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tommt, wenn man en petit comité beisammen ist, dann kann man ja darüber sprechen.
Nachdem Nechljudow beide Briefe vom Grafen und das Schreiben an Marietta von der Tante in Empfang genommen, machte er sich sofort auf den Weg.
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an Sie," sagte er und schaute auf das Fuchsgespann, das an die Treppe herankam.
,, Welches denn?"
Hier ist ein Schreiben von Tante darüber," sagte Nechljudow und reichte ihr ein schmales Kouvert mit großem Monogramm., Daraus werden Sie alles ersehen."
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Vor allem begab er sich zu Marietta. Er hatte sie bereits als halberwachsenes Mädchen und Tochter einer unch weiß, die Gräfin Katerina Iwanowna denkt, ich begüterten, aristokratischen Familie gekannt, wußte, daß sie habe Einfluß auf meinen Mann in Geschäften. Sie irrt sich. einen Mann geheiratet, der Carriere machte, und von dem Ich vermag gar nichts und will nicht Partei ergreifen. Aber er unschöne Dinge gehört. Es war für Nechljudow stets für die Gräfin und Sie bin ich natürlich bereit, von meinen ein schweres, quälendes Gefühl, sich an einen Menschen, Grundfäßen abzugehen. Um was handelt es sich denn?" sagte vor dem er keine Achtung hatte, mit einer Bitte zu sie und suchte mit ihrer kleinen, schwarz behandschuhten Hand wenden. Er fühlte in solchen Fällen stets Unzufriedenheit umsonst ihre Tasche. und inneren Zwiespalt: sollte er bitten oder nicht bitten er entschied sich aber stets dafür, zu bitten. Abgesehen davon, daß er das Schiefe dieser Lage als Bittsteller Leuten gegenüber empfand, die er nicht mehr für die Seinigen hielt, die ihn aber für den Ihrigen hielten, fühlte er, daß er wieder in das frühere gewohnte Geleise geriet und unwillkürlich in den leichtsinnigen und lagen Ton verfiel, der in diesem Kreise t herrschte. Er hatte diese Erfahrung schon bei der Tante Katerina Jwanowna gemacht; heute morgen, als er mit ihr über ganz ernste Sachen sprach, war er bereits in einen scherzhaften Ton verfallen.
und
Um ein Mädchen, das in der Festung sitzt; sie ist krank gar nicht an der Affaire beteiligt." ,, Und wie heißt sie?"
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Schustowa, Lydia Schustowa. Es steht in dem Brief." ( Fortsetzung folgt.)
Sonntagsplandevei.
uns das Grün der Bäume. Selbst schmächtige Stämme bauten in Boller und üppiger als sonst, so scheint es, rauscht heuer über
die brennende Sonne fühle Schattenashle und ihre Kronen schließen Ueberhaupt machte Petersburg , das er lange nicht be fich zu dichterem Dach. Dieses Pfingsten vermag nicht mehr das sucht, einen physisch- aufmunternden und moralisch- abstumpfenden flodig sproffende Grün der Birken zu plündern, das ausschaut, als Eindruck auf ihn; da war alles so sauber, bequem, wohlfei ein linder Regen plöglich im Fall in Blätter verzaubert: Groß eingerichtet und namentlich waren die Menschen moralisch so und in die Einheit der Sommerfarbe gedunkelt erinnert das Laub mehr ans Blühen. anspruchslos, daß das Leben ganz besonders leicht er- schon an die Zeit der Frucht, nicht schien... Eine Feier der Erstlinge des Feldes war ja auch in seinem Ursprung Ein schöner, sauberer, höflicher Kutscher fuhr ihn an das Fest, mit dem in unsrer unluftigen Zeit bereits vor der Höhe des Jahres die großen Feste abschließen; in den folgenden fiebenr schönen, höflichen, sauberen Schuhleuten vorüber auf schönem, Monaten wird den Staatsbürgern nicht mehr auf zwei volle Tage sauber gewaschenem Pflaster, an schönen, sauberen Häusern Arbeitsfrohn entzogen. vorbei zu dem Hause, in welchem Marietta wohnte.
An der Einfahrt stand ein Gespann englischer Pferde mit Scheuklappen; ein Kutscher in Livree mit Stoteletts bis zur halben Backe saß mit der Beitsche stolz auf dem Bock. Ein Portier in ungewöhnlich sauberer Livree öffnete die Thür in den Flur, wo in noch faubererer Livree mit Tressen und einem prächtig auseinandergebürsteten Backenbart der Ausfahrlakai und die Ordonnanz du jour in neuer schmucker Uniform standen.„ Der General empfängt nicht; die Generalin ebenfalls nicht. Die Herrschaften belieben, sofort auszufahren."
Nechljudow gab den Brief von der Gräfin Katerina wa nowna ab, zog seine Visitenkarte heraus, trat zu einem Hleinen Tisch, auf welchem ein Buch zum Eintragen der Besuche lag, und begann schon zu schreiben, daß es ihm sehr leid thäte, fie nicht getroffen zu haben, als der Lakai an die Treppe rückte, der Portier auf die Rampe hinaustrat und ,, Vorfahren!" rief; die Ordonnanz aber legte die Hände stramm an die Hosennähte und folgte mit den Augen einer mittelgroßen, zarten Dame, die mit schnellen, ihrer Wichtigkeit nicht angemessenen Schritten die Treppe hinabkam.
