Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Sonntag, den 11. Februar
( Nachdruck verboten).
Das Weiberdorf.
Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Lange hielt Bäbbi ihr Kind mit starkem Arm. Eifelluft, Heimatluft, sie konnte ihm gar nicht genug davon geben! Durchwehen, sich durchwehen lassen von dem reinen Wind, dann wurde man groß und start, und wohnte man auch im Rauch der Städte und sah statt der Bergspigen die Fabritschornsteine
ragen.
"
Buh ons Pappa es, lao sein aach mir zu Haus, gäl, Lorenzche?" fragte sie das unverständige Kind und füßte es zärtlich. Sie dachte an die eingeengten Straßen, au die grane Luft, an das Gestampf und Geächz der Maschinen, und für Augenblicke irrte ein Bangen über ihr Gesicht, aber gleich darauf lächelte sie freudig. Wann hän ons ruft, mir kommen, gäl? Mir giehn zo onsem Pappa ou bringen ihm fein Heimat!"
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ihre Füße tief im heimischen Felsenboden, aber ihr offener Blick ging ins Weite. no lad sist
Sie hob das Kind über sich und schwang es mit einem Jubelruf hoch in die Lüfte: Hei, flieg, Lorenzche, flieg! Er on du on ech, mir hören zufammen. Flieg, flieg!"
Eine namenlose Freude schien über sie gekommen, ihre Stimme erhob sie zu einem langen Jauchzen. Es hallte ins Thal hinunter, drang in die Hütten, weit über's Thal hinaus und verlor sich jenseits der Berge.
Schrei und ein Locken zugleich:„ Kommt, fommt!" Es klang wie ein Weckruf:„ Auf, auf!" Wie ein anfeuernder
Strahlender Glanz lag auf Bäbbis Gesicht, strahlend wie die Lichtflut, die die Sonne mit letter Straft auf ihren blonden Scheitel goẞ.
Starken Schritts stieg fie zu Thal, kraftstrokend und siegessicher.
Tief im Thalhintergrund lagen die mächtigen Ruinen von Simmerod schon schwarz im Abendschatten, während die Eichelhütte mit ihren weißen Mauern noch wie ein freund licher Stern am dämmerigen Waldrand glänzte. Alles still, Als hätte sie schon zu lange gesäumt, sprang sie auf. fonntäglich, friedlich. In einer weihevollen Feierstimmung Schade, daß heute Sonntag war, am liebsten hätte sie gleich schritt Bäbbi dahin.... Da, horch! Stimmen schallten zu weiter geschafft. Arbeiten ohn' Unterlaß, nicht müde werden! ihr herüber, umven der Eichelhütte stand ein Trupp Menschen Dann kam vielleicht die Zeit, in der sie aufladen konnte, was auf der Straße. Sie schrien alle durcheinander mit lauten not that, und ihni nachziehen durfte himmter ins fremde Land. Stimmen.
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Mit praktischeni Sinn berechnete sie, daß sein Lohn ja dann Was war geschehen? Bäbbi näherte sich rasch vielleicht auch viel weiter reichen würde. Er hatte wohl guten Vereine Nachricht von denen draußen, bom Lorenz? Warumt dienst, aber es blieb außerdem was er an Geschenken hatten die sich mir alle hier zusammengefunden, der Herr mitbrachte und beim Besuch zu Hause draufgehen ließ staplan und der Herr Schmitz, der Krummscheidt und der bintivenig davon übrig. Es spart sich nicht viel, wenn man Bastor? Sie umstanden ein Bäuerlein, das, den Stecken jedes Stück Brot, jede Handreichung an Fremde bezahlen unter den Arm geklemmt, mit den Fäusten herumfuchtelte. muß; die ziehen cinem ja doch das Fell über die Ohren. Da durfte man sich ja nicht trauen, ein frisches Hemd anzu ziehen! Mit Schaudern dachte sie an die schönen selbstgesponnenen Hemden, die sie ihm geschickt- wie mochten die jetzt schon
aussehen?!
