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C'est la guerre

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dringlich zu sein, ist der Schmud fast aller Ausstellungsgebäude; Frende. fagt man gleichmütig, das ist der mit schönen Friesen, mit Reliefs und Statuen ist man nicht sparsani Krieg, die drängende Nötigung zu ruhelosen Schaffen im Dienste des Kapitalismus. -

umgegangen.

Kleines Feuilleton.

S.

Nur an einzelnen Stellen ist man ins Absurde verfallen, und das besonders bei der großen Eingangspforte auf dem Eintrachts­play. Um dort eine möglichst große Zahl von Schaltern und Durch­läffen zu schaffen( 39), die auch dem gewaltigsten Menschenandrang genügen sollen, hat man dem Thor die Gestalt eines nach der einen Ein unbekannter Mann." Den hinterlassenen Aufzeichnungen Seite offenen Kuppelbaus gegeben. Aber die Formen find leider von Guido weiß, die Joseph Stern in der Frants. 3tg." mit­gründlich mißraten, und das Ganze hat eine verzweifelte Aehnlich teilt, entnehmen wir den folgenden Abschnitt: In der Nacht, die der feit mit einem jener Kleinen Defen, die man in Frankreich großen Bestattungsfeier der am 18. März 1848 in Berlin Gefallenen an kalten Tagen vor den Kamin stellt, um dem Zimmer vorausging, hielten wir Studenten die Ehrenwache bei den Toten. mehr Wärme zu geben. Salamander heißen diese nüzlichen Diese waren in dem deutschen Dom am Schillerplatz aufgebahrt, Gegenstände und Salamander hat denn auch der Volks- und in der nur schwach erleuchteten Kirche herrschte eine ungemein

