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Kleines Feuilleton.
dreht, unt und um durchlöchert, inwendig mit mit Baums wolle angefüllet". Aber dem ist nicht so, es sind vielmehr kleine - Straßenleben im Anfang des 17. Jahrhunderts. In Befen, die ausgerufen werden, dazu bestimmt, das Ungeziefer von der Berliner Bibliothek hat Max Rubensohn ein fleines Buch ge- den Pflanzen zu entfernen. Die Hühnerfalbe aber möchte vielleicht funden, das eine erhebliche Anzahl Straßenausrufe aus dem Ende mancher für eine Hühneraugen- Salbe halten. Der wäre freilich im des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts kennen lehrt und so einen argen Irrtum. Es handelt sich, wie der Augenschein lehrt, um das Einblick in das Straßenleben jener Zeit gewährt. Das Büchlein Kräutlein Alsi ne medica, das Fingerkraut, eine Art Quendel, von gehört zu einem Quartband mit sogenannten Facetiae, d. h. aller- dem der redselige Verkäufer uns versichert, daß es alle Hize und hand scherzhaften, meist start gepfefferten Schriften und führt den Entzündung lösche, frisch in Fleischbrühe genossen die Würmer aus wunderlichen Titel„ Sieben lächerliche Geschnälz oder Gikes Gates dem Leib treibe und das Geblüt reinige, in Del oder Butter ge= Ofenloch... und neuer Grillenschwarm. Gedruckt zu Rumpels- röstet und warm über den Leib gelegt, das Bauchgrimmen be firchen bei Grir Haspelschmidt, in der Flederwischgassen. 1627." feitige; ja, mit Honig gemischet, tilge sein Saft Das Ganze stellt ein Liederquodlibet für studentische Kreise Flecken im Auge und auch den Kindbetterinnen leiste es, unter dar. Mitten unter die Liederaufänge finden sich aber in der Absicht, die Achsel gelegt, gute Dienste, wenn sie die Milch vertreiben die erheiternde Wirkung der Geschuälze" auf die Leser zu erhöhen, wollten. So versteht man denn den starken Zuspruch, den die Ausrufe der Straßenhändler eingesprengt, wie sie um Hühnersalbe( oder Hühnerserbe, diese Tiere sollen die Pflanze die Wende des Jahrhunderts in West- und Mitteldeutschland gehört nämlich ebenfalls bevorzugen) findet. werden. Aus der ausführlichen Schilderung, die Rubensohn auf Grund dieses Materials von dem Straßenleben jener Zeit in der " Frankfurter Zeitung " entwirft, entnehmen wir folgendes:
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Mitten unter der geschäftig sich drängenden Menge bewegen sich an den Markttagen die Händler, aber ihr eigentlicher Schauplatz ist nicht der Markt und ihre eigentliche Geschäftszeit sind nicht die Marktstunden: ihre Provinz sind die Straßen, ihr Beruf ist es, von Gasse zu Gasse zu ziehen, auch von Hof zu Hof und hier mit lauter Stimme, umgeben von einer oft mehr schaus als tauflustigen Menge und einer lärmenden Kinderschar, ihre Waren aus zurufen. Auch wir müssen, um recht viele Typen dieser Stadtreisenden und ihre Rufe beobachten und registrieren zu können, es wie die Kinder machen, durch das Städtchen„ bummeln", oder auch ein paar Stunden in der Schänke verweilen, und jedesmal, wenn ein Straßenausruf sich vernehmen läßt, auf den Hof oder auf die Gaffe eilen und zusehen oder hören. So eignen wir uns bald eine gewisse Routine an und lernen die Rufe der verschiedenen Typen auseinanderzuhalten. Denn es sind keine willkürlichen oder gar unartikulierten Laute, die sie ausstoßen, nein, es sind in stets gleicher Folge der Worte, nach bestimmter, deutlich sich einprägender Taktbewegung mit halbfingender Stimme vorgebrachte. Rufe, an deren Klang die Kenner, auch ohne die einzelnen Worte zu verstehen, schon merken, wer gekommen ist und seine Ware feilbietet.
