Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 31.

31]

bits

Mittwoch, den 14. Februar.

( Nachdruck verboten).

Das Weiberdorf.

Roman aus der Eifel   von Clara Biebig. Und noch mehr falsche Thaler fauchten auf, hier und da. In Hupperath   und Karl, in Oberkail   und Spang- Dahlem, in Manderscheid   und Bettenfeld  , in Oberöfflingen und Nieder­öfflingen, in Stattfeld und Daun  ; die ganze Gegend war verseucht.

In der ersten Zeit lief fast jeden Tag ein neues Gerücht ein; bald sollte da eine ganze Falschmünzerbande aufgehoben worden sein, bald waren die falschen Thaler von Holland über die Grenze gekommen, bald von Frankreich  . Die Beiber von Eifelschmitt hatten so viel zu erzählen, daß sie gar nicht mehr zu ihrer Arbeit kamen; sie brannten vor Neugier und Aufregung, und Pittchen stand mitten unter ihnen auf der Gasse und schürte den Brand.

Seine Erzählungen überboten noch alle andren; es war ein ganzes Gewebe von Lügen, was er sich in seinen schlaf­Iosen Nächten aussann und den Dummen über den Kopf warf. Jn guten Stunden frohlockte er waren die alle einfältig! Aber es famen auch böse Stunden, in denen pacte ihn die Angst am Schopf und drückte ihm die Kehle zu.

-

Er traute sich nicht, etwas auszugeben, auch nicht, beim Krummscheidt etwas zu borgen; der hatte so wie so jekt nichts hergeliehen, der sprach immer von Verhungern". In den Wirtshäusern konnte Bittchen auch nicht sißen; in die allerentlegenste, im fernsten Waldwinkel versteckteste Schänke war die Kunde von den falschen Thalern gedrungen. Schmal hans war wieder eingekehrt in Mifferts Hütte, und zwar fo plöglich, daß Zeih sich nicht in den jähen Wandel finden konnte. Was half es dem Peter, daß er ihr kläglich beteuerte: es fei alles alle geworden. Sie glaubte ihm nicht; so viel Geld fonnte ja gar nicht alle werden.

1900

Während dessen fäuftigten sich draußen die erregten Ge müter, das Geschwätz von den falschen Thalern war schon nicht mehr das einzige, bald wurde der gewohnte Alltags­flatsch wieder aufgenommen und verdrängte das bis dahin Herrschende Gespräch. Zudem rückte Peter und Baul näher, bald famen die Männer; die Weiber befannen sich auf ihre Pflicht. Hütten wurden geweißt, Tische, Schemel, Töpfe und Bänke gescheuert, Wäsche gewaschen, helle Stleider gesteift und in der Kirche für glückliche Heimkehr gebetet. Auch die Zeih wurde still.

Bittchen atmete auf; in der gezwungenen Ruhe und bei dem Mangel an geistigen Geträufen erholten sich seine er­schütterten Nerven. Er hatte nun doch wieder einige Spann fraft, etivas von der alten Elastizität; dabei figelte ihn eine gewisse Schadenfreude, den gar fo Dummen ein Schnippchen zu schlagen.

-

Borsichtig ließ er feine Augen um und umgehen nichts Verdächtiges! Wer würde es merken, wenn er mal wieder einen wandern ließ? Sie brannten ihn ordentlich in der Tasche.

Er besuchte das Kreuz auf dem Kirchhof und saß lange auf dem steinernen Sockel.

Merkwürdig, so fpöttisch der Peter früher gewesen, so from war er jetzt. Seit dem vergangenen Herbst ging er fleißig zur Kirche und lag oft vor dem Bild der Himmels­fönigin auf den Knien; sie war feine Schutzpatronin. Und wie er sich einmal in abergläubifcher Schen den Segen des Himmels durch eine Gutthat erkauft, so that er auch diesmal. Die heilige Jungfrau würde ihm lächeln. Wohlgemut pfeifend, die Hände in den Hosentaschen, schlenderte Bittchen heute wieder herum. Mit besondrer Zu borkommenheit grüßte er den Oberfailer Gendarm, der mit blizenden Knöpfen, in Helm und Sonntagsuuriform das Dorf passierte.

Der Oberfailer wanderte zu seinem Vorgesekten nach Wittlich  , um dort Bericht zu erstatten. Sein dienstliches Sie lag ihm in den Ohren Tag und Nacht und quälte Notizbuch im Busen war vollgepfropft mit allem möglichen ihn und bettelte um Geld und weinte; an was sie früher gar Unwesentlichen, in der Hauptsache konnte er nur melden: nicht gedacht, das brauchte sie jetzt zur allerdringendften Not- Nichts Neues vorgefallen, alles ruhig." durft. Und wenn er zur Tina kam, dann tribulierte auch die ihn. Was würde die gucken, wenn er auf einmal sagte: Ech haon ke Gäld mich!" Er fürchtete sich vor ihren schlauen Blicken und ihrer Spürnaje.

