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" Ich habe gehört, Sie wollen sie nicht nur begleiten, sondern noch mehr.
" Ja, auch heiraten, wenn sie nur will."
Was Sie sagen! Aber, wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, erklären Sie mir doch Ihre Beweggründe. Ich verstehe dieselben nicht."
im
" Ja, bitte; welches Vorhaben ist das eigentlich?" das braune Haupt berührt und Tüftern neugierig in das tote Auge " Nach Sibirien fahren mit der Sträflingsabteilung, in starrt, dann der brutale Henker als prächtiger Rüdenalt, die und die gefällige Vertraute, alles der sich das Weib befindet, vor dem ich mich schuldig fühle," stumpffinnige Dienerin das ist ist für sich wohl wohl das Beste, was Corinth bisher sagte Nechljudow. gentalt. Auch die wohl abgewogene Farbenkomposition, die fich auf dem Gegensatz der grellblauen Schüffel Mittelpunkte und dem grünlichgelben Hintergrunde gründet und eine Reihe von Tönen durchläuft, der Kontrast zwischen den verschiedenen Körpern zeigen sein malerisches Können. Als Ganzes erscheint die malerische Komposition jedoch weniger gelungen. Es ist vielleicht zut viel in den Rahmen, der überall die Nebenfiguren überschneidet, hineingepreßt, die Figuren stehen nicht zwanglos nebeneinander, sondern man spürt das Princip der Komposition hindurch, das etwas Starres hat, wie etiva die beiden Gestalten Henkers und der Dirne gegeneinander gebeugt sind und zu der letzteren wieder die beiden dunklen Dienerinnen in Kontrast gestellt find, und gegenüber dieser Strenge wirken die Ueberschneidungen durch den Rahmen als willkür. Zwei andre große Bilder desselbent Künstlers, eine„ Kreuzigung" und" Susanna", find flüchtiger gearbeitet; fie zeigen entsprechende Vorzüge und Schwächen.
Die Beweggründe sind die, daß dieses Weib... daß ihr erster Schritt zum schlechten Lebenswandel..." Nechljudow wurde böse auf sich selbst, weil er keinen richtigen Ausdruck fand. Die Beweggründe sind die, daß ich schuldig bin, sie aber bestraft wird.
,, Wenn sie bestraft wird, ist sie wahrscheinlich auch nicht unschuldig."
"
Sie ist vollkommen unschuldig." Und Nechljudow
die ganze Geschichte.
erzählte mit unnötiger Erregung
Ja, das ist eine Fahrlässigkeit des Vorsitzenden; daher die Unüberlegtheit in der Antwort der Geschwornen. Aber für diesen Fall ist der Senat da."
des
Die völlige Freiheit in der Komposition, die Corinth vermissen läßt, besigt der Schwede Anders Zorn , der auch in der absoluten Beherrschung der Malmittel heute von keinem übertroffen wird. In seinem etwas früheren Bild„ Sonntagsmorgen" fieht man in ein niedriges Zimmer, in das durch Kleine Fenster fibles, graues Morgens licht strömt. Ein Mädchen steht mit entblößtem Oberkörper vorn ein zurüd " Ah, hat abgelehnt; folglich war kein triftiger Grund zur ein drittes fizt hinten verschlafen in der Ecke und nestelt am Schuh. Rassation vorhanden," sagte Ignatius Nifiphorowitsch, der Auch die letztere Figur ist überschnitten vom Rahmen, aber nicht augenscheinlich vollkommen die bekannte Ansicht teilte, wonach einen Augenblick fällt dies störend auf, die drei Figuren find so in die Wahrheit ein Produkt des Richterspruchs ist." Der den Raum hineinkomponiert, daß nirgends eine Spur von zurechtdas Bild doch geschlossen
" Der Senat hat abgelehnt."
Senat kann sich auf eine Durchsicht des Prozesses nach dem gemachtem erkennbar wird und Rahmen wirkt. Noch stärker zeigt fich dies in
Wesen der Sache nicht einlassen. Wenn aber wirklich ein feinem Selbstbildnis". Der Künstler sigt vorn, bis zum Knie Justizirrtum vorliegt, muß man sich an die allerhöchste Instanz sichtbar, im dunklen Hintergrimd erscheint ein Modell. Auf den Maler, der im grauen Kittel dasigt, fällt scharf das Sonnens
wenden."
„ Das ist geschehen, aber irgend welche Aussicht auf Erfolg licht. Wie das gemalt ist Mit breiten Pinselhieben hingestrichen ist nicht vorhanden. Man zieht Erkundigungen im Ministerium ist jedes einzelne packend lebendig, das frische, blühende Gesicht ein; das Ministerium fragt den Senat, der Senat wiederholt des Malers ebenso wie der Mittel. Auch ein drittes Bild„ Maja", seine Entscheidung. Und wie gewöhnlich wird ein Unschuldiger eine echte Schwedin in blondem Haar, deren rosiges Gesicht und bestraft." starke Arme aus dem braunen Pelz und dem blauen Grunde hervor= leuchten, fesselt durch die köstliche Frische. Eine Landschaft„ Waldbach" ist ganz in zartem Graugrün gehalten, von dem sich der kleine nackte Körper eines Weibes, das eben aus dem Bach steigt, wirkungsvoll abhebt.
"
Erstens wird das Ministerium nicht den Senat fragen," sagte Ignatius Nikiphorowitsch mit herablassendem Lächeln, sondern wird die Originalprozeßaften vom Gericht einfordern und, wenn es einen Fehler findet, sein Verdikt in diesem Sinne abgeben; und zweitens werden Unschuldige nie, oder wenigstens nur in höchst seltenen Ausnahmen bestraft. Schuldige dagegen werden bestraft," sagte Ignatius Nikiphorowitsch langsam mit selbstzufriedenem Lächeln.
