Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 32.

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Donnerstag, den 15. Februar.

( Nachdruck verboten).

32] B Das Weiberdorf.

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der Hochgebenedeiten! Zufällig schüttete ich gestern abend die Büchse aus diesmal schon wieder nach ein paar Wochen sonst thu ich's mur alle halbe Jahr, es lohnt sich nicht cher. Ihr Thaler war cin rarer Vogel unter den paar Kupferpfennigen!"

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Mein Thaler?... Dimmerfiel, ich bin doch nit toll! Wannt't noch en Burentnopp jewesen wär! Der Thaler is nit von mir". Nicht von Ihnen? Aber-"

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,, Ne, wahrhaftig in's Gott '!" Verblüfft sahen sie einander an.

Noman aus der Eifel von Clara Viebig . Als der Nachmittag sich neigte und die Bergwand an­genehmen Schatten auf den Thalweg warf flopfte der geist­liche Herr an die Eichelhütte. Es war ihm zur Gewohnheit geworden, dort einzufehren; nur wenn er Herrn Schmitz nicht zu Hause wußte, dehnte er den täglichen Spaziergang bis Himmerod aus. Die alte Klosterruine fannte er längst in Aber, aber"- der Pfarrer faßte sich an die Stirn- und auswendig, aber der Schmit, der war ihm etwas Neues, ein Stück Welt, das in seine Vereinsamung gedrungen war. von wem kann der Thaler sein? Hier in Eifelschmitt, ein Dann saßen die beiden beim Gläschen Moselwein. Sie politi- Thaler in der Kirchenbüchse! Mir steht der Verstand still". ,, Dat jlaub ich", sagte trocken Herr Schmit. Mir scheint, fierten mit Vorliebe; Schmik sprach in einem belehrenden Zon, schlug gern zur Bekräftigung seiner Kannegießereien auf den der Spender von dem Thaler is nit so weit. Wann einer Tisch und wurde krakehlig, wenn man nicht seiner Meinung 3 fromm is, hört de Klugheit auf. Wat meinen Sie, Herr war. Der Pfarrer hörte zu mit stillem Lächeln; er war es Pfarrer? Lassen mir mal jehen, ich möcht ihn mer doch emal gewohnt, sich den Verhältnissen zu fügen. anfucken, den er machte eine Pause und sah den andern bedeutungsvoll an den Thaler!"

Heute politisierten sie nicht. Unentfaltet lag die Zeitung, der Sonnenstrahl, der sich durch das dichte Dach der Bäume bis zu dem steinernen Gartentisch stahl, blinzelte auf noch immer nicht geleerten Gläsern.

Ganz bekümmert lehnte der geistliche Herr in seinem Stuhl; den einen Arm über die Lehne gehängt, den andern wie zur Abwehr erhoben, starrte er sein Gegenüber an. Aber, Herr Schmitz, aber, aber! Der Miffert ist ein durchaus ehrlicher Kerl, für den kann ich bürgen. Wie schön hat er den Kirchen­fronleuchter repariert! Das war im vergangenen Herbst. Aus altem ginn und Blei und der Himmel weiß was, hat er ihn wieder hergerichtet. Tag und Nacht hat er dran gearbeitet." " So." Weiter sagte Schmitz nichts, aber er spikte die Ohren und pfiff in eigentümlicher Weise durch die aufeinander gebissenen Zähne."

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Und sie gingen. Der geistliche Herr fast widerwillig, in fich gekehrt, ohne Wort, mir ab und zu den Kopf schüttelnd. Schmitz eilig, in einer gewissen neugierigen Spannung.

In des Pfarrers Studierstube ließ er sich mit cinem Seufzer der Erleichterung in den alten Sessel fallen. So, nun zeijen Se mal her!"

Mit zitternden Händen kramte der Geistliche in seinem tannenen Schreibtisch; erst hatte das Schloß nicht aufgehen wollen, dann fand er den Schlüssel zu dem Kästchen nicht, in dem er die Kirchenkasse verwahrte. Der bloße Verdacht schon hatte ihn ganz außer Fassung gebracht. Endlich hatte er den Thaler; aufgeregt hielt er ihn Schmit hin.

Dieser warf mir einen furzen Blick darauf, nahm thn dann in die Hand und ließ ihn auf die Platte des Tisches niederkollern. Da haben wir't falsch!"

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,, Aber wie kommit der in die Sammelbüchse für den Altar der Hochheiligsten?" jammerte der geistliche Herr. falscher Thaler in die Stirche-oh, die Sünde!"

Oh, die Dummheit!" sagte der andre mit einer eigentlich etwas respektwidrigen Nachahmung im Ton.

