Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 33.

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Freitag, den 16. Februar.

( Nachdruck verboten).

Das Weiberdorf.

Roman aus der Eifel   von Clara Viebig  . Geschwind wie der Blizz duckte sich Bittchen und schien an der wie aus dem Erdboden aufgeschossenen Gestalt vorbei­schlüpfen zu wollen. Vergebens! Schon hatte ihn ein Zweiter am Stragen.

.Peter Miffert, im Namen des Gesches!" wiederholte der Obergendarm noch einmal mit Würde.

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Dech mössen se hänken su hoch dän Mosentoap es! Dau Betröger, dau Besauteler, dau-"

,, Ruhe!" gebot der Obergendarm. Krummscheidt, keine Schimpfereien!" Er wandte sich an den Oberfailer: Sie haften mir für den Miffert. Die zwei Herren da bewachen das Frauenzimmer. Ich will derweil emal selber da drinnen Nachsuchung halten!" Er deutete auf die Kammerthür, die durch einen alten Schrank halb verstellt, ganz im Schatten lag. Ein unartikulierter Laut rang sich von Bittchens Lippen. ,, Sagtet Ihr was?" fragte der Obergendarm, sich auf der Schwelle noch einmal umdrehend. He, Miffert!" Keine Antwort.

Eine kleine Laterne, die er am Gürtel getragen und an­Einen Schrei stieß Pittchen aus, einen einzigen furzen gezündet hatte, hochhaltend, verschwand er verschwand er in Bittchens Schrei, der durch die Nacht gellte, wie ein Trompetenstoß Werkstatt. über das schweigende Dorf hinfuhr, hin über die Wiesen Totenblaß, mit Augen; die unftät umherrollten, stand Peter und Aecker   und von der Bergwand wiederhallte. Die Knie wie angewurzelt. Er fühlte an seinem Halse den Griff des knickten ihm ein, in schlotternder Haltung stand er auf seiner Oberteilers, aber schlimmer war der Griff jener eisigen Angst, Schwelle. der ihm das Herz zusammenpreßte, daß es den Schlag aus­fette. In seinem Kopf war ein wüstes Durcheinander; nichts war ihm mehr flar, nur das eine: der durfte nichts finden, nichts. In ohnmächtiger Wut knirschte er mit den Zähnen. Fand der da drinnen etivas fand er nichts?

Aber jetzt raffte er sich schon wieder auf. Sein er­blaßtes Geficht rötete sich), mit Straft entwand er sich der haltenden Faust, und den Oberkailer zurückstoßend, schimpfte er: Backerloot noch ehs, wat soll dat haaßen? Es dat en Manier, de Leit zo erschrecken! Ech haon gemaant, der Rauwver fielen öwer mech här. Wat wollt Ihr dann? Haouh" er zwang sich zu einem unterdrückten Gähnen- ,, mir wollten justement schlaofe giehn; ons Josephche es eweil widder onpaß( frank). Haouh wat sein ech müd!"

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Baßt die Fisematenten," sagte streng der Obergendarm. Boran, zeigt uns Eure Wohnung!"

Die es bal gezeigt. Haha!" Pittchen brach in ein furzes frampfhaftes Lachen aus. En anzige Stuw, on neist mich. Newer Scherz beiseit, Ihr Hähren, wat wollt Ihr cweil in meiner Stuw, dat Zeih es justement beim Ausduhn ( Ausziehen)!"

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Schadt nischt," sagte der Oberfailer. Voran, marsch!" Peter zögerte, feine Blicke flogen nach allen Seiten. Der Gendarm hielt ihm den Revolver unter die Nase. Voran, im Namen des Gesetzes!"

Ein verächtlicher Blick Pittchens traf ihn; dann machte dieser, mit der Energie der Verzweiflung sich bezwingend, eine einladende Handbewegung: Augtré!"

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Miffert vorau, traten sie alle in die Stube. Da war nicht viel zu sehen; ein elendes Licht beleuchtete die kahlen Wände, Aufgeschreckt vom Lärm draußen, stand die Zeih, halb ent­fleidet, im Zimmer und starrte mit aufgerissenen Augen die Eintretenden an.

Schmit, als letter, fuhr ode:: tlich zurück. Donnerwetter, was hatte die für ein paar Arme. Er genierte sich und konnte doch nicht wegsehen.

" Jesses!" rief die Zeih, halb erschrocken, halb amüsiert, Bittchen, biste gäd, wat führste de Hähren heihin?" Mit einer verschämten Gebärde raffte sie ihr Kleid vom Boden auf und warf dabei einen raschen Blick nach dem Oberkailer.