" Ich habe mich aber vom Gegenteil überzeugt," begann Rechljudow mit einem bösen Gefühl gegen den Schwager, ich habe mich davon überzeugt, daß der größte Teil der gerichtsseitig verurteilten Leute unschuldig ist."*
„ Wie das?"
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" Sie sind ganz einfach unschuldig, im wahren Sinne des Worts, wie dieses Weib an der Vergiftung unschuldig ist, wie der Bauer, den er jegt kennen gelernt, an einem Morde unschuldig ist, den er nicht verübt hat, wie Sohn und Mutter an einer Brandstiftung unschuldig sind, die von dem Herrn selbst ins Werk gesezt ist, und für die sie beinahe verurteilt ( Fortsetzung folgt.)
worden wären."
I.
Ein Bild von Louis Corinth , Salome mit dem Haupt des Johannes", das im Hauptsaale hängt, zieht in diesem Jahre be sonders die Aufmerksamkeit auf sich. Corinth , ein Mitglied der Münchener Secession , war bisher bekannt als ein tüchtiger, etwas robuster. Schilderer des Lebens, als ein Maler, der mit einer gewissen Sorglosigkeit, aber immer mit großem Können seine Bilder herunterstrich; er hat sich an den verschiedensten Stoffen versucht, oft sprach aus seinen Darstellungen ein derber Humor. Diesmal bringt er einen größeren Vorwurf: Vor Salome fniet der Diener, der eine Schüffel mit dem eben abgeschlagenen Kopf des Johannes über sich hält und die Dirne beugt sich darüber und öffnet mit dem Finger die Lider des gebrochenen Auges; um sie gruppieren fich links der Henter, der mit
Die
Mit Zorns draufgängerischer und doch ihrer Wirkung vollkommen sicherer Art verglichen erscheint Liebermann& Kunst mühsam und schwer. Dabei sind ihm seine Badenden Jungen", das einzige Bild, das er diesmal ausgestellt hat, aber doch vorzüglich gelungen. Eine Schar nackter Jungen am Strande des Meers, die einen sind schon weit drin im Spiel mit den heraurauschenden Wellen, die andern gehen eben mutig hinein, einer probiert noch scheu mit der Fußspike, wie falt das Wasser ist, und der größte, der in der Bes wegung am prächtigsten charakterisiert ist, stürmt heraus. jugendlichen Körper leuchten, man glaubt einen frischen Dunsthauch vom Meere her zu spüren vielleicht, daß der Blick in die Tiefe zum Horizont hin nicht ganz die Größe hat, die in der Natur ge boten wird. Auch hier sind die Figuren sehr fein verteilt und trotzdem ist kein Kompositionsschema erkennbar, und wenn der Badewärter nur zur Hälfte noch im Bilde sichtbar wird, weil der Rahmen die Figur überschneidet, so fällt dies faum auf, man denkt sich, daß die Scene sich darüber hinaus eben noch weiter entwickelt. Der Ausschnitt aber, den der Maler genommen, wirkt als ein einheitliches
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und in sich abgeschlossenes Ganzes.
Die Arbeiten der drei genannten Künstler fennzeichnen etwa die Ziele, denen die naturalistische Richtung unsrer Tage zustrebt: bet freiem Schalten mit den Malmitteln unmittelbar lebenswahr zu ge stalten, die Dinge darzustellen, wie sie in ihrer Umgebung in Licht und Luft erscheinen und sie doch in persönlicher Anschauung zu geben. Daß bei dieser Art zu schaffen eine Komposition nicht auss geschlossen, vielmehr erforderlich ist, sahen wir an den Beispielen, aber es ist gerade die Schwierigkeit des modernen Princips, daß fie als solche sich dem Blick nicht aufdrängen darf, daß die Scene sich anscheinend frei entfalten und doch dem Nahmen als ein Ganzes einfügen muß. Die große Mehrzahl der Bilder, die in der Secession zu sehen ist, fällt unter diese Gesichtspunkte. Ganz im allgemeinen bemerkt man, daß an die Stelle der früheren Herrschaft herber und fühler grauer Farbentöne eine Vorliebe für weiche, duftige Nuancen getreten ist.
Die Landschaft hat nicht mehr so unbedingt den Vorrang wie. früher. Naturgemäß zeigen sich in ihr noch die meisten Verschieden heiten in der Technik. Von der pointillistischen Schule bis etiva zit bluttriefendem Schwerte den Dachauern ist ein weiter Weg. Auch ein Vertreter des unver fälschten Pointillismus ist in Luce vertreten. Bei einer früheren Stollettiv- Ausstellung dieser Schule war von ihrem Princip ausführ licher die Rede. Sie zerlegt die Farben, die in der Natur zitfammen gesezt erscheinen, in ihre Komponenten und bringt sie unvermischt auf die Leinwand, dem Auge ihre Zusammensetzung überlassend. Sie will dadurch eine größere Leuchtkraft der Farben erzielen. Und in der That strahlt auf dem Bilde von Luce Fabrik am Ufer der Sombre" der Abendhimmel in einem leuchtenden Gelbgrün und hebt
grinsend dabei steht, rechts vor ihr seine Helfer, die den Leichnam fortschleppen, und hinter ihr zwei Dienerinnen. Es ist nicht zu lengnen, daß das Motiv: Grauen erregt, aber die Empfindungen, die dabei mitspielen, sind scharf analysiert, und jede einzelne Figur ist ausgezeichnet gemalt: die Salome mit dem zartrofigen Teint ihres weit entblößten Körpers, über den ein lichter, goldig glänzender Schleier fällt und der mit Perlentetten und Geschmeide behängt ist, wie sie mit Totetter Belvegung der ringgeschmückten zarten Finger
"