-
230
Gott sie wäre ja schon dankbar gewesen, wenn er feinen] Buckel und feine Trinkernase gehabt hätte.
Und nun
-
-1
Die zartfarbige Krawatte mit der granen Berte... und die sicheren nonchalanten Bewegungen eines Mannes, der sich in der Welt umgesehen hat. Und dies verwirrende Lächeln in seinen Augen, um feine Mundwinkel, das irgendwie mit ein klein wenig Spott gemischt schien und welches sie nicht zu deuten wußte..
Er beobachtete sie utausgefeht, während er seiner Mutter Hand hielt und deren Fragen beantivortete. Das bescheidene Gretchen fühlte mit Entzücken, daß sie unvermerkt in diesem Kreise zur Hauptperson wurde. Es wirkte auf das Mädchen wie starker Wein. Ihr hübsches Gefichtchen war ganz in Rosenröte getaucht, fie lachte über Ottofars Scherze und erwiderte sie mit einer Instigen Schelmerei, die Frau Holmt noch gar nicht an ihr kannte. Sie ließ sich nicht zwei Sekunden bitten, sondern setzte sich ans Klavier und sang ihre Lieder, die Frau Holm ihr mit unermüdlicher Geduld eingeprägt hatte, denn Gretchen war nicht besonders musikalisch. Der junge Mann trat zu ihr und wendete ihr die Noten um. Als fie das Lied zu Ende gesungen hatte, bengte er sich über sie und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie antwortete ebenso leise, und es entspann sich eine ernsthafte und eifrige Unterhaltung zwischen den beiden.
Frau Holm saß in der andern Ecke des Zimmers allein auf ihrem Divan. Es war nur eine kurze Zeit. Und sie hätte still für sich in der Freude schwelgen können, daß ihre Wünsche sich so über alles Hoffen und Erwarten zu erfüllen schienen. Aber statt der Freude überfiel fie eine unbegreifliche Traurigkeit, und sie kam sich so einsam und verlassen vor wie noch niemals in ihrem Leben.
〃
Als es 10 Uhr schlug, sagte sie zu ihrer Schiviegertochter:„ Du siehst müde aus, Kind, geh' zu Bett." Ihr Sohn wollte Einspruch erheben, aber es flang ein scharfer Ton in ihrer Stimme, als sie kurz antwortete: " Gretchen ist gewöhnt, um 10 Uhr ins Bett zu gehen." ( Fortsetzung folgt.)
"
-
Eine Entscheidung fam mit dem 18. März. As an diesem Tage um die Mittagsstunde eine große Boltsansammlung vor dem königlichen Schlosse stattfand, das Militär gegen die nichts weniger als bösartigen Maffen vom Schloßhof aus vorrüdte, und die in ihrem Ursprung noch heute unaufgeklärten beiden Flintenschüsse fielen, flüchtete sich das Volk scharenweise in die nächsten Straßen. Das Lesekabinett lag an der Ecke der Oberwallstraße gegenüber der Hauptbank, und vor dieser stand ein einzelner Grenadier als Wachtposten, gegen den die erste Aufregung der Massen sich wendete. Eichler hatte diesen Lärm vom Lesekabinett aus bemerkt und drängte fich unter den Haufen. Man hatte den Grenadier thätlich angegriffent und versuchte, ihm sein Gewehr zu entreißen. Bei diesem Ringen, an dem sich auch Eichler beteiligt hatte, ging das dem Soldaten schon halb entwundene Gewehr los, und die Kugel fuhr ihm durch den Kopf; er war sofort tot. Die Menge stob entfekt auseinander; nur einige Männer, unter ihnen Eichler, bemühten sich um die Leiche. Wie der Kampf dann allgemeiner wurde und die ganze Stadt ergriff, ist bekannt; in den nächsten Tagen erst dachte man daran, den Hergang des ganzen Ereignisses genau festzustellen, und dabei spielte die Scene vor der Bank eine hervorragende Rolle, da Eichler war rothier das erste Opfer des Kampfes gefallen war. föpfig und trug einen mächtigen roten Bart, was bei Aufständen bekanntlich stets ein starkes Verdachtzeichen ist; er war überdem der einzige unter den Teilnehmern, der