Der hatte jetzt kein Auge für sie, sondern hing nur an den Lippen des Vorgesetzten.

Der Obergendarm verzog keine Miene; mochten da alle Frauenzimmer der Welt im Hemde stehen, er hatte eisgraue Haare, was ging's ihn an! Er sprach nur das eine Wort: Haussuchung", und wie ein Spürhund stürzte sich der Ober­failer in alle Ecken.

Er riß die Kleider von der Wand und schüttelte sie um und um, guckte in den Herd und stöberte die Asche auf, legte sich platt auf den Boden und bohrte seine Blicke in jeden Winkel, stürzte sich auf's Bett, riß es auseinander, wühlte in den Kissen und durchstocherte den Strohsack mit feinem Seiten gewehr.

Mit verzehrender Angst hing sein Blick an der Kammer­thür. Kein Wort wurde gesprochen. Mit einem dumm- leeren Ausdruck wanderten Zeihs Augen von einem zum andern; fie hatte keine Ahnung, was eigentlich vorging, und doch wagte fie feinen Sant. Die Arme über der durch die haftig über­gezogene Taille nur notdürftig bedeckten Brust verschränkt, die Zöpfe, aus denen der Pfeil schon herausgezogen war, lang über den Rücken hängend, hockte sie auf dem Schemel. Was wollten die Männer, was hatte ihr Pittchen gethan? In unbestimmter kindischer Furcht fing sie an zu weinen. Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten, eine Viertel­stunde, eine Ewigkeit.

Man hörte den Obergendarm hin- und hertrappsen und polternd das Gerät um- und umkehren.

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Für Minuten wurde es wieder ruhig. Und dann hörte man sein Klopfen an den Wänden, sein Füßescharren jetzt fein Fluchen und jetzt dumpfe Schläge.

Dann Stille.

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Schon atmete Bittchen auf, ein erlösender Seufzer wollte sich seiner angstgepreßten Bruſt entringen da die Thür knarrte. Der Obergendarmi trat aus der Kammer, beschmußt und bestaubt; aller Blicke hingen an ihm. Er trug etwas.

Peter wurde Teichenblaß, vor seine Augen legte sich ein Schleier.

" Da", sagte der Wittlicher kurz und ließ mit einem Plumps einen geöffneten schmutzigen Leinenbeutel auf den Herdrand fallen; ein paar Thaler sprangen heraus und rollten mit bleiernem Geklapper über den Fußboden. Unter'm Estrich versteckt. Aber doch gefunden!"

Hah!" Ein einziger Atemzug ging durch die Stube; fein Mensch wagte ein Wort. Sie standen alle wie an­genagelt, die Hälse gereckt, mit aufgerissenen Augen.

Schmitz fand zuerst die Sprache wieder. Da hammer de Jeschicht!" Und sich aufreckend, schrie er: Aber sagt ich et nit, sagt ich et nit?"

Ein Fauchen, wie das cines wilden Tieres, antwortete; Beter schien sich auf den Alten stürzen zu wollen, aber gleich darauf ließ er den Kopf auf die Brust sinken, ein zitterndes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.

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" In Flagranti erwischt," sprach der Obergendarm weiter. Werkzeuge, alle möglichen Dinger, ein Schmelztiegel, Blei, Zinn und so'n Zeugs, alles lag da unten bei den Thalern. Ein Hohnlächeln auf den doch vor geheimer Angst ver- Das richtige Hamsterloch hat sich der Kert unter'm Estrich zerrten Lippen, sah Pittchen ihm zu. Er stand mitten im ausgegraben. Der Beweis ist kinderleicht zu erbringen. Zimmer, die Arme ließ er schlaff herunterhängen; den Ober- Hier!" Er zog eine Gipsmatrize aus der Tasche und zeigte förper etwas vorgeneigt, mit aus dem Stopf gequollenen sie herum. Und dann verschloß er die Kammierthür. Augen, schien er eine Gelegenheit zum Entwischen zu erspähen. bleibt alles stehen und liegen. Ortsvorstand!" Vergebens! Vor die Thür hatte sich die vierschhrötige Krummscheidt gruuzte ein Gestalt des Schmitz gepflanzt. Neben dem stand der Krumm- ,, Sie passen auf, das niy scheidt; zitternd vor Aufregung, schrie er Peter an: ,, Elf beutel nehmen wir gleich mit. Dahler! Elf falsche Dahler! O dau Schubjack, dan Filu!! Miffert," wandte er sich

awoll!"

Das

wegfömmt. Hier den Thaler. Und nu allons!" an Peter und legte ihm die