Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 21.

routis

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Mittwoch, Mittwoch, den 31. Januar.

add( Nachdruck verboten).

Das Weiberdorf.

Roman aus der Eifel   von Clara Viebig  . Lustig, lustig! So toll hatte es der Peter noch nie ge­trieben; fein lahmies Bein schien vergessen, er sprang wie ein jähriges Rind, immer gab ihm was inwendig einen Beitschen­schlaghi, hott, trab, trab!" Gestachelt von Eifersucht, geschmeichelt von der Bewunderung, gejagt von was war es uur, das ihn so anhette?

und die Traut

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Er schwang die Tina und die Leis, er schwang die Brun Erst gab es ihm einen schmerz haften Stich, wenn er sah, wie der Gendarm und die Zeih fich gar nicht losließen; dann ging alles unter in einem wilden Dusel.

Der letzte Groschen von dem Vorschuß, den er vom geist lichen Herrn auf seine Arbeit erbeten, war verjubelt; was fümmerte es ihn, er schrie immer weiter nach Bier, Schnaps, Wein und ließ es auf Rechnung schreiben.

Jede drängte sich dazu, mit ihm zu tanzen, jeder mußte er zutrinken. Rechts hatte er die Tina neben sich, um den Platz an seiner Linken stritten sich Brun und Leis erbittert mit der Traut; zuletzt wurden sie dahin einig, sie faßen nach einander ihre Zeit ab. Sie schmeichelten ihm alle, er that mit jeder schön; gulegt konnte er sie nicht mehr von einander unterscheiden. Keine nahm's ihm übel, sie waren schon alle halbvoll.

Billa   war zuerst abgefallen. Sie fing plöglich, mitten im Lachen, laut an zu weinen, legte den Kopf auf den Tisch und schluchzte, daß es sie stieß. Als jemand nach einer Weile sie aufrichten wollte, sank sie wieder schwer bornüber; sie schlief fest, unbekümmert um das dröhnende Gelächter der andern und das Gedudel der Musik.

Pittchens Augen starrten trüb und glasig wie die eines toten Schellfischs; er sah nicht mehr, daß der schöne Gendarm drüben mit Zeih in einer Ecke saß und ihr Wein und Kuchen bestellt hatte.

Er riß Wige, lachte, schlug auf den Tisch und wurde zu­Teht windelweich. im Der Kampf des Abends wurde auf der mitternächtigen Straße fortgesetzt. In der schwarzen Finsternis gab es heinliche Tritte und Büffe, alles still, ohne Laut. Jede suchte die neben sich von Pittchen wegzudrängen; sie warfen ihn fast um.

Peter war schiver betrunken. Er war kein Gewohnheits­fäufer, die Male fonnte er zählen, die er in seinem 35jährigen Leben bezecht gewesen; aber in legter Zeit warfen ihn schon ein paar Gläser um, er goß sie zu aufgeregt, zu hastig hinunter. Join to jed

Willenlos ließ er sich von den Weibern schieben und zerren; wie ein unlöslicher Slumpen hingen sie dicht um ihn geballt. So tamen sie langsam voran.

Nun zeigte sich wieder einmal der Mond. Da fiel's der Tina auf, die Bill fehlte. Nichtig, die hatten sie oben ver­gessen im Tanzsaal! Auch das Hubertche war abhanden ge­kommen; das schlief wohl auch in irgend einem Winkel. Nie mand beunruhigte sich um die zurückgebliebenen Kinder.

Ganz zurück in der Ferne zeigte sich ein wanderndes rötliches Pünktchen, das war die Laterne, die der Gendarm trug; er gab seiner Liebsten bis Schwarzenborn   das Geleit. Sie verabredeten ein Stelldichein für einen der nächsten Tage, dann ließ sich Zeih einen zärtlichen Abschied gefallen und bedankte sich vielmals für alles Pläsier.

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Noch ein Rußjekt rief fie laut nach ihrem Mann, daß es durch die Nacht gellte, und stolperte, so rasch sie konnte, den Vorangehenden nach.-

Ein Ungeheuer, vielfüßig, vielköpfig, aber nur mit einem Leib, so wälzt sich langsam der schwarze Klumpen bergab. Er hat den Weg verloren.

Ueber Gestein und Geröll, durch Acker und Gestrüpp, ohne Pfad rollt er zu That, mit sich fortreißend, was nicht Kraft hat, sich zu wehren.

Allerseelen.

IX.