Bendit

Mit einem höhnischen Grinsen sah Bittchen ihm nach. Es war eine foloffale Hize. Die Straße lief wie ein blendendes Band hit, in weißlichen Staub gehüllt; kein Gräschen am Rain, kein Blatt am Baum rührte sich. Die Mittagsoune fog mit gieriger Glut jeden Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper.

Und Spürnafen waren die Weiber alle; sie verfolgten ihn auf Schritt und Tritt, sie hefteten sich an seine Ferfen, Stein Wunder, daß der wohlbeleibte Oberfailer, stöhnend, hängten sich ihm an und zogen ihn nieder wie Bleigewichte. einen Augenblick im Schatten der großen Bäume vor der Er spielte den Kraufen, da tamen fie in seine Hütte und Eichelhütte auhielt und sich verschnaufend die enge Hals­brachten ihm Suppen. Und Thee   mußte er trinken und binde locferte. Dankbar nahm er den fühlen Trunk Bit­Latwergen schlucken, höllischen Mischmasch von allerhand burger Viers an, den ihm Herr Schmitz zum Fenster herans Blattzeug und Gewurzel, und Einreibungen und Umschläge tredenzte. mußte er probieren von Schneckenspeichel und gekautem Brot. Da er sie so nicht los wurde, that er böse und schntollte besonders mit der Tina. Aber je mehr er sich abkehrte, desto mehr rannten sie ihm nach, und die Tina kam ganz frech zu ihm am helllichten Mittag.

H

No, wohin dann?" fragte neugierig der Alte.

Nach Wittlich   zur Obergendarin bei der Bullenhike! Verfluchte Thalerjeschichte!":

Kozztausend wat -wat- too?!" Schmit riß die givinkern den Aenglein weit auf und rollte sie hin und her. Haben Se wat anf' m Kiefer?"

"

Oha!" Der Alte machte ein wichtiges Gesicht.- Sagen Se dat nit! Ich sage Ihnen"- er dämpfte die fante Stimme zum Flüsteru und wies mit dem Daumen zurück gen Eifelschmitt ,, da is't nit gehener! Seien Sie aufm Quivive!"

-

Kaum war die weg, machte ihm die Zeih einen Skandal- also dafür mußte sie hungern, daß er mit dem Mensch, der" I bewahre!" Aergerlich preßte der Gendarm den Gurt Tina, das Geld verpraßte! Bitterfich weinend rang sie die feines Seitengewehrs tiefer herunter. Laufenest, diese Eifel! Hände: O, ech arm Dier! Bären ech nor dud, ech on det Reineweg nijcht los, am besten man verschließe die janze Josephche! Mir sein ganz verlaoß, mir haon niemand, dän Zeit." for ons sorgt!" Ihr Jammern that ihm in der Seele weh; sie war doch immer noch die Beste, hatte ihm nie ein schiefes Maul ge­zogen, und wenn sie jetzt flagte, wahrhaftig, sie hatte ganz recht. Zerknirscht versprach er ihr ein buntes Tuch, wie er der Tina eines von der Wittlicher Messe mitgebracht, und dem Wissen wir längst, wissen wir ja längst," sagte der andre Josephchen einen Zuckerfringel; auf den Sonntag verhieß er abweisend. Denten Sie demt, werter Herr Schmitz, die fogar ein Stück Fleisch in den Topf. Selbst ganz gerührt, Polizei hat teene Augen im Kopfe? Ne, Jott sei Dank, so wischte er ihr die Thränen von den Wangen, immer wieder helle sind wir auch noch! Der Obergendarm hat längst die ftrich er ihr mit zitternder Hand übers Gesicht; sein Herz Meldung nach Trier   abjejeben; feit der olle Krummscheidt war wie entzwei geschnitten, ganz auseinander in einem die elf falschen- Donnerivetter!"... Er schlug sich auf schmerzhaften, seltsam öden, kazenjänimerlichen Gefüht. den Mund Na entre nanu, Sie werden ja nischt da­Er wußte nicht mehr aus noch ein; in gräßlicher Un von verlauten lassen! Auf Eifelschmitt liegt ein Verdacht gewißheit und qualvoller Unentschlossenheit verrannen ihm und zwar auf den Eifelschmitter Männern; die stecken da Die Lage. unten in den Fabriken, mitten zwischen den Werkzeugen

1