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wiß das große Eingangsthor getauft. Und mm denke man sich oben feierliche Stille, denn Zutritt wurde nur denen gestattet, die noch auf dem mehr als 30 Meter hohen, in schreienden Farben man von dem einen oder andern der Toten Abschied zu nehmen famen sagt, das sei assyrisch" gehaltenen Bogen die Gestalt einer oder unter ihnen einen ihrer Angehörigen suchten. Man unter­Pariserin, gleichsam die Repräsentantin der festgebenden Stadt! schied die beiden Klassen der Besucher sehr bald an der Unsicherheit, Aber keine allegorische Figur, sondern eine Gestalt in modernster mit der fie in einzelne der bleichen Gefichter starrten und dann kopf­Toilette, die mit der Rechten ihr überreiches Gewand kokett ein wenig schüttelnd in der Reihe weiter gingen oder anderseits mit leisem rafft und mit der Linken eine einladende Geberde macht, wie wenn Wehlaut bei der Leiche niederknieten, ihre Hände ergriffen und das fie auf gut Berlinisch sagen wollte: Immer rin, meine Haupt auf das Herz neigten, das nicht mehr schlug. Herrschaften, immer rin in die jute Stube!" Diese In später Nachtstunde erschien an der Pforte eine hochgewachsene erste größere Werk Bildhauers, hat einen er mer eines talentullen ingen alte Dame, dunkel gekleidet, ohne jeden Schmuck oder Putz, gefolgt von Diskussionen in von einem alten, ebenfalls großen und weißhaarigen Mann in Peris entfesselt. Einmal hieß es, man wolle sie wieder entfernen, einem[ bis zu den Füßen reichenden schwarzen Rock, der offenbar weil sie gar zu sehr die Spottlust des Beschauers erwecke: biedere einen Diener verriet, von dem aber die Tressen oder sonstige Nationalisten, die guten Haffer, machten sogar den neckischen Vor- Abzeichnungen einer Livree entfernt worden waren. Die vornehme schlag, man solle unfren Genossen Millerand der besseren dekorativen würde, mit der die Dame auf die Frage des thürhütenden Stu­Wirkung wegen da oben plazieren aber schließlich ist der Sturm denten, was ihr Begehr sei, nur die Antwort gab: Ich suche einen im Glase Wasser verrauscht, die Figur bleibt oben, und Millerand Toten!" hielt den Bosten ab, eine weitere Frage zu thun, und so hat zu ebener Erde die Ausstellung eröffnet, ein Vorgang über dessen trat sie in die Kirche ein. Langfam, aber in ihrem Suchen sicher, Verlauf und Bedeutung unsre Leser bereits an andrer Stelle dieses ging fie die Reihen entlang, ein Blick auf die Kleidung genügte ihr, Blatts unterrichtet worden find. Unter den Ahs und Ohs der weiter zu schreiten. So hatte sie die traurige Musterung beinahe Bewunderung und des Erstaunens fonnte ein aufmerksames vollendet, als der alte Diener an fie herautrat und sie leise auf Ohr amt ersten Sonntag der Ausstellung doch aus den etivas aufmerksam machte. Auf ihre haftige Frage deutete er Unterhaltungen immer wieder den einen Gegenstand der Unter- auf eine Reihe, die eben durchschritten worden war. Dort lag in haltung heraushören: es ist ein Socialdemokrat, der diese Ausstellung einfacher Arbeiterkleidung ein junger, großer, fräftiger Mann, eröffnet hat. Ein sonntäglich gekleideter Arbeiter, seinem ganzen dent die Müge tief ins Gesicht gedrückt war, weil die Kugel ihm Aeußern nach ein Urpariser und, wie sich im Verlauf unsres Ge- mitten zwischen den Angen in das Gehirn gedrungen war und sprächs herausstellte, ein braver Parteigenosse, besuchte mit Weib und die Wunde das Geficht etivas entstellt hatte. Sie bengte sich rasch Kind die Ausstellung, um, so sagte er halb scherzend, halb ingrimmig, nieder und schob die Müße zurück, ein Blick auf das freigewordene das Wert zu sehen, was ihm die Wohnung und seine Mahlzeiten Geficht und sie fant auf die Knie. Sie ergriff die Hand des Toten schon jest teurer gemacht habe. Die Preise steigen hier in der That und schien nach einem Ringe zu fühlen. Den aber mochte er, ehe überraschend. Darunter haben natürlich in erster Linie die Arbeiter und er in den Kampf gegangen war, ebenso wie er die Kleidung ge­die Angestellten des Staats, der Gemeinde und der großen Transport- wechselt hatte, entfernt haben, um jedenfalls unerkannt zu bleiben. und ähnlicher Gesellschaften zu leiden. Die Pariser Hausagrarier Aber die weiße und weiche Hand hatte ihr genug gefagt, ebenso die könnten durch ihre Unverschämtheit den Neid des notleidendsten Kleidung, die zwar aus groben Stoffen gefertigt, aber sicherlich kurz preußischen Junkers erregen; schußlos ist das Proletariat und die vorher erst aus einem Laden entnommen worden war. Sie war mun Menge der Ausstellungsbesucher ihren wahnwißigen Forderungen für ihrer Sache sicher, noch einen starren, trostlosen Blick in das stille Zimmermiete preisgegeben. Ein neuer Beweis dafür, welch großes Gesicht von ihr und sie legte die Hand des Toten sanft wieder zur Verständnis die Bourgeoisie für Solidarität besigt natürlich nur Erde und erhob sich. Sie schritt nicht mehr weiter und wandte für die Solidarität, die ihrem eignen Geldbeutel zu gute kommt. sich der Thür zu, sie zog das Taschentuch heraus, aber fuhr damit In diesen Tagen sprach ich mit verschiedenen französischen Partei- nur über das Gesicht, als wolle sie einen Abdruck dessen, was sie genossen über die Vorbereitungen für den diesjährigen internationalen gesehen, von ihm entfernen und wandelte ebenso würdevoll aber bei­Kongreß, der, wie man weiß, für den 23. September zusammen- nahe leblosen Auges von dannen. Drüben am Plage wartete ein berufen worden ist wir sprachen, wohlverstanden, über die Vor- Wagen, der Diener schwang sich auf den Bock zum Kutscher und der bereitungen, die man nicht sieht! Es mag uns die Bemerkung Wagen rollte nach Westen! gestattet sein, daß die verschiedenen nationalen Vertretungen gut daran thun werden, möglichst frühzeitig und gründlich mit unsren hiesigen Stameraden die Fragen des Logis, der Verpflegung usw. zu regeln, weil sonst die der französischen Sprache wenig oder gar nicht mächtigen und in Paris ganz unbekannten Deputierten nach zwei Tagen eine sehr bedenkliche Ebbe in ihren ja ohnehin nicht allzu reichlich gespickten Geldbeuteln erblicken dürften. Wir geben diese Anregung hier, nicht um etwa unfren französischen Mitkämpfern irgend welchen Tadel über mangelnde Vorbereitung auszusprechen, wozu offenbar jetzt in der Mitte des Aprils nicht der geringste Anlaß vorliegt, sondern lediglich in der guten Abficht, ihnen noch einmal die Wichtigkeit umfassender Vorarbeiten gerade auf dem Gebiete des Wohnungs- und Verpflegungswesens vom Standpunkte des Aus länders ans Herz zu legen, so lange es Zeit ist.

