brausen der Salm. Zweifelud unschlüssig staud er. Sollte er nicht hinlaufen nach Oberfail und auf eigene Fauft die weife Frau holen? War es nicht Menschenpflicht, Christenpflicht? Würde ihm die Gut that nicht vergolten werden vom Himmlischen Vater, schon hier auf Erden, bald, jetzt?
... Hahaha!"
Wer hatte da gelacht?! Erschrocken fah er sich um, das cigene Hohugelächter gellte ihm in den Ohren. Der da oben ja, das hatte sich was mit der
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haha
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Vergeltung! Die gab's nicht.
Er hatte ein Hungerleben geführt, seit er denken konnte. War's nun nicht endlich Zeit, daß er in der goldenen Rutsche fuhr und seiner Zeih Kleider kaufen konnte, so viele die wollte? Die Zeih, ja die hin, schnell! Der mußte er das Scharinuzzieren legen. Nur schnell, schen, was die machte! Dann hin nach Oberfail.
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Dicht vorm Wirtshaus stieß er auf Tina. Sie trug einen Ramm mit großen blanen Steinen im Haar und ein bunt schottisches Knüpftüchelchen um den Hals. Sie schleuferte den Rock und drehte sich; sie wurde alle Tage hübscher, das sah er doch.
Bittchen," rief sie und lachte, daß ihre Zähne blikten. .Eweil sein ech fein, gäl? Dän Stamm haon ech gekaaft, dat Düchelchen" jie verdrehte die Augen in der fruchtlosen Anstrengung, sich selber zu bewundern„ dat haon ech anfritt."
Maauswäjen," brummte er.
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Mißmutig trat; er in die Schenkstube. Da saß der Reisende auf dem einzigen Polsterstuhl des Hauses, und auf der Bank, dicht neben ihm, die Zeih. Sonst war fein Mensch
Eine Flasche Erdener halten sie vor sich, eine geleerte stand schon am Boden. Der mußte der Zeih fleißig eingeschenkt haben, sie glühte wie ein roter Mohn, ihre Augen waren kleiner geworden und schwimmend.
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Als sie ihren Wann erblickte, sprang fie freudig auf: PBittchen! Eweil kommste?! Hähr Reisender" vertraulich legte sie ihre Hand auf den Arm des Herrn wollen Se etveil net su gut sein, on Ihr Mustren nehme gichn? Dat Bittchen es hei, for dat Meid zo laafen!"
War fie toll? Peter zupfte sie am Rock; er riß ihn ihr fast aus den Falten, sie hörte nicht. Beide Ellbogen auf den Tisch gestemmit, studierte sie das Musterbuch, das ihr der Reisende vorgelegt hatte.
,, Dat rute oder dat blane? Wat es nau schiener?" Sie Tegte zweifelnd den Kopf auf die Seite.
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Nehmen Sie das blaue", redet der Reisende zu, die Elle fostet nur ein Sastemännchen( 22 Sgr.) mehr. Sie haben dafür aber ganz andere Ware. Ein Kastemännchen spielt doc) feine Rolle!"
Nä", sagte Lucia.
Beter gab ihr einen Buff. Biste gäd?" cannte er ihr zu. Also das Blaue?" fragte ter Reisende.
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Dat Blaue. On wievill Ehlen haon ech netig?" „ Siebzehn. Pro Elle fünfzehn Silbergroschen, macht fünfundzwanzig Mark fünfzig Pfennig, oder die neue Währung werden Sie hier noch nicht so recht fapieren- acht Thaler fünfzehn Silbergroschen. Für dieses Kleid ein Spottgeld!"
Jao, dat es et aach! Gäl, Bittchen?". Freudig erregt drehte sich Lucia nach ihm um.
„ Acht Thaler-?!" Er stand betroffen! Acht Thaler! Die Stube schien mit ihm herumzutanzen, es schwindelte ihm. Acht Thaler woher sollte er die nehmen! Gäl, Pittchen, mei nei Kleid cs wonnerschien?" Sie jauchzte fast.
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,, Kommt clvcil kann ech net echnet heit, en annermal villeicht morjen", murmelte er vertegen. Er faßte über ihre Schulter und schlug ihr das Musterbuch vor der Nase zu: Pisac mech net e su!" Und dann klang seine Stimme rauher, ganz heiser: Ech haon ke Gäld ."
Ach was!" Der Reisende lächelte. Für so'n hübsches Weibchen muß man immer Geld haben!"
Das verdammte Lächeln! Peter trampfte die Hände ineinander und riß sie wieder auseinander, daß alle Gelenke fnackten. Lncins Blick ruhte flehend auf ihm; jegt glaubte er eine gewisse Verachtung darin zu entdecken, jegt wendete sie ihre Augen ab. Ihre Brauen waren zusammiengezogen, ihre Lippen aufgeworfen; fie fehrte ihm den Rücken. " Zeih, hör ehs!"
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Sie gab gar nicht acht auf das, was er sagte. Sic stand dicht vor dem Reisenden der war ein großer, hübscher Mann und paßte gut zu der großen, hübschen Frau und flüsterte ihm etwas zu.
Was hatten die miteinander zu tuscheln?! Ats wäre der Ehemann gar nicht da, so ungeniert benahmen sie sich. Immer dichter steckten sie die Röpfe zusammen.
Beih!" Bitternd stieß Pittchen ihren Namen hervor. Der Reisende lächelte und Lucia kicherte. ..Eweil maachste en End!" Miffert schlug auf den Tisch, daß die Gläser klirrten.
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Seien Sie doch nicht ungemütlich!" Der Reifende zwinkerte der jungen Frau zu und klopfte den Erregten auf die Schulter. Ich bitte Sie, Herr Miffert, was ist denn da