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Nein, nein, auf den Peter lasse ich nichts kommen, der ist wirklich fromm. Wie oft treff' ich den nicht in der Kirche Erst fürzlich sah ich ihn in andächtigem Gebet versunken borm Altar unserer lieben Frau auf den Knien liegen. Und glauben Sie, daß er was dafür genommen hat, als er dazumal mit der Arbeit fertig war? Den Heiligen hat er's zu Gefallen gethan. Nur einen Vorschuß zur Wer kann das gethan haben?" ächzte der Pfarrer und Anschaffung einiger notwendiger Werkzeuge hat ihm hielt sich den Kopf. Reines meiner Beichtfinder, nein, nein!" die Kirche gezahlt. Und die lieben Heiligen haben ihn " Jedenfalls feines, dat en Weiberrock anhat!" ja auch sichtbarlich gesegnet, gleich darauf, mit einer Erb- ,, Schmitz betrachtete wieder den Thaler und brummelte vor schaft. Nein, nein, lieber Herr Schmitz, ein bischen leicht ist sich hin:" Die sind ja hier so arm wie die Feldmäus bei Miß­der Peter wohl, das liegt nun mal in den Verhältnissen" ernt; un Weiber sind auch all viel zu geizig derzu bleibt der Pfarrer stieß einen Seufzer aus da muß man sich niemand übrig wie der Beter mit der Erbschaft. Schlosser cben mit abfinden. Aber sonst-!" is er auch noch obendrein. Hm, hm! Freilich for so en dumm " So?" Der Alte zog die Augenbrauen hoch und hob Luder hätt ich den nit gehalten, geht un schmeißt beim Könnte ei'm fast irr den dicken Zeigefinger. Der Grünschnabel, das Berliner Muttergötteschen' en Thaler rinn! Großmant lacht zwar dazu, aber ich"- er schlug auf den Tisch ich weiß, wat ich weiß!" Er war heftig ge- Er hat es nicht gethan, er kann es nicht gethan haben," stritt der Seelenhirt; er war so entsetzt, als sei der Wolf über feine Schafe geraten. Er hat es nicht gethan!" Werden mer ja seh'n," sagte trocken Herr Schmit. Ich nach Wittlich !" XIV.

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worden und ganz rot im Gesicht; jetzt hatte er seinen Kopf aufgesetzt.

Aber, aber... Herr Schmit," sagte der Geistliche ganz Heinlaut, so ein guter Mensch wie Sie! Wie können Sie einen Nebenmenschen so verdächtigen?"

" Ich verdächtige ja gar feinen; ich sage bloß, wat ich weiß. Ich bin en aufgeklärter Mensch, der sich in der Welt umjefudt hat. Hat mer auch erst nit in den Kopp gewollt, dat en Eifeler en so raffiniertes Luder sein sollt, aber mer is doch kein Esel. Ein juter Mensch braucht doch kein dummer Mensch zu sein. Ich will auch gar kein juter Mensch sein," schrie er frafchlig, wer sagt Ihnen, dat ich en juter Mensch bin?!"

Ach, Herr Schmit" Der Pfarrer legte ihm be­gütigend die Hand auf den Rockärmel.. Sie haben ja erst gerade so was Gutes gethan, unsrer armen Kirche eine so reiche Spende gegeben

" Ich? Ne!"

Thun Sie nur nicht so! Die rechte Hand foll freilich nicht wissen, was die linke thut."

Ich weiß nit, auf wat Sie auspielen, Herr Pfarrer, ich " Ich habe den Thaler in der Büchse gefunden," sprach lächelnd der geistliche Herr. Zur Ausschmückung des Altars

machen. Hm, hm!"

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Es ist gegen zehn Uhr Abend. Eine schiviile, dunkle Sommernacht; auf leisen Sohlen geht sie über die Flur.

Am Himmel flimmern die Sterne, matt, bis sie ganz ver­schwinden hinter undurchdringlichen Wolfenschichten. Nur zu ahnen sind die Berge; ins Ungeheuerliche vergrößert, schmelzen sie in Eins zusammen mit den Wolfenballen, die auf sie niederhängen. Die einzelnen Felsnasen, die an den Berg­lehnen vorragen, schauen fratzenhaft verzerrt ins Thal. Wie ein schwarzer Raubvogel mit ausgebreiteten Schwingen hängt der Wald über'm Dorf, bereit, sich niederzustürzen und die Wehrlosen mit seiner Last zu erdrücken.

Vereinzelter Lichtschein blinzelte in den Hütten von Eifel. schmitt. Die faulsten der Weiber schliefen schon, die wenigen faulen schafften noch im stillen; der Tag trödelte sich so hin, da mußte der späte Abend herhalten, denn lange konnten die Männer nicht mehr ausbleiben.

Hier wusch noch eine hinter dem mit alten Fehen ver hängten Fensterchen, da prügelte eine ihren Kindern das Artigsein für den Vater ein und erstickte das Geschrei, indem