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folche Kathedrale, Buden und in der Hauptstraße Läden, und sogar fand ich eine Erwähnung des Essens, ein Beweis dafür, wie neben­ebensolche Polizisten. Nur waren die Häuser fast alle aus Holz sächlich die regelmäßigen Mahlzeiten von den Kindern betrachtet und die Straßen nicht gepflastert. In einer der belebtesten werden. Auch die Schilderungsart der einzelnen Gegenstände war Straßen hielt der Kutscher mit der Troika vor der Anfahrt für mich von Intereffe, denn sie beschrieb nicht in der Art, wie es eines Gasthofs. Aber es zeigte sich, daß in dem Gasthof kein nach Art der Märchen, die alles lebendig vor uns aufmarschieren die Kinder vom Diktat oder vom Auffaz her gewohnt waren, sondern Zimmer frei war; so mußte man nach dem andern fahren. laffe.. In diesem andern war ein Zimmer frei, und Nechljudow be­Mittwoch, den 11. Juli. fand sich nach zwei Monaten zum erstenmal wieder in der Heute habe ich mit den Kleinen eine Frühpartie gemacht. Am gewohnten Umgebung relativer Sauberkeit und Bequem- Abend vorher hatte ich die Parole ausgegeben, daß am nächsten lichkeit. So wenig elegant das Zimmer auch war, in das Morgen schon um vier Uhr aufgestanden werden müßte. Das gab Nechljudow geführt wurde er empfand doch eine große ein Gejubel unter der Kleinen Gesellschaft! Frühzeitig troch alles in Erleichterung nach dem Postwagen, den Herbergen und die Betten, und als ich um neun Uhr die beiden Schlaffäle Stationen. Die Hauptsache war, daß er sich von Läufen revidierte, schlief bereits alles. Morgens weckte mich schon gegen reinigen mußte, von denen er nach dem Besuch der Stations- Sonnenaufgang ein Summen und Lärmen, das aus den Schlaf­fälen in mein Zimmer drang und beim genaueren Nach­häuser sich niemals vollständig hatte freimachen können. Nachschauen sich dahin entpuppte, daß die gesamte fleine dem er ausgepackt, fuhr er sofort ins Bad; dann brachte er Gesellschaft bereits fertig angezogen meiner Harrte. Auf dem feine Kleidung in stadtüblichen Stand: zog ein gestärktes Marsche durch den schattigen, märkischen Laubwald und durch die Hemd an und ein Beinkleid mit Bügelfalten, Rock und Baletot reifenden Kornfelder zeigten sich alle frisch und ausdauernd, zumal und fuhr von dort zum Kreisoberhaupt. Ein vom ich ihnen genügend Zeit ließ, allen ihren kleinen Interessen, dem Portier des Gasthauses herbeigeholter Kutscher mit einem Tausend Fragen wurden da au mich gerichtet, und ich hatte vollauf Käfersammeln, Blumenpflücken, Beerensuchen usw. nachzugehen. wohlgenährten, großen Kirgisischen Pferde, das vor eine dröhnende Renndroschte gespannt war, führte Nechljudow zu thun, um alles der Reihe nach beantworten zu können. Er

zu einem großen hübschen Gebäude, vor dem Schildwachen und ein Polizist standen. Vor dem Hause und hinter dem Hause war ein Garten, in dem zwischen entblätterten, mit nackten Hesten aufragenden Eichen und Birken dichte dunkle Tannen und Fichten grünten.

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in sol( Fortsetzung folgt.) spe

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Donnerstag, den 12. Juli.

