miisscn wir, in den Tngen des Kampfes gegen jeglichen T e r r o-cismus, schon im Wortlaut mitteilen:Das; die Landwirte unter den heutigen Verhältnissen denProdiuzh ä n d l c r n gegenüber i» kein er beneidenswertenLage sind, wird jeder Unbefangene schon aus dem Umstände er-kennen, daß die Getreidehändler in den Provinzen durch direkteDepeschen täglich ein- und selbst mehrercmale genau orientiert werdenüber die Situation und die Preise am Berliner Ccntralmarkt, unddanach ihre Gebote sicher einrichte» können, während die land«wirtschaftlichen Verkäufer, die früher gleichfalls diese Orientierungdurch das kleinste Blättchcn besahen, jetzt völlig im Dunkeln überdie Lage der Verhältnisse bleiben... Daß aber die Landwirtemit ihren Klagen nicht an die Oesfentlichleittreten, ist sehr erklärlich. Denn welcher friedliche Landwirt,der mit den Maßnahmen der agrarischen Sführer nicht zu-frieden ist und darunter zu leiden hat, möchte sich durch öffentlicheKlage darüber, nach den bisherigen abschreckendenBeispielen, der Gefahr aussetzen, von denBllndlerblättern öffentlich als Verräter an dergemeinen Sache gebrandmarkt zu werden�Dieser Terrorismus schlägt von vornhereinlede dissentierende Stimme nieder.Wir wollen uns in diesen häuslichen Streit zwischen dem Handelsund Börsenkapital und dem agrarischen Unternehmertum weiter nichteinmischen. sondern aus ihm nur dieses Augenblicksbild zur Kenn-zeichnung der noch immer recht gespannten und unsicheren Lageherausgreifen. Auf jeden Fall lehrt es, daß es leichter ist, im CirkusBusch gegen den Feenpalast zu donnern, wie ein vernünftiges Börsen-gesetz zu schaffen. Bisher hat die Landivirtschaft von dem agrarischenF�ldzug gegen die Börse wohl viel Aerger und Verdruß,ganz und gar keine Vorteile gehabt.dagegenVom Liberalismus. Der nationalliberale Führer ProfessorG o l d s ch m i t äußerte in einer Festrede zu GroßherzogS-Geburtstag über die Jahre 1848/4«:„Die Versuche, die jüngst vor unseren Augen in fratzen-hafter Knabenhaftigkeit gemacht würden, die Untreueemer verblendeten Zeit zu einem zu feiernden Ruhmestitel umzu-prägen, prallen an unserem Volke ab, uns aber sollen sie inunserer Treue nur befestigen."Der Mann verdient ohne Gnade und Barmherzigkeit unverzüg.nch zum preußischen Minister ernannt zu werdet«— trotz des ver-dachtigen Nanieus.—Die Uusicherheit in Württemberg. In Württemberg scheinennach polizeilicher Auffassung die Zustände nicht mehr der Artzu sein, wie in jener guten alten Zeit, da der Fürst sein Haupt inzedeS Unterthanen Schoß hat ruhig betten können, wie preisend mitviel schönen Reden die Sage berichtet.Wie die Blätter berichten, mußte ein Stuttgarter Glasermeistervor der Ankunft des Kaisers sämtliche Kellerfenster und-Läden desResidenzschlosses, in dem der Kaiser wohnte, zunageln! Fernerwurde der Stuttgarter Bahnhof bei der Ankunft und bei der Abreisedes Kaisers je auf mehrere Stunden für das Publikum ge-sperrt. Von einem einzigen der vier Bahnsteige, der einen Seiten-Zugang hat, wurden während dieser Zeit Züge abgelassen. Derübrige Verkehr stockte. Bei der Abreise war die ganze Linie StuttgartKarlsruhe mit Landjägern besetzt.