Oh, sie wollte ihm wohl alles in Stand halten und ihm ein ordentliches Effen kochen und ihm den rußigen Schweiß von der Stirn wischen. Da brauchte er in kein Wirtshaus mehr zu gehen. Er würde bei ihr sitzen; im Winter am warmen Küchenherd, drüber das Lämpchen mit seinem blanken Schild wie ein Sönuchen strahlte. Im Sommer vielleicht auf den Gartenfleck, den sie mit Kartoffeln und Salat bebaut; ein paar Blumen mußten auch darauf wachsen. Am Himmel, zwischen den Schornsteinen durch, blinkten die Sterne, dieselben Sterne, die auch über den Eifelbergen leuchteten. Und er hielt ihre Hand, und er sprach zu ihr:" So gut ist's mir noch nie ergangen, Bäbbi"
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Mit einem tiefen, zitternden Seufzer fuhr sie aus ihren Träumen auf. Sie hatte seine Hand gefühlt, seine Stimme gehört ach, cs war nur der Wind, der über ihre Stirn ge strichen, und das Lorenzchen, das findisch gelallt hatte! Weit war der Lorenz, weit jene Zeit! Und hier waren die alten Eltern, die der Versorgung bedurften, die konnte sie doch nicht im Stich laffen. Schrumplige Aepfel halten oft fester am Aft, als rotbackige, und schütteln darf man nicht in fremder Leut's Garten. Die konnten noch lange leben! Und die mußten auch hier zu Ende leben; alte Bäur verpflanzt man nicht. Aber die Jungen, die Jungen! Bäbbi schüttelte den Kopf in ihrem einfachen Sinn. Das war nicht recht, das that nicht gut! Die mußten hinaus, den Männern nach!
Mit schwimmenden Augen sah sie in die rote Somme, die dort langsam hinter den Wald tauchte. Die Wipfel strahlten in lauterem Gold. So unermüdlich die am Abend niederging und am Morgen wieder auf, so unermüdlich mußte auch sie ihr Tagewerk immer wieder von neuem beginnen, freilich in Geduld, gewiß in Hoffnung.
Hoffnung Hoffnung!
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Ja, der Tag der Vereinigung fam- jekt wußte fie's genau. So ficher wie diese Sonne, die diesseits hinter'm Wald versaut, morgen jenseit über Schwarzenborn stand im neuen vollen Strahlenkranz und den einsamen Busch in blendenden Glanz hüllte so sicher!
Ihre ernsten Augen erhellten sich, ein heiliges Fener schien fich darin zu entzünden. Höher und höher recte sich ihre aufrechte Gestalt; wie die Wurzeln eines starken Baumes standen
fannte den Handelsmenn, der Jahr aus, Jahr ein mit seinem Ei, das war ja der Kemper aus Großlittgen ! Bäbbi erKarren voll Jrden- Geschirr die Eifel durchquerte. Er machte auch nebenbei Geschäfte mit Hasen- und Marderfellchen, mit Lumpen und Knochen und allerhand anderm Stram. Seine luftigen Scherze waren wohlbekannt, heute schienen sie ihm vergangen.
Er schrie:„ Et es en Schand on en Sünd! Mer schindt sech halw dud, mer rennt sech den Odem aus em Leiw , mer schäft ( fährt) dorch't miserabelste Wäder! Wann mer abf on an e Stastemännche erövrigt, es mer als heilfroh. On onseranen gift bedrogen! Dat elao es schänderlich, schänderlich es dat elao!" Er heulte laut. Wuh hast Ihr hän dann gefritt wuhähr- Jesses, Der Krummscheidt rüttelte ihn.
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faot doch!"
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Ech waaß net," stöhnte das Hausiererchen und schlug sich vor die Stirn:„ Ech Dummkoap! Stann sein als vor Wochen uf der Wittlicher Meß, kann aach net sein. Duh haot ech der Dahler mich. Onsem Hährgott seit geflaogt, mer kann se jao nie lang behaalen! Onferanen kömmt heihin on daor, duh kritt mer dat Stöck on duh dat, heit, en Pfenning, ech sein bemorjen en Groschen, öwermorjen en Dahler schummelt met Bedacht, schänderlich beschummelt! Verfluchtes Schinnaos, dat mech e su bedrogen haot! En heilig Kreizdunnerwäder soll hän"
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Aber Kemper, Kemper," begütigte der Pfarrer, flucht doch nicht so! Wer sagt Euch dann, daß Ihr mit Absicht betrogen seid? In unsrer Eifel ist man fromm und ehrlich, aus der bösen Welt wird uns die Sünde eingeschleppt. Hier betrügt keiner den andern."
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Aewer ech sein doch befantelt," ächzte der Unglückliche, ob met Bedacht oder net. Stuckt hei" er zog das Thalerstück aus dem Kittel und zeigte es an der flachen Hand herum ,, dän es falsch!"
Falsch? Bäbbi stand mit offenem Mund.
Ein Murmeln, ein Raunen, ein hörbares Stannen ging durch den Kreis; sie rückten enger zusammen, jeder drängte heran und reckte den Hals. Es et waohr, wirklich waohr?! Es dat mielich, menschenmielich?
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" In der That" Schmitz hatte die Brille aufgesetzt und hielt sich den Thaler dicht unter die Nase- der is falsch."
Ech sein bedrogen, ech sein bedrogen," Heulte Kemper, Der geistliche Herr nahm den Thaler zur Hand. uch