Anlerhaltungsblatt des vorwärts Nr. 20. Dienstag, den 30. Januar. 1900 (Nachdruck verboten). 20l Das LVeibevdovk. Kornau   aus der Eifel   von Clara Viebig  . BoNvurfSvoll blickte Lucia Miffert am andern Morgen in der Soinitagsmesse zur Kirchenwölbung auf, an der ein grofjes Loch die Stelle zeigte, wo der Kronleuchter gehangen. Dan," inurinclte sie drohend und ballte die Faust in den Falten ihre?' KleideS  brauchst bau erunner zo porzeln, konnste nct waarten bis niorjeu? Eweil war hän heit met wer nao Oberkail I" So war mit dem Peter nichts anzufangen; der bastelte den ganzen heiligen Sonntag in feiner Werkstatt und wurde unwirsch, wenn man ihn störte. Sie betete recht angelegentlich zur Jungfrau Maria wenn die ihr doch Einen schickte, der sie mitnähme! Am frühen Nachmittag wirsch und strahlte sie sich noch einmal: die Haare glänzten ihr wie Seide auf dem wohl- gesonnten Kopf,- das Kleid sah doch noch erträglich ans, nun sie es mit einem Spitzenkrägelchen, von einer gelben Band- schleife geschlossen, ausstaffiert' hatte. Mit Wohlgefallen guckte sie in den Spiegclschcrben. Hei. wie die Ohrringel blitzten, wie Pures Gold 1 S' war zwar nur blank geputztes Messing, ein Hausierer hasti; ihr die Ningelchen einmal eingetauscht gegen. alte Lumpen; freilich ein paar Handvoll Federn ans dem Bett hatte sie auch mit drcingeben müssen. Mib naiver Freude besah sie sich lange, dann trat sie vor die Hausthür, stemmte die Arme in die Seiten und lugte aus. Jesus  . Maria Josef  , wer kam denn da mit Säbelgerassel die Dorfstraste herauf? Sie traute ihren Augen nicht einen hellen Freudenschrei sticst sie anS das war ja der schöne Gendarm von Oberkail  ! Ihr Kleid raffend, sprang sie in grasten Sätzen ihm ent­gegen dast ihr nur keine zuvorkam! Die einsame Dorfstrastc hatte sich plötzlich belebt, aus allen Fenstern fuhren.Köpfe Thüren klappten Rufen, Laufen, Lachen mit Zauberschnelle war Leben, wo eben noch alles ausgestorben erschienen. Da war schon die Tina! Die Brun und die LeiS! Die kleine Villa kam auch gerannt, und noch ein ganzer Schwärm. Der schöne Gendarm versandte rechts und links freund­liche Blicke aus seinen blanken Augen und lachte über das ganze runde Kindergesicht. daß sich die Grübchen in seinen Backen zu zwei Löchelchcn vertieften. Wen suchte er? Nun war Lucia bei ihm.Hahr Schandarm, Hähr Schandarm," stammelte sie atemlos mit ihrem strahlendsten Lächeln. Verfluchtes Schwein pardon, wollte sagen: riesiges Jlück!" Er legte zwei Finger an den Helm und betrachtete sie nrit der Miene eines Eroberers.Ich dachte jrade an Sie. schöne Frau!"' Er gab sich Mühe, das ein wenig von oben herab zu sagen: aber im Grunde war er so erfreut über die Begegnung, daß er schnrunzelnd den Mund breit zog. Er-strich sich unternehmend den Schnurrbart.Riesig erfreut I" Es et waohr?" fragte sie treuherzig. Die Häuser tanzten vor ihren Augen einen wiegenden Walzer, ihr Herz klopfte in kindischer Glückseligkeit den hatte ihr die Jungfrau Maria geschickt! Sie waren, bald einig. Der schöne Gendarm hatte in Eifelschmitt beim Krunnnscheidt als dem Ortsvorstand' etwas zu thuu gehabt; das sagte er aber nicht, er behauptete, einzig und allein nur gekommen zu sein, um die schöne Zeih zum Tanz abzuholen. Nun wollte er auf sie warten, unten am Berg, loa das Fußfällchen(Heiligcnhäuschen) steht. Vor Freuden hüpfend, eilte sie zurück in ihre Hätte; sie süßte und bekreuzte das Josephchcn in der Wiege, wickelte es fest ein, dast es sich nicht rühren konnte, und steckte ihm den Zulp mit gekautem Brot ins Mäulchen. Jetzt rasch ein Tuch um die Schultern gehängt und dann an die Kammerthür geklopft:Pittchen, adjes l Ech giehn dettveil l" Drinnen fuhr einer, erschreckt auf wie aus tiefem