—Ein Bekehrter. Der schlestsche Ceittnimsgraf S t r a ch w i tz,der gegen den Mittelland-Kanal gesprochen und gestimmt hat, er-scheint jetzt in einer Reihe von Artikeln als völlig bekehrt. Er hateingesehen, daß der Kanal der Landwirtschaft nichts schaden würde.Er spricht die Hoffnung auS, daß sich unter Voraussetzung einigerKompensationen daS ganze Centrum allmählich für den Kanal uni-stimmen lasse. Wenn diese Hoffnung sich auch nicht ohne weitereserfüllen sollte, so hat Graf Strachwitz jedenfalls feine Hoffähigkeitgerettet.UebrigenS plaidiert auch er nicht für eine unveränderteEinbringung der Vorlage in a l l e rn ä ch st e r Zeit. DaS würdeauf«ine Machtprobe zwischen Regierung und„VolkS"vertretunghinauslaufen. Man sollte warten und schrittweis« vorgehen.—Die bekannte Verschleppungstaktik! Auch die Konservativen habennichts gegen den Kanal, nur soll er erst auf die Tagesordnungkommen, wenn die Handelsverträge nahen, um die gewünschtenhandelspolitischen Kompensationen(höherer Getreidezoll usw.) gegendie Kanalbewilligung einzutauschen.—Schulpflicht für gewerbliche Fortbildungsschulen. DerMinister für Handel und Gewerbe hat unterm 31. v. M. an die Re-gierungspräsidenten den nachstehenden Erlaß, betreffend die Ein-führung der ortsstatutarischen Schulpflicht bei den gewerb-ltchen Fortbildungsschulen gerichtet:„Vereinzelt findet sich»och die Meinung vertreten, daß bei de»gewerblichen Fortbildungsschulen dem fteiwilligen Schulbesuch vordem auf§ 120 der Gewerbe-Ordnung beruhenden ortsstatutarischen Schul-zwang derVorzug zugebensei. Demgegenüber sehe ich mich veranlaßt zubetonen, daß nach den in allen Landesteilen bisher gemachten Er-fahrungen die Fortbildungsschule nur beim Bestehen der orts-statutarischen Schulpflicht gedeiht und ihre Aufgabe erfüllt. Vonden Gegnern des Fortbildungsschul-ZwangeS wird häufig hervor-gehoben, daß durch feine Einführung der Stand der Schule herab-gedrückt werde; die fteiwilligen Schüler feien willig und lerneifrig,die gezwungen zur Schule kommenden dagegen widerspenstigund träge, hemmten die Fortschritte der besseren Schülerund erschwerten die Auftechterhaltung der Ordnung in derSchule. Richtig ist hieran, daß bei Einschulung aller ge«werblichen«rbelter unter 18 Fahren leicht Elemente in die Fort-bildungSschule kommen, die sich der Schulzucht nicht ohneweiteres fügen. Dieses Bedenken läßt sich durch zweckmäßige Ein-teilung der Schüler, insbesondere bei strenger Durchführung de»StufenshstemS und durch Heranziehung geeigneter Lehrkräfte be-heben. Außerdem aber wird sich diesem Uebelstand bei der erstenEiitführung der ortsstatutarischen Schulpflicht leicht dadurch begegnenlassen, daß nicht junge Leute der Schule zugeführt werden, diemehrere Jahre hindurch der Schulzucht entwöhnt sind. DaS Orts«statut ist vielmehr zunächst nur für die unterste Jahresklasse inKraft zu setzen und alljährlich auf einen weiteren Jahrgang auS«zudehnen. Die Erfahrung lehrt, daß sich alsdann die FortbildungS«schulpflicht bald einlebt und Störungen der Ordnung wirksamvorgebeugt wird. Da bei diesem Verfahren die Schule erstin drei bis vier Jahren in ihrem vollen Umfange ausgestaltet wird,so wird damit zugleich dem weiteren Bedenken Rechnung. getragen,daß die Fortbildungsschule bei Einführung der Schulpflicht und dem.dadurch bedingten Anwachsen der Schülerzahl bezüglich der Schul-räume und der Unterhaltungskosten unvermittelt Anforderungenstellt, die sich nach den örtlichen Verhältnissen nicht ohne weitereserfüllen lassen...."Der Erlaß will weiter verschiedene gegen die Schulpflichtfür Fortbildungsschulen geäußerte Bedenken zerstreuen.