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Die stille Scene hatte die Teilnahme der Näherstehenden er­weckt und so standen sie bald um den Toten. Man hatte an seinem Gewande eine Nummer befestigt und die Bemerkung eines Verzeichnisses: Ein unbekannter Mann." Denn in der That hatte man nichts bei ihm gefunden, was zu einem Namen hätte führen können, selbst das Taschentuch war ohne Zeichen. Die Finger waren leicht geschwärzt von Pulverstaub, ein Beweis, daß er zu den Kämpfern gehört hatte, obwohl keine Waffe bei ihm zu finden ge­wesen war, die wohl ein Nachbar zur Fortsetzung des Kampfes er­griffen haben mochte. Der Beigefinger der rechten Hand trug die breite Rinne eines Ringes, der lange an dieser Stelle gesessen haben mochte; es war wohl die Spur eines Siegelringes, wie er damals, zur Beit des Siegellacks, noch häufig getragen wurde und dann eine Inschrift oder ein Wappen zeigte. Am andern Tag erfolgte das Begräbnis auf dem vor einem östlichen Thor Berlins gelegenen Friedrichshain , in dem ein runder, freier Platz derart dazu her­gerichtet war, daß die letzten der nach dem amtlichen Verzeichnis folgenden Särge auch in dem äußersten Umkreise des Plazzes ihre Stätte fanden.

Der gewöhnliche Pariser Tag hat mindestens 26 Stunden, denn das Treiben und Wogen auf den großen Boulevards und in den Cafés dauert immer bis tief in den folgenden Tag hinein. Aber die Ausstellungsleitung scheint die Pariser zur Solidität verführen zu wollen, denn um 10 Uhr war am ersten Tag alles schon tot und still; die elektrischen Lichtanlagen gestatten noch keine längere Be- Dort ruhte mun also auch der unbekannte Mann". Nach einigen leuchtung und so mußte denn die Menge frühzeitig das Wochen erhoben sich auf den Gräbern auch Denkmäler, einige etwas Feld räumen. Durch ein furchtbares, nervösmachendes Wagen- reicher ausgestattet, die meisten aber einfache, schwarze Kreuze mit getvimmel mußte man sich am Ausgang den Weg bahnen, in steter Namen und irgend einem Sprüchlein. Da fiel es wohl auf, Gefahr, unter den Rädern irgend einer Herrschaftskalesche oder daß an dem äußersten Rand des Friedhofs, wo wo das eines Omnibus zermalmt zu werden, was im Effekt auf dasselbe Unkraut schon zu wuchern begann, eines Tags ein schöner, Hinauskommt: Demokratie des Todes. Aber es geht wunderbarer- weißer Marmorstein, zierlich geglättet und nach allen Regeln der weise fast ohne jeden ernstlichen Unfall ab. Nur das arbeitende Kunst in den Hügel eingefügt hervorschimmerte, der in Goldbuchstaben Volt mußte auch am Tage der Ausstellungs- Eröffnung, an diesem die Inschrift trug: Ein unbekannter Mann. Wer den Stein gesezt schönen sonnigen Ostersonntag, sein Blutopfer darbringen; fünf arme habe, wer wußte es zu sagen, wer hatte danach zu fragen?! So Teufel, die in haftiger, angespannter Arbeit auch am Feiertage die ruht das Geheimnis wohl heute noch ungelöst, und der stille Plaz fleißigen Hände regten, sind gestern die Opfer ihres Berufs ge- verwächst allmählich wieder mit dem Part. Aeltere Leute wollen worden, abgestürzt von Gerüsten liegen sie nun mit zerschmetterten nach einigen Jahren in einem der gothaischen Adelskalender eine Gliedern in irgend einem Spitale dieser Stadt der Pracht und der deutliche Spur des unbekannten Mannes" gefunden haben, und in