Die Gräber des kleinen Kirchhofs, draußen an der Straße gegen Himmerod  , waren geschmückt mit Tannenzweigen und

1900

Papierrosen. Hoch hatte sich schon der Schnee auf den Hügeln getürmt und sie alle weiß und gleich gemacht; nun waren sie Sorgfamt reingefegt und geschaufelt, zierliche Streuze, Kränze, Herzen und Buchstaben waren von roten Beeren gelegt und Lichtchen dazwischen hineingesteckt. Aus der erstarrten Erde schien es zu brennen die da unten ruhen, sprechen zu denen oben mit ängstlich flackernden kleinen Flämmchen, die der leiseste Windhauch verlöschen kann.

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Aber kein Wind wehte. Noch einmal war der Winter ge­wichen, über den Bergen die Sonne erschienen; bleich zwar und müde, aber doch eine Sonne. Das hängende, verschrumpfte Laub der Friedhofsrosen schien sich noch einmal zu heben; um die Mittagszeit war es lind und still im Thal, der Himmel zeigte ein blaffes Blau. Allerheiligensommer.

Da haben die Toten- ihren Festtag. Die längst Vergessenen kommen wieder zu ihrem Recht, rühren sich in den morschen Särgen und senden einen Gruß hinauf ins Leben. Aller­heiligen Allerseelen.

Die Weiber von Eifelschmitt hatten ihr Bestes gethan, ihre Gräber waren so schön geschmückt wie die im reichsten Dorf. Schon am Morgen strömte die ganze Schar hinaus zum Kirch­Hof, man sprengte die geschmückten Hügel mit geweihtent Wasser, lag lange auf den Knien und betete für die ewige Ruhe der Verstorbenen.

Am Nachmittag, als sie alle bei Festtagstaffee und Kuchen faßen, schlich sich Bittchen hinaus; er ging gebückt wie ein Alter, und die Schale mit geweihtem Wasser in seiner Hand schwankte.

Daheim faß die Zeih bei dem franken Josephchen und weinte sich die Augen rot; die Gichter plagten das Kind, warfen bald seinen kleinen Leib hoch in die Höhe und reckten ihn dann wieder lang.

Seit jenem Sonntag in Oberfail war das Josephchen frant. Da waren die Eltern spät in der Nacht heimgekommen; ohne einen Blick auf die Wiege zu werfen, torfelten sie ins Bett. Am Morgen lag das Josephchen nackt da, steif und blaugefroren; bald kamen die Krämpfe.

Kreischt net e su," sagte die weise Frau, die Beter in feiner Angst holte, bal hatt Ihr e schien Engelche im Himmel!" Davon wollten die Eltern nichts wissen; An­schuldigungen flogen hin und her, es gab einen heftigen Zant. Der Schluß war, daß sich Peter finster und wortfarg in feiner Werkstatt verschloß, und Zeih betend und weinend an der Wiege verblieb.

Aber bald ertönte ihr Singen, erst leise, dann schallend -die Leute fagten immer bewundernd: Dat Zeih haot en Stömm, om de Duden ufzoerwecken." Sie fang:

d

Hoch uf em Daach, uf em Daach, Haot fedj en Sönd half dud gelaach, sech Et fiel crunner, erunner Rube- de- bub Rube- de- bub!

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dilatie saiust ind d

Das wiederholte sie ein paarmal, beim Refrain stieß sie jedesmal an die Wiege, daß die heftig schaufelte.

Rube- de- bub- Nube- de- bub!" Und dann weinte sie wieder ein Weilchen.s

Beter war nicht so leicht getröstet; wenn er nicht in der Werkstatt steckte, stand er bei der Wiege und starrte finster brütend, mit zusammengekniffenen Lippen auf das kranke Kind.

Heute schlich er wie ein armer Sünder zum Kirchhof; auf den Gräberu seiner Eltern warf er sich nieder und krallte die Finger in die falte Erde. Er suchte eine Zuflucht bei ihnen vor den eigenen Gedanken.

Lange war er nicht hier gewesen, wohl das ganze Jahr nicht; aber nun sollte es besser werden, er versprach es denen da unten hoch und heilig. Und einen Marmorstein sollten sie friegen mit goldener Inschrift, koste es was es wolle, er konnte es ja zahlen. Zahlen!

Er fuhr auf und fah sich scheu um. Wenn er nur den Mut hätte! Er knirschte mit den Zähnen und ballte die kalten Finger zu Fäusten. Den Mut, den Mut! Da lag was in feiner Werkstatt verborgen, nicht Sonne noch Mond hatten es beschienen, niemand hatte es gesehen, und doch ängstigte es ihn Tag und Nacht. Es toute ihn reich und glücklich machen, und doch­