—Statistische Reichskonferenz. In R o st o ck wurde amFreitag die statistische Reichskonferenz eröffnet, welch« vier Tageunter Vorsitz des Herrn Dr. v. Scheel vom Kaiserlichen StatistischenAmt beraten wird. Die Konferenz ist nicht öffentlich. Die statistischenAemter der meisten Bundesstaaten sowie das Reichs-VersicheruugS-amt und das Reichsamt des Innern sind vertretet«. ES soll darüberberaten werden, wie mehrere im nächsten Jahre zu veranstaltendegrößere statistische Erhebungen einheitlich fürdaS ganze Reich zu veranstalten sind. DaS Ergebnisdieser Beratungen geht dem Bundesrat zu. Die TageS«o r d n u n g umfaßt folgende Punkte: 1. Entwurf der Volks-zählung im Jahre 1000. 2. Entwurf der Ermittelung der land-tvirtschaftlichen Bodenbenutzung in Verbindung mit einer besonderenForststatistii im Jahre 1900. Und 3. Entwurf einer sogenannten„großen" Viehzählung im Jahre 1«00. Zu den beiden letztgenanntenPilnkten ist zu bemerken, daß sie regelmäßig nur alle 10 Jahre ver-anstaltet werden sollen und danach erst 1803 beziehungsweise 1802wieder fällig sein würden. Ihr» diesmalige vorzeitig» Vor-nähme erfolgt aber, um rechtzeitig das Material fürdie Borbereitung der Handelsvertrags-Ver-Handlungen zu beschaffen. Die ursprünglich auch noch alsPunkt 4 auf die Tagesordnung gesetzte Beratung über die Ver-bollstäiidignng der Nachweise über Eheschließungen, Geburten«mdSterbefalle im Jahre 1901 wird, da die Beratungen über Punkt 1bis 3 voraussichtlich die ganze Zeit der Konferenz in Anspruch nehmenwerden, aller Wahrscheinlichkeit nach von der Tagesordnung abgesetztund bis zum nächsten Jahre verschoben werden müssen.—Rettung der Prostituiertet» durch Prügel. Au» Kiel wirdunS geschrieben: Auf der Kieler Probstei- Synode, welche am13. September tagte, ist wieder einmal die Sittlichkeit in Kielerörtert worden. Der Probst Becker, ein großes Kieler Kirchenlicht,hat über die Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit ein Referatgehalten. Danach soll in„entsetzlicher Weise" daS Hebel des Kontroll-systcms, welches auS der Sünde ein erlaubtes Gewerbe mache, sichweiter ausbreiten; der Kampf dagegen jedoch sei matter und flauergeivorden. Als Mittel, dem Uebel entgegen zu treten empfiehlt dieserDiener der Nächstenliebe die>- Prügelstrafe. Gefängntsstrafe seibei diesen Sittenverbrechen nur Ironie.Der Herr Pastor scheint nicht daran zu denken, daß am ehestendiejenigen Prügel verdienen wurden, welche durch Erhaltung undSchutz' der heutigen unseligen Wirtschaftszustände die Prostitutionverursachen und mehren.