Der Platz, an welchem nufre Ferienkolonie untergebracht ist, liegt im Villenviertel des Badeorts. Zwei elegante Häuser find unire Nachbarn zur rechten und linten Seite. Bom Parterreraum bis hin auf zur obersten Etage hat sich für die Ferienzeit großstädtisches Protzen­tum eingeniftet; eine schuldenbedeckte, dünkelhafte Gymnasiallehrer familie, die Familie eines Börjenmaklers, zwei einzelstehende Damen von fragwürdiger Existenz und ein junger Kaufmann, dem man cs auf hundert Schritt Entfernung anficht, daß er das Leben dort zu packen liebt, wo es interessant ist. Mit den ledigen Personen haben wir wenig zu thun, dafür giebt es aber desto häufiger Neibereien Aus der Ferienkolonic. mit den Familien, die Kinder haben. Der Börsenmakler hat fünf Sprößlinge, schwarzhaarige Dinger mit unangenehm quiekenden Aufzeichnungen eines Lehrers. Stimmen; der Gymnasiallehrer hingegen hat nur drei langauf­geschossene, bleiche und hochnäfige Mädchen. Die Kinder der beiden Familien liegen sich dauernd in den Haaren und schließen nur dann ein Bündnis miteinander, wenn es zu Feindseligkeiten mit den Knaben der Ferienkolonie kommt.

2nd.

( Nachdruck verboten.)

Freitag, den 13. Juli.

Die ersten Briefe von den Eltern und Geschwistern! War das eine Freude! Mühselig buchstabierten die Kleineren die elterlichen Ermahnungen, während die größeren mit lauter Stimme den fie umstehenden Kameraden ihre Epistel vorlafen! Diejenigen, die keine Briefe erhalten hatten, beneideten die glücklichen Empfänger förm lich. Den ganzen Tag wurden die Briefträger, deren Weg am Garten unsres Hauses vorbeiführte, bestürmt, ob sie keine Briefe von zu Hause brächten! Einzelne fingen sogar bereits auf ihre Eltern zu schmälen an, bis ich ihnen ein derartiges Verhalten energisch verwies. Wie eine fleine Aufregung ist es nun unter die muntere Gesellschaft ge­kommen: die einen stimmt ihre Erwartung traurig, während die andren wie elektrisiert von dein einen Gegenstand zum andren über­springen. Diese Aufregung stellt sogar mich, der ich bisher, wenigstens hier in der Ferienkolonie, doch immer im Vordergrund ihres Interesses stand, ein wenig zurück, was meiner Eigenliebe doch ein wenig wehthut! Doch dann kommen sie wieder, namentlich die Kleinen, und bitten mich, ihnen doch die Briefe der Eltern laut vor­zulesen, und dann bin ich wieder mit allen ausgeföhnt und habe fie dieses findlichen Zuges halber doppelt lieb...

dialogue Montag, den 9. Juli. Gestern bin ich mit meinen leinen Pflegebefohlenen für die Ferienzeit hier angelangt. Es sind kleine, schmächtige Kerlchen mit blaffen Gesichtchen und umränderten Augen. Die Waldluft wird den Meinen Großstädtern entschieden gut thun. Noch ist ihnen alles, was fie hier zu Gesicht bekommen, etwas Neues und Unbekanntes. Jeder Käfer, jeder glänzende Kiefel erregt ihr Interesse. Die Kleineren versuchen die Tierstimmen nachzuahmen, während die Größeren eifrig Pflanzen für ihre Schulherbarien sammeln. Mir gegenüber tragen die meisten noch etwas Scheues, sie sehen in mir nur den Lehrer, Beffen Schuldrill sie fürchten und den sie sich noch immer gar nicht als Menschen vorstellen können, der nicht hinter dem Kathederpult fizt und das halbe Hundert zehnjähriger Blondköpfe mit Wort und strengem Blick in Ordnung hält. Am meisten verwundert es sie wohl, daß ich ihnen gesagt habe, daß sie sich ruhig hier wie zu Hause bei ihren Eltern bewegen sollten, daß der Aufenthalt in den Ferienkolonien absolut nichts mit der Schule zu thun habe und daß ich ihnen nur eins bei Strafe verbiete: das" Pezen". Dieses letzte Berbot durchzuckte die Ileinen, blassen Gesichter wie ein freudiger Bliz, denn nun fühlten sie sich alle wohl sicher und gefeit gegen über dem Angeben, dem Neid und der Scheelsucht mißgünstiger Kameraden. Von Stund ab fonnte man bemerken, daß sie mit größerer Freude und erhöhter Lebhaftigkeit an ihre kleinen Spiele gingen, daß zwar die Zahl der gelegentlichen Büffe ein wenig zunahm, das kameradschaftliche Gefühl und die gegenseitige Berantwortlichkeit namentlich mir gegenüber aber auch im erhöhten Sonnabend, den 14. Juli. Maße wuchs. So habe ich denn auch bisher noch feinen Grund Die Feindseligkeiten zwischen meinen fleinen Ferienkolonisten und gehabt, irgend einen aus der kleinen Schar hart auzulassen oder den Kindern der bereits erwähnten Familien werden immer häufiger gar zu schelten, und ich habe auch zugleich von neuem wieder und nehmen manchmal sogar einen recht unangenehmen Charakter die Erfahrung gemacht, daß eine Erziehung ohne Zwang inumer voran. Die Kinder der reichen Leute, die das Gymnasium und die teilhafter auf den Charakter wirkt, als die hergebrachte Brügel- höhere Töchterschule besuchen, find ordinär und unerzogen gemig, pädagogik, die den Menschen nach alten, halbvorfintflutlichen um von den gemeinsten Worten und Waffen Gebrauch zu machen. Schablonen erziehen will. Ich habe auch ein gewisses Gefühl der Als ich wegen einer großen Rüpelei seitens der einen der Fräulein Anhänglichkeit, das die Kinder und mich fast stündlich näher an­einanderbringt.

