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,, Das ist unmöglich!"
Böse sein! Was denkst Du eigentlich!" fragte er und Gegenwart der Gemeinde bedeutet nach Paragraph so und so sein Gesicht wurde plößlich ernst; die Augen blieben stehen, Zwangsarbeit." die Brauen hoben sich. Er wollte sich augenscheinlich auf etwas besinnen; Nechljudow nahm an ihm genau denselben stumpfen Ausdruck wahr, wie an dem Menschen mit hoch geschobenen Augenbrauen und aufgesperrten Lippen, der ihn im Fenster des Wirtshauses in Erstaunen versezt hatte. Diese Kälte, ah?"
"
" Ja, ja."
" Ich versichere Sie. Ich sage immer zu den Herren vom Gericht," fuhr der Advokat fort: ich könnte sie nicht ohne Dankbarkeit ansehen, weil, wenn ich nicht im Gefängnis size, und Sie ebenfalls nicht, und wir alle nicht,- das nur dank ihrer Güte geschieht. Denn jedem von uns feine Sonderrechte abknüpfen und ihn an einen nicht so sehr " Hast Du die gekauften Sachen?" wandte er sich an entfernten Ort zu bringen, ist das allerleichteste Ding von der feinen Stutscher. Also, leb' wohl; freut mich außerordentlich, Welt." Dich getroffen zu haben," sagte Schönbock; dann drückte er Wenn aber alles von der Willfir des Staatsantvalts Nechljudow kräftig die Hand, sprang in die Renndroschke, und der Personen abhängt, die das Gesetz anwenden können winkte vor dem glänzenden Gesicht mit der breiten Hand im und nicht anwenden, wozu ist dann ein Gericht da?" neuen, weißen, sämischledernen Handschuh und lächelte Der Advokat brach in ein fröhliches Gelächter aus. gewohnheitsmäßig mit seinen unnatürlich weißen Zähnen.
Bin ich wirklich auch so gewesen?" dachte Nechljudow, indem er seinen Weg zum Advokaten fortsette. Wenn auch nicht ganz so, so wollte ich doch ebenso sein und dachte, ich? würde mein Leben so hinbringen."
Erftes Rapitel.
Der Advokat ließ Nechljudow außer der Reihe vor und begann sofort von dem Prozeß Menschows zu sprechen, den er durchgelesen hatte. Er war entrüstet über die schwache Begründung der Anklage.
„ Dieser Prozeß ist einfach empörend", sagte er.„ Höchst wahrscheinlich hat der Eigentümer selbst den Brand angelegt, um die Versicherungssumme zu erhalten. Es kommt aber darauf an, daß die Schuld Menschows durchaus nicht eriviefen ist. Nicht der geringste Evidenzbeweis. Einzig der Uebereifer des Untersuchungsrichters und Nachlässigkeit des Staatsanwalts. Wenn der Prozeß nicht vor dem Bezirk, fondern hier verhandelt würde, möchte ich wetten, ihn zu gewinnen und nähme tein Honorar. Also mein Herr, die andre Geschichte die Bittschrift an den allerhöchsten Namen für Fedosia Biriukowa -ist geschrieben; wenn Sie nach Petersburg fahren, nehmen Sie sie mit, überreichen sie selbst und legen Fürsprache ein. Sonst erfolgt von seiten des Gerichts eine schriftliche Anfrage und es kommt nichts dabei heraus. Bemühen Sie sich aber, an Personen heran zu gelangen, die Einfluß auf die Kommission für Bittgesuche haben. Nun, ist das jetzt alles?"
Nein, man schreibt mir da noch..."
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" Ich sehe, Sie sind zum Trichter und Rohr geworden, aus denen alle Beschwerden des Gefängnisses ausfließen," sagte lächelnd der Advokat.„ Es ist schon zu viel, Sie bewältigen es nicht." sch
" Nein, aber dieser Handel ist doch niederschmetternd," sagte Nechljudow und erzählte in Kürze das Wesen der Sache. Es bestand darin, daß ein Bauer mit seinen Bauern im Dorf das Evangelium zu lesen und mit Freunden darüber zu diskutieren begonnen hatte. Die Geistlichkeit erblickte darin ein Verbrechen und verständigte die Behörde. Der Untersuchungsrichter verhörte ihn, der Staatsanwalt sette eine Anklageakte auf und der Gerichtshof verurteilte ihn. Das ist wirklich zu schrecklich", sagte Nechljudow.„ Kann das wahr sein?"
Was wundert Sie denn dabei?" " Einfach alles; ich verstehe wohl den Unteroffizier, der den Befehl erhalten hatte, aber der Staatsanwalt, der die Verhandlung aufgesetzt hat, ist doch ein gebildeter
Manu.
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,, Darin liegt gerade. der Fehler, daß wir gewohnt sind, Staatsanwalt und Richter überhaupt für moderne liberale Menschen zu halten. Sie waren einmal fo, aber jetzt ist das ganz anders geworden. Es sind eben Beamte, die sich nur um den Letzten jedes Monats Sorge machen. Sie bekommen Gehalt, haben mehr nötig, als sie bekommen, und darauf berühen ihre Principien. Sie flagen an, wen man will, halten über jeden Gericht und verurteilen ihn.