•—Urteil im Prozeft Dettweiler. Das Urteil des DiSciplinar-gerichtsbofes in Darmstadt gegen Oberschulrat Dettweiler lautete:Nach Artikel IS der Verordnung vom LI. April 1880 über dieDisciplinarverhältnisse der nichtrichterlichen Beamten war Ministerial-rat Soldan zur Erteilung einer Verwarnung an den OberschulratDettweiler nicht befugt, so daß daS erste Disciplinarverfahrengegen Dettweiler für ungültig zu erflären ist. AIS er-wiesen wurde von, Gerichtshof angenommen, 1. eine u n»erlaubte Bevorzugung des jungen Dettweiler durch dieHingabe von Zetteln für deutsch-lateinische Uebersetzungen seitensdes Gymnasiallehrers Dr. Schmidt in Beusheim; 2. die u n-erlaubte Beihilfe deS Vaters für lateinisch-deutsche undgriechisch-deutsche Uebersetzungen. Ferner die unerlaubte Nach-Hilfe durch den Gymnasiallehrer Dr. AHIHeim in Darmstabt fürdeutsch- lateinische und deutsch- griechische Arbeiten. Dieübrigen Anklagepunkte wurden für nicht erwiesen erachtet.Sträferschwerend fielen ins Gewicht die schweren Folgenfür die Anstalten, an denen diese Vorkommnisse ge-schehen waren; die schwere. Erschütterung der Kollegialitätunter den Lehrern am Ludwig-Georg-Gymnasium zu Darmstadtund die Lockerung der DiSciplin; ferner die Erschütterung desGlaubens der Schüler au die Gerechtigkeit und Unparteilichkeitder Lehrer. Strafmildernd kam in Betracht, das Ober-schulrat Dettweiler auS Laterktebe handelte und keineehrenrührigen Motive hatte, ferner ein langjähriger tadel-loser Dienst im hessischen Staatsdienst. ES wurde deshalb nicht nach dem Antrage des Regierungsvertretersauf Dienstentlassung erkannt. Eine Strafoersetzung warunter den vorliegenden Umständen ausgeschlossen, so wurde gegenOberschulrat Dettweiler, der für schuldig befunden wurde, diePflichten verletzt zu haben, die ihm sein Amtauferlege, zu einem Verweis und einer Geldstrafe von 600 M.verurteilt.Es schlägt sich und verträgt sich. Man schreibt uns ausa d en: Die centripetale Kraft, die iin Centrum waltet, trat inMannheim in eine leuchtende Erscheinung. Dort trifft manVorbereitungen zur Wahl der Stadtverordneten. Da ertönte nundas Sammlungssignal der Ordnungsparteien und flugS zeigte sichdie dortige CentrumSleitung bereit, ein Bündnis mit den Bürgerlichen aller Schattierungen zu schließen zum Zwecke, die S o c i a l �demokratie nicht nur um die Sitze auf dem Rathaus, sondernauch um die Mandate in der Zweiten Kammer zu prellen.Freisinnige, Natioiialliberale, Demokraten und Centrumsleute solltenein Konsortium bilden, das sich jetzt und später in die Beute teilt.Die beiden erledigten Knmmermandate für die Stadt Mannheimmüßten der nationalliberalen und freisinnig- demokratischenRichtung zufallen, während für das dritte in zwei Jahrenva kante Mandat ein CentrumS- Ordnungsmann in Betrachtkommen würde. Die Mannheimer Demokratie setzte abereine Ehre varein, ein« solche Zumutung abzulehnenund ließ Hund und Katze, C e n t r u m und Nation alliberalis-m u S. im trauten Freundschaftsbunde allein. So intriguierten dieMannheimer Centruinsführer in demselben Augenblick, woGeneralissimus Wacker im„Bad. Beobachter" erklärte, daß„einepositive Unterstützung einer nationalliberalen Kandidatur durch Cen-trumsstimmen zur Zeit undenkbar sei und derjenige, der das imErnst nicht begreifen will, über badische Politik schweigen soll."Unfern Genossen gewährt dieses ungeschminkte Auftreten der schwarzenHerren keine Enttäuschung; sie werde» nach wie vor im Landtags-Wahlkampf dafür eintreten, daß die Stimmen der Socialdemokratennur für Freunde des direkten Wahlrecht» und gegen die National-liberalen abgegeben werden.Aus der Rheinpfalz. Seit ihren Niederlagen bei denReichstags- und der Landtagswahl sind unsere