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Während die Frauen noch den Wagen des HühnersalbenHändlers umstehen, ertönt schon wieder ein neuer Ruf, mit durchdringender Stimme in langgezogenen Tönen ausgestoßen und offenbar vielen, die alte Sachen loswerden und einen kleinen Nebenverdienst sich verschaffen oder Bilder und dergleichen dafür eintauschen möchten, willkommen. Ein gar possierlich aussehendes Männchen ist es, das die indiskrete Frage an seine werte Kundschaft richtet:„ Hat's teine alten Schuh' do?" Dem Trödler folgt ein auf uns unbeteiligte Zuschauer noch komischer wirkender Mann in wahrhaft malerischer Tracht. Es ist der Kesselflicker. Er ruft: Késsel, Múltern( Mulden, Tröge), binden, Pfannen fliden, Réssel", und zahlreiche Kunden finden sich ein. Nicht weniger drollig wirkt der Mann, der uns bald entgegentritt. Schon die Art, wie er seine Waren trägt, gewissermaßen als Panier fie benutzt, regt die Lachmuskeln an. Wer er sei, zeigt sein Ruf:" Schlótfege, Hoderlumpen!" Lettere könnten freilich auch einen Lumpensammler verraten, der im Nebenamt den Schornstein reinigt. Der gebildetste aber von allen diesen Ausrufern, nicht blos deshalb, weil er für die Bedürfnisse der schreibenden Welt unsres Städtchens Sorge trägt, sondern auch weil er entsprechend dieser hohen Aufgabe zu einer musikalischen" Darbietung sich aufschwingt, ist der legte in unfrer Liste. Das wunderliche Präludium für seinen rhythmisch trefflich geordneten Ausruf ist eigentlich nur durch Noten wiederzugeben: Dirlint dint dint, guter lind dint dinten: Gute Dinte, gute Kreide, guten Streusand!"
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Theater.
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ce. Lessing Theater: Die drei Töchter des Herrn Dupont. Schauspiel in vier Aufzügen von Eugène Brieug. Eine böse, aber nicht starte Satire auf bürgerlichen Chefchacher und Geldmoral. Um etlicher taufend Mark willen werden alle menschlichen Verhältnisse und Beziehungen besudelt. Sie heucheln und betrügen, überliften sich und lügen aus Grundsatz. Der Vater übervorteilt seine Kinder, Mann und Weib beschwindeln einander, und die angeheirateten Verwandten lassen auch die letzten Schleier geheuchelter Pietät fallen in ihrem rohen Kampf um den Vorteil. Das urSprünglich Gute und Reine verdorrt in diesem Dunstfreis. Von den drei Töchtern des Buchdruckereibesizers Dupont wird die älteste in die Fremdenlegion der Verlorenen" gehetzt, die zweite verwittert ehelos, sich mühsam an kunstgewerblicher Arbeit aufrecht haltend, die dritte wird an den ersten Besten verkuppelt, der ihr für ihre Mitgift Obdach und Brot giebt. Die Verehelichung dieser jüngsten Tochter und ihre innerliche Entfremdung von dem gekauften, und fäuflichen Gatten schildert das Schauspiel, das mit der Aussicht auf eine Ehebruchstomödie schließt.
Den Vortritt laffen wir billig dem Bäcker, dessen Ruf gar ver lockend alt und jung ins Ohr schallt:" Ich, ich habe gute warme Sémmel, tauf mir áb". Ihm schließt sich der Milchmann an: Kauft gute Milch, ihr Weiber, schönes Schmalz, gute Buttermilch.. Kauft guten Schlöpperkäse". Diese Sorte war mir bisher unbekannt, bei der Buttermilch fielen mir dagegen sofort ein paar Verse ein, die ihre Beliebtheit und Billigkeit und zugleich die Genügsamkeit der Bewohner des Städtchens scherzhaft hervorheben. Frre ich nicht, so waren es fahrende Schüler, von denen ich sie auf der Landstraße gehört: Langt ims für drei Pfenning Buttermilch rein, laßt uns ein Stündlein fein lustig sein." Und weiter:„ Die Buttermilch foll sauer sein, gießt um drei Heller Milchrahm drein." Wie der Milchmann, so laden auch die meisten der nach ihm erscheinenden Händler, die wir zu beobachten Gelegenheit haben, die Frauen zum Einkaufen ein. Ihren Bedürfnissen an Feuerungsmaterial für Küche und Stuben gelten die Ausrufe:„ Kauft gut Holz, ihr Weiber!" Kauft gute Spän, ihr Weiber!". Für das Kehren und Reinhalten der Dielen werden die notwendigsten Requisiten teils auf Wagen, teils, wie schon bei den Holzhändlern, auf Stößen herbeigetragen. Ihr Kommen kündigt sich an mit den Rufen:„ Kauft weißen Sand, ihr Weiber. Kauft Bésen, ihr Weiber!" In der That find es denn auch fast immer die Weiber, die alsbald heraus kommen und die ausgerufenen Wirtschafts Gegenstände. in fleineren oder größeren Mengen kaufen. Ich wenigstens sah mur einDas Drama, enthält wißige Einfälle, feine Beobachtungen und mal cs war vor einem niedrigen Haus mit nur einem selbst ergreifende Einzelheiten. Aber die Anlage des Stückes ist fräftiger Geschoßstatt der Frau den Man in Begleitung eines Heinen als seine Ausführung. Eine martige Handschrift ,, die auf durchMädchens heraustreten. Er erhandelte einen Besen, was zu fettetem Papier geschrieben ist. Der Autor strent reichlich Motive denken gab und denn auch die herumstehenden Weiber zu allerhand aus, die aber nicht dramatisch aufgehen, und emporwachsen. Das spizigen Bemerkungen veranlaßte. Sie fannten den Mann. Und Herb- Satirische neigt zum Spaßhaften, und weil das Gelächter des wirklich, als er sich wieder seinem Haus zuwandte, hörte man als- Anklägers nicht ernstlich genug ist, darum wirkt auch der Ernst nicht bald lautes Geleife und Kindergeschrei. Die liebende Gattin nahm ganz aufrichtig. Die Charakteristik ist allzu deutlich und derb, sie ist dem unglücklichen Bantoffelhelden den Besen aus der Hand und fuhr überlichtet. Das Selbstverständliche wird grob unterstrichen und ihn an:" Hab' ich's Dir nicht vor gefagt! Bleib mir bei der überall glaubt man in Parenthese ein hört! Hört! zu vernehmen. Wiegen, nimm den Fuchsschwanz in die Hand und wehr dem Kind Die große Kunst der Andeutung, die den Dramatiker schafft, ist dem die Fliegen!" Wir hörten ihn zwar noch ängstlich erwidern:„ Sollt Verfasser fremd. mir's Mägdlein" bies hatte sie barsch von seiner Seite gerissen „ nicht lieber sein denn das rozige Bübelein?", aber die weiteren Prozeduren entzogen sich unsern Augen und Ohren.
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Die Darstellung war im Ernsten glücklicher als im Satirischen. Sie war, anstatt zu dämpfen, noch greller, als das Stück an sich ist. Man verfiel in den Blumenthalton, der diesem immerhin litterarisch strebenden Werke Unrecht thut.
Unfre Aufmerksamkeit wurde auch inzwischen durch zwei neue Rufe vollauf in Anspruch genommen. Sie flangen uns fremdartig, An dem lauen Beifall, den die„ Drei Töchter" fanden, beteiligte ja zunächst unverständlich:„ Kauft Flöhbesen, ihr Weiber... Kauft sich nur ein kleiner Teil des Publikums; dem das Schauspiel unschöne Hühnerfalben, ihr Weiber, aber ein Maß da." Bei den den behaglich war, offenbar weniger deshalb, weil es dem fünstlerischen Weibern so liebenswürdig angebotenen Flöhbesen wird man zunächst Ideal zu fern bleibt, als vielmehr, weil es dem bürgerlichen Leben an jene spitfindigen Gäste und schwarzen Passagiere" denten, bie, 3 nahe kommt.
wie in einem Berichte dieser nicht eben galanten Zeit behauptet
wird, ihre Nahrung und Kost so gern bei denen Frauenzimmern
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Kunft.
suchen", so daß es sogar in einem bekannten, auch in den c. 8 wei neue Handzeichnungen Albrecht Dürer 3. Geschnälzen" wiedergegebenen Liede heißt:„ Die Weiber Ein wertvoller Fund, zwei Handzeichnungen Albrecht Dürers aus mit den Flöhen, die haben einen steten Krieg." Fertigten feinen reifsten Jahren werden im Februar- Heft der Zeitschrift für sich doch die Damen wider die Anfechtung der stacheligen bildende Kunst" von Gustav Bauli veröffentlicht. Die beiden Blätter, Tiere" besondere Flöhfallen an„ aus Elfenbein rund ge- die der Aufmerksamkeit der Kenner bisher entgangen sind, befinden