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obersten Gerichtshof, die beim Kreisgericht keine Urteils- Material bildeten. Nachdem er gestern ein Kapitel ge­änderung erzielt hatte. schrieben, in dem es einigen Beamten der beiden ersten Nechljudow fing an zuzuhören und bemühte sich, die Klassen stark dafür an den Kragen ging, daß sie ihn ge­Bedeutung dessen zu erfassen, was sich vor ihm abspielte; hindert hatten wie er sich ausdrückte- Rußland bor aber ebenso wie im Kreisgericht, bestand die Haupt- dem Untergange zu retten, in welchen es die jetzige Regierung schwierigkeit für das Verständnis darin, daß nicht die Rede hineinzog", in Wirklichkeit aber ihn gehindert hatten, bon dem war, was sich natürlicherweise als Hauptsache dar- mehr Gehalt zu bekommen- dachte er gegenwärtig daran, stellte, sondern von etwas ganz Nebensächlichem. wie der Nachwelt all diese Umstände in einem ganz andern

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( Fortseguing folgt.)

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Bonntagsplandevei.

Es handelte sich um einen Zeitungsartikel, in dem die Lichte erscheinen würden. Spizbübereien des Vorstandes einer Aktiengesellschaft enthüllt waren. Da hätte es nun scheinen können, als ob wichtig nur das eine sei: ob es wahr, daß der Vorstand der Aktiengesellschaft seine Auftraggeber bestohlen, und wie man es anstellen könnte, daß er aufhörte, sie zu bestehlen. Aber davon war nicht die Nede. Es wurde nur darüber ber­Nachdem die Papierpreise stark in die Höhe gegangen, haben die handelt, ob der Herausgeber das gesehmäßige Recht hatte, den Leiter des journalistischen Warenhauses Scherl u. Gebrüder Ulstein Artikel des Feuilletonisten abzudrucken oder nicht, und welches die Notwendigkeit eingesehen, nicht nur die Kapitalien zusammen Vergehen er durch Abdruck des Artikels begangen üble zuwerfen und mit vereinten Millionen durch Lokal- Anzeiger", Nachrede oder böswillige Verleumdung, und ob die üble Morgen"- und Feldpost"," Berliner Zeitung " und" Woche" den öffent Nachrede böswillige Verleumdung in sich schlösse, oder die lichen Geist zu erziehen, sondern auch eine Vereinfachung des Betriebs böswillige Verleumdung üble Nachrede. Sodann wurde noch und damit eine bedeutsame Ersparnis zu erzielen. Man hat also die über etwas für einfache Leute wenig Verständliches geredet: bunden und eine gemeinsame, in allen Sätteln je nach Wunsch ge­Intelligenz der Zimmerstraße mit der aus der Kochstraße ver über verschiedene Artikel und Urteile irgend einer Behörde. rechte oder ungerechte Redaktion organisiert. Gemeinsame Nedaktions­Das einzige, was Nechljudow verstand, war, daß Wolf, tonferenzen, auf der die Standpunkte" und" Gesinnungen" je nach der Referent in dieser Sache, obgleich er ihm gestern so aus dem Bestimmungsorgan verteilt werden, sorgen für das nötige gu drücklich gesagt hatte, der Senat tönne sich auf eine Unter- jammenarbeiten. suchung der Materie nach ihrem Wesen nicht einlassen- in Natürlich geht es einstweilen noch nicht ohne fleine Jrrtümer diesem Falle offenbar parteiisch für Kassierung des Gerichts- ab, und der von der Firma bestallte Universalredacteur Christian urteils plädierte, und daß Seljonin, ganz im Widerspruch mit Fürchtegott Levy, der nach Absolvierung sämtlicher Parteien, Kon­feinem zurückhaltenden Charakter, mit unerwartetem Eifer seine feffionen und Berufe fich sehr bemerkenswerte Fähigkeiten angeeignet hat, die abonnierende und inserierende Volksseele zu verstehen, entgegengesette Ansicht verfocht. Dieser Nechljudow überraschende auch Christian Fürchtegott Levy verliert noch bisweilen im Drange Eifer des stets zurückhaltenden Seljonin hatte seinen Grund des Riefengeschäfts wenn nicht den Kopf das wäre nicht störend darin, daß er den Vorstand der Aktiengesellschaft als einen in so doch das feine Tastgefühl, das unbedingt dazu gehört, wenn die Geldsachen schmutzigen Mann kannte und dabei zufällig erfahren verschiedenen Ueberzeugungen und Ueberzeugungslosigkeiten schnell, hatte, daß Wolf fast am Vorabend der Verhandlung dieses korrekt und gewissenhaft fortiert werden sollen. Prozesses bei jenem Faiseur zu einem üppigen Diner gewesen war. Wo Wolf jezt aber, wenn auch sehr vorsichtig, so doch deutlich genug die Sache einseitig vortrug, geriet Seljonin in Hige und gab feiner Meinung für einen gewöhnlichen Prozeß allzu erregt Ausdruck. Diese Rede kränkte Wolf offenbar: er wurde rot, rückte hin und her, machte stillschweigend Gesten der Verwunderung und entfernte sich mit sehr würdiger und beleidigter Miene samt den andern Senatoren in das Be­ratungszimmer.

" In welcher Angelegenheit sind Sie eigentlich hier?" fragte wieder der Gerichtskommissar Fanarin, sobald die Senatoren sich entfernt hatten.

Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich im Prozeß Maslowa zu thun habe," sagte Fanarin.

Ach ja. Der Prozeß kommt heute vor. Aber... Was aber?" fragte der Advokat.

Sehen Sie, wir waren der Meinung, es handelte sich bei dem Prozeß nicht um Parteien, und so werden die Herren Senatoren nach der Urteilsverkündigung kaum wieder herans kommen. Aber... ich werde ihnen die Sache darlegen..." Das heißt, wie?"

Sch werde es ihnen schon darlegen," und der Kommiffar machte sich eine Notiz auf seinem Papier.

Die Senatoren hatten wirklich die Absicht, nach der Urteilsverkündigung im Berleumdungsprozeß die übrigen Sachen, darunter den Prozeß der Maslowa, bei Thee und Cigaretten zu erledigen und nicht aus dem Beratungszimmer hinauszukommen.

Einundzwanzigstes Kapitel

Sobald sich die Senatoren im Beratungszimmer an den Tisch gesett, begann Wolf sehr lebhaft die Gründe hervor zukehren, aus denen das Urteil in dem Prozeß fassiert werden müßte.

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Der nationale unpolitische Lokal- Anzeiger", die parteilos das Hurra- Organ der Krieger nörgelnde Morgenpost", vereine die Feldpost", die stramme demokratische Berliner Zeitung " und endlich Die Woche", das große Klärbeden für alle Abwässer der andern Organe wer kann lenguen, daß es seine Schwierigkeiten hat, diese so verschieden gearteten Bedürfnisse zu be­friedigen!

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Es wird die Leser dieses Blattes interessieren, einen Einblick in diesen Weltbetrieb des Geistes zu erhalten. Es sei ihnen daher das Protokoll einer der letzten Redaktionskonferenzen mitgetheilt. Han delude Personen find: 1. August Scherf, 2. sein Varbier, 3. Ge­brüder lastein, 4. Universalredacteur Christian Fürchtegott Levy. Zeit 10 Uhr vormittags.

Freund.

Du blicst so finster, mein

Scherl( zu seinem Barbier): Barbier( fnurrend): Verdammte Wirtschaft! Gebr. Ullstein( liebenswürdig): Fehlt Ihnen etwas? Chr. Fürchtegott Levy( erschreckt): Ist etwas in unfren Blättern berkehrt? ruinieren Dir noch's janze Jeschäft. Nischt verstehn die Kerle, nur Barbier: Ich sage Dir, Anjust, diese verfluchten Redacteure Seld zu nehmen. Jrips, Verständnis für die Aufjaben des praktischen Lebens, für die Rejungen des Voltsjemüts- jicbt's nich.

Scherl( stiruruuzelud): Was ist denn geschehen? Barbier( zeigt auf ein Beitungsblatt):' ne saubre Ze­schichte. Hat der Unjlicksmensch in unsern jüdlicherweise jänzlich unparteiijchen Lokal- Anzeiger"' ne Meinung einjeschmuggelt. sich nur um französische, indische oder argentinische Politit handelt. Du weißt, daß es unser Princip ist, auf diesen Gebieten maßvoll aber entschieden eine Ueberzeugung zu vertreten.

Scherl( in ausbrechendem Zorn): Ich will hoffen, daß es

Barbier: Weiß ich, weiß ich. Natürlich hat der Mensch über die deutsche Politit sich erlaubt, sein madijes Urteil abzujeben. Gebr. Ilstein( entsetzt):' ne Meinung im Lofal- Anzeiger"- wir find pleite! Scherlchen was fangen wir bloß an, um das Malheur wieder gut zu machen?

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Scherl( blaß, aber gefaßt, mit bebender Stimme): Darum Der Vorsitzende, ein stets mißvergnügter Mann, war abbestellt! Ahute ich nicht gleich so etwas! also haben heute Morgen hundert Abonnenten den Lokal- Anzeiger" heute besonders schlecht gestimmt. Beim Anhören des Gegen­Barbier: Aber das ist nicht alles. Sieh' Dir mal jefälligst standes während der Sigung hatte er sich schon sein Urteil die Feldpost" an, die jreift schlankweg' n Unteroffizier an, weil er gebildet und faß jezt, ohne auf Wolf zu hören, in Gedanken' n paar Mißhandlungen bejangen. Scherl( außer sich): Un- errr versunken da. Seine Gedanken bestanden aber in Erinnerung hööö tr- 11 an das, was er gestern gelegentlich der Berufung Weljanows Gebr. Ulstein! Das kann nicht so weiter gehen, man muß und nicht seiner felbft auf einen wichtigen Posten, den ein Erempel statuieren! Sonst gehen wir pleite. er selbst schon lange zu erhalten gewünscht, in seine Meift's noch schlimmer. Dieser waschlappige Artikel hier, farblos zum Barbier: Pleite mit allen Chitanen! Mit der Morgenpost " moiren geschrieben. Der Vorfikende Rititin war ganz Erbrechen, nich' n einzijes träftijes Wort. Jlaubt Ihr, daß das Volk aufrichtig davon überzeugt, daß Urteile über verschiedene Beamte so' ne Wassersuppe verdauen kamu?

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der beiden ersten Klassen, mit denen er während seiner Dienst- Scherl( mit fnirschenden Zähnen): Es steckt tein Mark in dem zeit in Beziehungen getreten war, ein sehr wichtiges historisches Kerl, teine Kraft der Ueberzeugung, teine Gesinnung!

SHAD CHI