National-liberalen eifrig dabei, an den wahren Ursachen für diese Nieder-lagen vorbeizusuchen. Als den wichtigsten Grund haben sie beidieser Suche den Mangel eines führenden Organs entdeckt, demdurch Gründung eines neuen Parteiorgans— das in Wirklichkeitnur ein Kopfblättchen wird— abgeholfen werde» soll. Bei dieserGelegenheit hat sich nun die interessante Thatsache ergebe», daß eingroßer Teil derjenigen Presse der Pfalz, die früher und nochbis in die neueste Zeit hinein auSgetprochene natioiialliberaleParteipolitik„mit großer Entschiedenheit und Eutschlossciiheit vertrat",mangels der vielgepriesenen Unterstützung meist stillschweigend denextremen Parteistaudpunkt verlassen und sich zur parteilosen Pressezeschlagen hat. Mit der Feststellung, daß die nationalliberale Presseo wenig Unterstützung bei ihren Parteifreunden findet, daß sie„ausGeschäftsrücksichten" umkehren muß, tvird aber auch zugleich zumer st en male offen eingestanden— was übrigens denPolitikern auch außerhalb der lßfalz schon längst nicht mehr un-bekannt daß die nationalliberale Partei derPfalz auf dem AuSsterbe-Ttat steht.—Zu den LandtagSwahleu in Badenwird uns von dort geschrieben: Der Aufmarsch der Parteien zu denim Oktober stattfindenden Landtagswahlen ist nahezu vollendet. Inden 32 zur Reuwahl stehenden von insgesamt 03 Bezirken haben dieNationalliberalen bisher 24, Centrum und Freisinn-Demokratie je 9,die Socialdemokraten 7, die Antisemiten 4 und die Konservativen 1 Kandidaten aufgestellt. Die Namen der s o c i a l i st i s ch e nKandidaten sind Apotheker Lutz- Baden-Baden im Bezirk Karlsruhe-Land(bisheriger Vertreter Landgerichtsrat Stockhorner, k.), Redacteuri? endlich vom Karlsruher„Volksfreund" im Bezirke Durlach-Stadt(bisher Rechtsanwalt Binz, natl.), Chemiker Opifizius-Pforzheim im Bezirke Pforzheim-Stadt(bisher Fabrikant Gesell, natl.),Kaufniann D r e e S b a ch und Gastwirt Geiß, beide in Mannheim, imBezirke Mannheim-Stadt, den sie bisher bereits vertreten, WerkmeisterA e i h im Bezirke Schwetzingen(bisher Landwirt Eder, fteis.)und Lithograph Sommer- Weinheim im Bezirk Weinheim(bisherPfisterer, Antisemit).— Das vornehmste Kampfobjekt bildet für dieoppositionellen Parteien bei den bevorstehenden Wahlen die Er-ringung des d i r e k t e n W a h l s y st e m s für den Landtag, eineForderung, um die sich der„Liberalismus" der bisherigen Re-äerungspartei herumzudrücken versuchte, wie die Katze um den heißenBrei. Neuerdings hält es die nationalliberale Partei für wohlvereinbar mit ihren„liberalen" Grundsätzen, für daS direkteWahlrecht nur unter der Bedingung einzutreten, daß zu demallgemeinen, ans der unmittelbaren Wahl hervorgegangenen Ab-geordneten noch solche hinzukommen, die von Interessen-Vertretungen, etwa den Kreisversammlungen ernannt find.Damit hofft man den Einfluß der breiten BevölkerungSmaffen aufdie Zusannuensetzung der Volksvertretung lähmen und die national-liberale Mehrheit im Parlament auf alle Zeit hinan« festlegen zukömien. DaS badische Volk wird jedoch bei den Oltoberivahlen durchdiese nationalliberale Rechnung zweifellos einen dicken Strichmachen.