Schlaf, man hörte den' Schemel  'umpoltcrn. Ech giehn nao Oberkail, adjesl" Sie wartete keine Gegenrede ab, schnell war sie auf und davon: die Thür ließ sie in der Eile'Offen, ein starker Zugwind blies ins HauS. Als sie mit-ihrem Begleiter- die Höhe gen Schwarzenborn  hinaufstieg, folgten ihr viel neidische Blicke was wollte die denn mit dem? Die hatte ja zu Hause einen Mann! Die Weiber standen zusammen, Enttäuschung und Aerger in den Mienen, und schmählten hinter ihr drein. Heute wurde sie von allen gehaßt. Tina sagte, gegen ihre sonstige Gewohnheit, wenig: sie lahmte merklich mit dem linken Fuß, auf den hatte ihr die Zeih gestern den Schemel geschmissen. Da hatte sie ordentlich Respekt bekommen. Als es dunkelte, schlich sie sich zu Mifferts Hütte, sie hörte ihn drinnen poltern und fluchen. Vor einer Viertelstunde war Peter aus der Kammer ge­kommen: sein blasses'Gesicht zeigte scharlachrote, abgegrenzte Flecken auf den Backenknochen, seine Augen, die tief in den Höhlen lagen, glänzten übernatürlich. Zeih", schrie er aufgeregt,Zeih I" Für heute war er fertig, und nun mußte er einen Menschen haben, mit dem er reden konnte,> nerlei was, nur reden I reden! Eine wilde Unruhe quälte ihn innerlich. Zeih l" schrie er, daß die Wände widerhallten. Sie ant­wortete nicht, nur das Josephchen wimmerte halberstickt in seiner festen Umwicklung. Die Thür stand sperrangelbreit offen, eiskalt war's in der Stube die Zeih nicht da. Wo war sie? Verstört fuhr er sich über die Stirn hatte sie's ihm denn nicht zugerufennao Oberkail" Wie ein Keulenschlag traf es ihn ins Genick. Er brüllte auf:Nao Oberkail!" Und mit wem? Hatte er denn keine Ohren gehabt. keinen Verstand?! Wie ein Wahnsinniger rannte er in der Hütte umher. Stach, ihr. nach! Er wollte sich an- ziehen und fand seine Sachen nicht, wütend warf er alles durcheinander: am liebsten hätte er geweint wie ein altes Weib. Da kam Tina.' Erst war er grob, sie ließ sich nicht abschrecken: schlau wie ein Kätzchen umschmeichelte sie ihn. Sie küßte ihn und streichelte an ihm herum, sie sah schön aus in dem Sonntags- kleid und mit dem goldenen Kamm in den Haaren; frisiert war sie wie ein Fräulein. Er wurde schwach. Und hatte er denn nicht versprochen, sie mitzunehmen. Sie drängte ungeduldig zum Aufbruch. Nur so viel Zelt ließ sie ihm noch, daß er von neuem Feuer anzündete und das Kind loswickelte die Zeih hatte es ja eingepackt, daß es ersticken mußte. Dann gingen sie miteinander fort, aber Peter verschloß das Hans sorgfältig und legte sogar die morschen Läden vor. Sie waren kaum zwanzig Schritt weit, da rief die LeiS sie an: die hatte wohl hier auf der Lauer gelegen. Sie war vollständig zum Gehen gerüstet, nur die schönen blonden Haare trug sie unbedeckt, wie goldig umstrickende Fäden wehten sie im Herbstwind. Sie sagte, sie wolle auch nach Ober- kail und schloß sich ihnen an, ohne weiter aufgefordert zu sein. Die schwarze Brun war auch nicht weit. Wenn Tina auch noch so ein wütendes Gesicht machte, die beiden stahlen sich an Pittchens andre Seite. Und so fanden sich ihrer noch mehrere ein. Die Stesses kam dahek,'ganz sittsamlich ihr Hubertchc an der Hand führend. gleich darauf die Traut, die immer noch ein besonderes An» recht auf Pittchen geltend machte, von früher her. Als sie endlich die Chaussee gen Schwarzenborn   hinauf- stiegen, trabte Pittchen inmitten von zehn Weibern als letzte hatte sich die kleine Bill eingefunden, atemlos war sie nach- gerannt in ihrem flatternden kurzen Nock:Tina, waartl Waart 1" Sie kreischte immerfort:Helao, ech saon et! Dau sollst net allein giehn I Tina, Tina l" Zuletzt hängte sie sich demPeter an den Rockschoß.-- Die letzten Lichter von Oberkail   schimmerten wie ver-