vielen Leuten bekannt war, und so sprach es fich bald herum, daß er der Thäter gewesen sei. Da die Revolution fiegreich verlaufen zu sein schien, wurde dieses erste Ereignis als der Beginn des Voltstampfes von vielen hochgepriesen, von andern freilich umsomehr verabscheut. Eichler nahm bei diesem 8wiespalt der Ansichten eine neutrale Stellung ein; er lengnete die That nicht, aber er bekannte sich auch nicht zu ihr, und über den Abschen der einen tröstete ihn die Popularität, die er bei dem revolutionären Bolk genoß. Aber sie erblaßte im Laufe des Sommers, und als die Polizei sich einigermaßen start genug fühlte, begann sie die Unterfuchung wegen des Falles. Da die Zeugen, so viel man deren ermitteln fonnte, nichts Genaues über den Urheber zu sagen wußten und Eichler selbst zugab, zwar in dem Gedränge gewesen zu sein, aber jede Kenntnis von dem Ursprung des Echusses in Abrede stellte, wurde die Sache niedergeschlagen. Aber für fein ferneres Leben war und blieb sie entscheidend. Sein Erwerb war unsicher geworden; in der Gesellschaft, selbst seiner Berufsgenossen, war er gemieden und so versant er in dauernde Not. Die Sorge uns Brot hätte ihn nicht
niedergedrückt, aber es gab Zeiten, in denen er düster und menschen schen erschien, und das frischte stets von neuem den Verdacht auf, die Blutschuld haftete auf ihn.
Im Laufe der Jahre, als die Erinnerung an 1848 mehr und mehr verblaßte, nahm Eichler die Ueberseßerthätigkeit wieder auf und fand Zuspruch, da er eine zierliche und sehr deutliche
Co
In der Frankfurter Beitung" veröffentlicht Josef Handschrift besaß, aber er war träge geworden, hielt nicht Wort, Stern Stide aus den hinterlassenen Aufzeichnungen von Guido und die Verleger mußten, wenn die Konkurrenz drängte, ihn Weiß; wir entnehmen ihnen folgenden Abschnitt über Ludwig bei genügender fester und spärlicher flüssiger Nahrung in ihren Eichler, der wegen feiner originellen Persönlichkeit und wegen seiner Druckereiräumen cinsperren, um seiner Arbeit sicher zu fein. Fertigkeit als Uebersetzer auch in den Kreisen der Fachgenossen übersetzte er z. B. in drei Nächten und zwei Tagen Renaus„ Lehen die Jesu", und es war beste unter einiges Aufsehen erregte: allen ihr folgenden Uebersetzungen. Er ging darauf immer mit gutem Humor ein und rächte sich dafür, da ihm ein Vorschuß niemals bewilligt wurde, in den nächstfolgenden Tagen oder Wochen mit einem Wohlleben nach seinem Geschmack, wo er dann für weitere Arbeiten, und hätten sie die verlockendsten Bedingungen geboten, nicht cher wieder zu haben war, bis der letzte Groschen aufgeflogen war. Eine Wohnung hatte er längst nicht mehr, er begnügte sich, mochte er Geld haben oder nicht, nachts au das Thor einer Fuhrmannsschenke in der Fischergasse zu klopfen, eines uralten Gebäudes, das einst bessere Tage gesehen und der Hof von Michael Kohlhaas, dem Noßfamm, gewesen war. Dort wurde aber auch dem Stanumgaste die Sperrfette nicht eher gelöst, bis er durch die Thürspalte dem Hausknechte die sechs Pfennige eingehändigt hatte, den Preis für ein Nachtlager auf gemeinsamer Streu mit einer umgelegten Stuhllehne als Stopffiffen. Hier wusch und säuberte er sich am andren Morgen so gut als möglich; der Hausknecht lich ihm aus alter Bekanntschaft die Schuhbürste und etwas Wichse, so daß er immerhin recht reinlich aussah, wenn er auf die Straße trat, den grünen Plaid um die Schultern geschlagen, der ihm je nach dem Wetter als Sommerjackett, als Winterrock, als Pelz und als Regenschirm diente und den er um feinen Preis je ablegte, weil darunter die