—_Ehronik der MajestätsbeketdigungS-Prozesse.Vom Landgericht in G l e i w i tz ist am 12. d. M. der KolporteurJosef Kaudziora aus Zaborze wegen angeblicher Mafestäts«beleidigung, Gotteslästerung und Beschimpfung von Einrichtungender katholischen Kirche zu neun Monaten Gefängnis ver-urteilt tvordrn. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffent-lichkeit statt. Die Strafthaten sollen bei der Lektüre und Besprechungeines Zeitungsartikels geschehen sein. Kandziora erklärte_ dieDenunziation für Verleumdung. Sein Verteidiger war JustizratPohl in Gleiwitz.In K a t t o w i tz ist am 12. d. M. ein Arbeiter wegen angeb-sicher Majestätsbeleidigmig verhaftet worden.Schuljungen wegen Majestätsbeleidigungverhaftet. Aus Flehingen, einem badischen Dorfean der württembergischen Grenze, wird als„ein trauriger Zivischen-fall' gemeldet, daß während des Gottesdienstes zurFeier des Geburtstags deS Großherzogs vonBaden, in welchem auch Zöglinge der dortigen Erziehungsanstaltanwesend waren, zwei derselbe» mit lauter Stimme während derPredigt auf Großherzog und Kaiser bezügliche Aeußernngen rohesterArt ausriefen. Durch den ebenfalls im Gottesdienst anwesendenGendarmen wurden die Burschen sofort wegen Majestätsbeleidigungverhastet und ins AmtSgefängnis nach Bretten geliefert.Ausland.Transvaal.Die Situation ist unverändert. In London ist ein neues Blau-buch über Transvaal publiziert worden. Es enthält die Dokumentevom 16. Mai ab. Ein langer Brief Milners vom 23. Augustkommentiert die Ereignisse der Konferenz von Bloemfontein.Die„TimeS" melden aus Paris vom DomierStag: Es heißt,Minister Delcasfö habe den französischen Generalkonsul inTransvaal angewiesen, seinen ganzen Einfiutz aufzubieten, damitPräsident Krüger EhamberlainS Borschläge an-nehme.Den„Times wird auS Kapstadt telegraphiert: PremierministerSchreiner teilte im Gesetzgebenden Rat mit, im Küstenstrich vonMagude nahe der Delagoa-Bai seien 42 Fälle von Pestfestgestellt worden, die sämtlich tödlich verlaufen seien.»»»Johannesburg, IS. September.(B. H.) Bon Pretoria wirdgemeldet, daß der Raab die Absicht hat, sich zu vertagen,um seinen Mitgliedern zu erlauben, ihre Wähler über die ein-zunehmende Haltung zu interpellieren. Die» würde den Abschlußder Krise noch mindestens um zehn Tag« hinausschieben.Frankreich.PartS, 16. September. Der„Matin" will wiffen, derMinisterrat hätte sich im Princip mit der Begnadigung vonDrcyfus einverstanden erklärt. Das betreffende Dekret werde amnächsten Dienstag unterzeichnet werden. Zahlreiche Blätter in denDepartements bestehen auf der Begnadigung von DreyfuS; dem„Figaro" zufolge verlangen auch Offiziere die Begnadigung.Der„Figaro" meldet ferner, die Nieberschlagung von Prozessenin der Komplott-Rffaire würde in zahlreicheren Fällen eintreten,als man glaube, da die Staatsanwaltschaft nur diejenigen Personenvor den StaatS-GerichlShof bringen wolle, gegen welche sie erheb»licheS Belastungsmaterial besitzt.„Siöcle" versichert,«n dem Be«richte deS Staatsanwalts werde festgestellt, daß das Komplott schonseit mehreren Jahren bestehe, wie da» aus einer Reihe von Putsch-versuchen hervorgehe.Am Montag, gelegentlich de» Zusammentritts des Senats alsStaatsacrichtshof, beabsichtigen die Nationalisten, vor dem Luxem-burgpalast eine M a n i f e st a t i o n zu veranstalten. Andererseitsschlägt die„ P e t i t e R ö p n b l i q u e" ein großes republikanischesMeeting zu der am 22. September erfolgenden Enthüllungdes Denk m als„Der Triumph der Republik" aufder Place de la Nation vor.In Nantes ist eine gerichtliche Untersuchung über die Thätigkeitder Antisemitenliga, der Nationalistenliga und der Liga derroyalistischcn Jugend eröffnet worden. In St. Etteime wurdenin den Redaktionen zweier antisemitischen Blätter und bei denvornehmsten Führern der Antisemitenliga Haussuchungen abge-halten.