"
Ja, aber giebt es denn wirklich Gesetze, nach denen man jemand zur Verbannung nach Sibirien verurteilen fann, nur weil er mit seinen Freunden die heilige Schrift gelesen hat?"
( Fortsetzung folgt.)
Unsere Blumen.
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Die Mode erstreckt sich auch auf das Reich der Blumen: eine Blume wird, so lange sie modern ist, teuer bezahlt, ist gesucht und bewundert und darf in keinem Garten, keinem Salon, keinem Bouquet fehlen.
Einst waren die Tulpen in der Mode, dann kamen die Hyas cinthen an die Reihe, dann die Nelken, die Pelargonien, die Azaleen, die Begonien, die Orchideen, die Blattpflanzen, die bunten Teppichbecte.
wie modern gewordenen Kleidern: fie wird um ein billiges Ist die Blume aber aus der Mode gekommen, so geht es ihr fortgegeben und verschönt die Dorfgärten oder führt in einent Scherben hinter dem Fenster eines bescheidenen Blumenfreundes ein beschauliches Dasein. Ja, man kann in der That von altmodisch gewordenen Blumen reden. Lavendel, Myrt und Thymian, das wächst in meinem Garten," so fangen einst mufre Großmütter, und draußen in ihrem Garten blühte und duftete Gartenthymian und Lawendel hente veraltete Blumen, denn in feinem modern an gelegten Garten werden wir fie finden, höchstens zieht sie der Gärtner noch zum Verkauf. Unfren Ahumüttern dienten dieselben nebenbei als Gewürz und Parfüm. Auch Melisse, Krause- und Pfefferminge, nebst dem stark riechenden Salbei, einst mit seinen filbern schillernden Blättern eine Bierde von Großmutters Gärtchen, sind veraltet.
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Dasselbe gilt von der Centifolie, der Stammmutter all unfrer Rofen. An Schönheit ist sie von vielen Abarten Rosen überholt worden, au Duft hat sie noch feine erreicht.
In Großmutters Garten prangte ferner die steife, duftlose Balsamine, der Rittersporn, die anspruchslose Jungfer im Grünen, das gelbe und rote Löwenmaul, Fuchsschwanz, Liebstöckel, brennende Liebe, bie blaßlila Nachtviole, die Gartenmalve niw. Sie alle sieht man heutigen Tags höchstens noch einen Dorfgarten verschönern. Und doch mutet manchen ein solcher mit seinen altmodischen Blumen mehr an, als ein modernes Teppichbeet, ein englischer Garten mit seinen Palmen usw.
Das Rosmarin dagegen, im Volksmund Nosmarcin genannt, das unsre Großmütter mit Vorliebe pflegten, ist altmodisch geworden, und doch war gerade dies immergrüne Pflänzchen unsern Voreltern heilig, bei Frend und Leid, zur Hochzeit, selbst zum Grabe gab ein weiglein Rosmarin ihnen das Geleite".
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Ümodern ist ferner das kleine, echte Geranium, das die Fenster bant Großmütterchens zierte. Seine Blüten waren allerdings un scheintar in Form und Farbe, seine Blätter aber hatten einen ans genehmen, füßen Duft. Alle heute modernen, großblumigen Geranien find veredelte Nachkommen dieser kleinen, weniger schönen Pflanze.
und auf ihrer Fensterbant, die wir heute nicht mehr finden, oft nicht Noch gar viele, viele Blumen gab es in Großmutters Garten einmal mehr kennen, und doch waren sie einst hochmodern und so genannte Lieblingsblumen. Fast alle unsere Blumen sind nicht ursprünglich unserm Lande angehörig, sondern zum größten Teil aus andern, meist südlicheren Gegenden zu uns gekommen, denn keine der Blumen, welche uns jetzt erfreuen, war in dem mit Sümpfen und dichten Wäldern bedeckten Deutschland zu finden. Sie find durch die Naturverhältnisse zu uns gekommen. Wind und ellen haben sie hergeführt, und andere hat der Mensch auf seiner Wanderung durch die verschiedenen Weltteile mit sich geführt und aus Nüglichkeits- oder Schönheitsrücksichten angepflanzt.
Der Goldlack, das Gelbveigelein der Dichter, wurde erst Ende des 17. Jahrhunderts in Deutschland verbreitet und zwar durch einen Augsburger , der die ersten Goldlackblumen in den Handel brachte. Die Tulpe tam um das Jahr 1562 durch Anger Bousbeck in den Handel und zwar von Taurien.
Fast um dieselbe Zeit gelangte auch die Hyacinthe aus der ,, Er wird nicht nur in die weniger entfernten Gegenden Sibiriens verbannt, sondern sogar zu Zwangsarbeit ver- Gegend von Bagdad über Konstantinopel zu uns, und die Kaiserurteilt, wenn man ihm nachweisen kann, daß er sich beim trone blühte zum erstenmal 1576 in Wien und fam aus Berfien und Lesen der Bibel erlaubt hat, sie nicht in der vorgeschriebenen hundert Jahre später wurde der Jasmin von Portugiesen aus Goa nach Europa gebracht. Weise auszulegen und somit die von der Kirche gegebene„ Der Flieder gehört," sagt Mag Hesdorffer, unfer bekannter Auslegung zu verwerfen. Tadel der rechtgläubigen Kirche in Hortologe, unter allen Umständen zu unfren ältesten Kulturpflanzen,