Marietta war im großen Federhut und schwarzen Kleid, schwarzen Umhang und neuen schwarzen Handschuhen; ihr Gesicht war mit einem Schleier bedeckt.
Auch heute ist Pfingsten noch ein Opferfest der Erstlinge. Nute find es nicht die Gaben des Landes, die man hingiebt. Vielmehr pflegt man an diejen Tagen die Erstlinge der Textilindustrie den Elementen zit weihen. Niemals findet ein plöglicher Gewittersturm ein so reiches Feld verwüstender Thätigkeit wie an den Pfingsttagen, allwo die lichten Sommergewänder zum erstenmal in den rauben Kampf ums Dasein hinausgestoßen werden. Das Wort von den geschmückten Pfingstochsen hat übrigens in diesem Brauch nicht seine Quelle. Und solch festliches Umvetter vermag um so ergiebiger mit den Schöpfungen des Menschenfleißes sein Spiel zu treiben, als in dieser Beit jeder Sterbliche auf Grund eines zwingenden Naturgesetzes überall zu finden ist, nur nicht zu Haus. Man ist Pfingsten immer unterwegs und jegliche Streatur wird darum auch stets unterwegs vom Regen betroffen. Es ist das Fest der Freizügig feit und zugleich eine symbolische Vorfeier der Zerstörung der großen Städte, die man für ein paar Stunden überwindet, indem man sie
berläßt.
Vom alten geistigen Gehalt ist dem modernen Pfingsten nichts verblieben. Es ist nicht mehr der Siegestag der Idee, die den Rohen und Niedrigen stets in fremden Zungen zu reden scheint und die dem befruchtenden Blütenstaub gleich über die Welt weht und die Geister begeistert, daß ihr Denken, Fühlen und Wollen in Flammen erlodert. Man steigt nicht mehr auf die Berge, um in die weiten Lande den Jubel der Erlösung aus der Knecht schaft hinauszurufen, und nicht mehr predigt in erhabenem Erfüllt sein die Menschheit den Glauben an die fiegende Macht des Gedankens, an die Gewalt des Guten und die unzerstörbare Gewalt der Vernunft. Zum mindesten sind jene Klassen dem Kult des heiligen Geistes entfremdet, die sich zu seinem Buchstaben bekennen, während gerade die ihm innerlich dienen, die sich von der äußeren Form losAh, Fürst Dmitri Jwanowitsch!" brachte sie mit fröh- gefagt haben. Pfingsten ist in seinem tiefsten Gehalt recht eigentlich das Fest der Heyer und Wühler, die von den Herrschenden verhöhnt licher, angenehmer Stimme heraus. Hätte ich geahnt... an eine große Sache allen tünden, zu deren Ohren sie dringen Was! Sie wissen sogar, wie ich mit Vornamen heiße?" und verfolgt, unbeirrt die Botschaft der Erlösung im heiligen Glauben ,, Wie sollte ich nicht; meine Schwester und ich waren ja tönnen. Wie Pfingsten an die Gesetzgebung auf dem Sinai beide in Sie verliebt," sagte sie auf französisch, aber wie und die Propaganda des Christentumis erinnert, so mag haben Sie sich verändert! Ach, wie schade, daß ich ausfahre. es in unsren Tagen zu neuer Geltung und jungem Uebrigens fönnen wir umkehren," sagte sie und blieb unentschlossen stehen.
Beim Anblick Nechljudows erhob sie den Schleier, enthüllte ein liebliches Geficht mit glänzenden Augen und schaute ihn fragend an.
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Sie sah auf die Wanduhr.
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Wert indem es zum Fest jener Kämpfer fich er gelangen, hebt, die abermals zu einer befreienden Gesetzgebung die leidende Menschheit auf den Sinai zu führen streben. In jedem Flugblatt, in jeder Volksversammlung lebt der moderne Pfingstgeist,
" Nein, es geht nicht. Ich fahre zur Seelenmesse zu der die ernste wissenschaftliche Erkenntnis, die Köpfe klärend und die Samenstis. Sie ist schrecklich niedergedrückt."
,, Was ist das für eine Kamenskaja?"
" Haben Sie nicht gehört? Ihr Sohn ist im Duell gefallen. Zwiftigkeiten mit Posen. Der einzige Sohnt. Die Mutter ist sehr niedergedrückt."
" Ja, ich habe davon gehört." Nein, ich fahre lieber hin; und Sie kommen morgen oder heute abend," sagte sie und ging mit schnellen, leichten Schritten zur Ausgangsthür.
" Heute abend kann ich nicht," erwiderte er und trat mit ihr auf die Freitreppe hinaus. Ich habe aber ein Anliegen
Hände lenkend, in die Massen hinausträgt und den großen Gedanken zur Triebfeder ihres wegbewußten Handelns macht.
Freilich nicht im Rausch, nicht in efstatischer Verzückung ergießt sich heute der neue Geist über die Menschen; durch nüchterne Be sonnenheit und durch zähe Arbeit gewinnt er das Volt, und der träumende Glauben ist zum zuversichtlichen Wissen geworden. Gleich wohl glüht auf dem Grunde still und thätig die Pfingstbegeisterung, sie läßt sich nicht durch die Ueberlaſt der Werkeltagsmühen ersticen und wartet nur auf die Stunde, daß sie in ungestümer Thatkraft hervorbreche. Jm Proletariat lebt der göttliche Funken der Begeisterung für das menschheitliche Ideal, wie ruhig, flug berechnend und sorgsam prüfend es auch für sein Ziel arbeitet. Es scheut nicht die