—Spanien.Oporto, IS. September. Die Regierung hält den Sanitiitö-Eordon, den sie für notwendig hält, aufrecht.Madrid, 15. September. Hier wurden SV typhuSartigeErkrantuugSfälle festgestellt. Die Sterblichkeit ist jedoch eine sehrgeringe.Rußland.Fiiinländisches. Der Stellvertreter deS Generalgouverneursvon Filinlaud, General Schichow, hat in einem Schreiben den sinn-ländischen Senat aufgefordert, alle Mittel anzuwenden, um derWirksamkeit der vaterländischen Vereine einEnde zu machen, sowie Personen, welche im Lande umher-reisen, um die Bevölkerung zum Ungehorsam gegen die Berfügungenund Maßnahmen der Regierung aufzuiviegeln,„das Handwert zulegen". Der General gründet seine Kenntnis, daß eineruisen- feindliche politische Agitation thatsächlich bestehe, wieer selbst iu seinem Schreiben gesteht, nur auf die Lektüreder sinuländischeu Presse und„private Mitteilungen", daS heißtauf Meldungen der russischen Gendarmen, die jetzt in großer Zahlüber Finnland ihr Spionageuetz ausgeworfen haben. Lediglich aufdie Denunziattoiien der völlig ungebildeten russischen Gendarmengeftiitzt, richtete der Generalgouvenieur auch kürzlich an den Senatdie Aufforderung, eine Untersuchung über etwaige politische An-spielungen in den Sonntagspredigten lutherischerGeistlicher anstellen zu lassen.Auf derartige Spitzelberichte und bloße Gerüchte hin gründetdie russische Regierung dann ihre Gewaltmaßnahmen.—Serbien.HochverratSprozest. In der Donnerstags- Vormittaassitzungerklärte der Angeklagte Stoikowitsch, der ehenialige Prof. Negotinehabe mit Pawicewitich als Advokat in Verbindung gestanden, seineBriefe an den letzteren enthielten nichts Hochverräterisches. DieWorte in dem zu Ehren Pasics von ihm gesprochenen Toaste seienin der Anklageschrift unrichtig wiedergegeben.Er sei ein Radikaler aus Ueberzeuguiig. jedoch kein Gegnerder Obrenowitsch, er habe keinen Grund, die Rückkehr der Kara-georgewitsch zu wünschen. Es wurde sodann die frühere Aussagedes Zeuge» Kosta Mladenowitsch verlesen, aus welcher hervor-geht, daß Stoikowitsch in dem oben erwähnten Toast sagte, die gegen-wärtigeLage sei düster, verfassungswidrig und den Interessen des Serben-Volkes und der anderen Balkanvölker nicht entsprechend. Mladenowitschhält seine Aussage aufrecht und beschwört dieselbe. Stoikowitsch leugnetalles. Der Angeklagte Nowako witsch erklärt die gegen ihnerhobene Anklage für unbegründet. Der Angeklagte NadasMarinkowitsch erklärt auf eine Anfrage, er habe vor dem Attentatnicht gesagt, daß sich ein schwerwiegendes Ereignis vollziehen werde.Mehrere Zeugen versichern, Marinkowitsch habe immer gewußt,was die Radikalen planen. Der Angeklagte Todorowitschleugnet, vor dem Attentat gesagt zu haben, daß bald Blutfließen werde. Einige Zeugen bestätigen jedoch, daß er sich indieser Weise geäußert habe.—