bare Hemdärmeligkeit wohnte. lind 111112 Schritt er einher in frischem Sinnen, wen er heute wohl anpumpe. Denn das war ein Gewerbe, das er als Kunst und mit Grazie betrieb. Er hatte aus früheren besseren Zeiten die Gabe einer leichten, gemütlichen Unterhaltung sich bewahrt, und so wurde der Unerfahrene Bon einem Gespräche über Stadtnenigkeiten, leicht sein Opfer. politische oder litterarische Ereignisse sprang er plöglich ab, als täme ihm da ein angenblidlicher Einfall, und fragte den Gastfreund, ob er ihm eine bestimmte, meistens fleine Eumune wohl bis morgen" darleihen könne. Auf Herunterhandeln ließ er sich nicht ein, er ließ dann durchblickeit, daß es sich um eine Ehrenschuld handle, die er, da er gerade in der Nähe sei, begleichen wolle, leider habe er seine Geldtasche auf dem Nachttische liegen lassen. Miglang das, so ging er ungestört freundlich von dannen, zu einem zweiten. Ebensowenig aber ging er darauf ein, wenn der Angezapfte ihm etwas mehr geben wollte, denn darin hatte er einen seltsamen Stolz. So stattete er Imit großer Regelmäßigkeit an jedem Sonnabendnachmittag seinem
Ludwig Eichler stammte aus einer jener fehr seltenen Berliner Familien, die ihr Dasein auf mehrere Jahrhunderte zurückführen können. Es mag ja auch in andren Hauptstädten vor kommen, daß eine solche Familie durch Fleiß oder Glück eines ihrer Mitglieder plöglich aus dem Dunkel hervortritt und zu Reichtum, Ehren und Würden in der Bürgerschaft gelangt. Dieses Ansehen er hält sich vielleicht durch ein paar Generationen, aber es vermindert fich mit der Verzweigung der Familie, und es bedarf dann nur eines Mißgeschicks oder einer Schuld, so verschwindet ebenso rasch der Glanz des Namens und damit der Name selbst. Die späteren Nachkommen find entweder im Elend verkommen oder ausgewandert oder haben die Geschichte ihres Stamms vergessen: furz, man findet ihren Namen nicht mehr in der Geschichte der Stadt. Die Eichlers gehörten in älteren Zeiten zu den Fischerfamilien, die in den engen, dunklen Gassen der inneren Stadt, die an die Ufer der Spree führten, ihre Stammhäuser besaßen. Später wendeten sich mehrere dent SchlächterHandwerk zu, und auch das mit Glück. Einer dieser Familien gehörte besagter Ludwig an, und die Verhältnisse waren so geartet, daß seinem Wunsche, studieren zu können, nichts entgegenstand. Aber nach einigen Jahren wandte sich das Glück, der Vater starb und es zeigte sich, daß die Hinterlassenschaft nur eine sehr geringe war. Der Sohn war min ganz auf eignen Eriverb angewiesen, aber da er tein Fachstudium ernsthaft betrieben hatte, so blieb ihm nur das freie Litteratentim, mit dem er es versuchen konnte. Die franzöfifche Litteratur drang damals mit Macht in Deutschland ein, die Nach frage nach geschickten llebersegern war groß, und so hatte Eichler bald ein ausreichendes Brot: viele Romane von Dumas und George Sand fanden durch ihn den Eintritt in die deutschen Leserkreise. In den Litteratenkreisen hatte er wenig Verbindungen, da er weder einer Clique, noch einer Partei angehörte, sondern ein unabhängiges Biminler leben führte; bekannter wurde er erit, als er in dem Lesekabinet von Julius auftauchte, das in der Mitte der vierziger Jahre eröffnet und bald der Sammelpunkt aller social oder politisch Unzufriedenen geworden war. Hier gefiel er sich in wüsten und aufregenden Gesprächen und Vorschlägen, die man indessen nicht besonders ernst nahm, da man ihn wegen seines bekannten dissoluten Lebens eher für einen Diener der Polizei hielt, bei der das Justitut als ein sehr Jefährliches galt.