Dienstag, den 10. Juli.

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Töchter bei der Frau Gymnasiallehrer heute vorstellig wurde, be­deutete man mich dahin, daß man auf die Kinder des Bettelpacks, die auf andrer Leute Unkosten ihre Brut zur Erholung schickten, doch nicht noch mehr Rücksicht nehmen könnte. Hätte sie überhaupt das gewußt, daß die Ferienkolonie hier ihr Lager aufschlagen würde, dann wäre sie sicher nicht in diese Gegend gezogen! Ich ging und dachte mir mein Teil.

Sonntag, den 15. Juli.

Heute habe ich die Kleinen die ersten Briefe an ihre Eltern schreiben lassen. Ich habe sie alle um den großen, runden Gartentisch setzen lassen und ihnen ein kurzes Bild von dem gegeben, was für ihre Eltern wohl wichtig und wissenswert sein dürfte. Dann habe ich jeden auf gut Glück allein schreiben lassen. Da konnte man die sonderbarsten Ausdrüce in den verschiedenen Gesichtchen, die jetzt Heute hatte ich, getvissermaßen zur Abwechslung, mit dem Herrn allmählich schon einen roten Hauch bekommen, sehen. Einige waren Börsenmakler ein Renkontre. Er ist ein kurzer, dider Mann, mit in taum zwei Minuten mit ihrem Brief, der nur aus einem furzen leuchtender Glaze, trägt einen schwarzen, am Kinn ausrafierten Gruß bestand, fertig. Andre, die mich hilfeflehend austarrten, tamen Bart und lispelt ein wenig. Der Grund meines Besuches bei ihm wieder nicht über die Anrede hinfort. Etwa zwei Stunden dauerte es, war gleichfalls, wie am gestrigen Tage, eine Reiberei zwischen seinen bis der letzte kleine Blondkopf mit seiner Epistel fertig wurde. Am Stil Kindern und den meiner Aufsicht unterstellten Knaben. In ähnlicher der Briefe habe ich nichts geändert; mir die groben orthographischen Fehler Weise, wie am Sonnabend, doch allerdings in etwas höflicherer habe ich herauskorrigiert. Der Juhalt der Briefe war sich im großen Weise, wurde ich auch hier abgespeist. Es giebt eben Gegensäge in der und ganzen so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Am meisten hatten Welt, die sich durch keine Theorien und nicht durch die besten Absichten es allen die Turngeräte in unsrem Garten angethan, die von jedem überbrücken lassen, sondern die ausgekämpft werden müssen bis frei nach Belieben benutzt werden konnten, dann kam der Wald, zur letzten Konsequenz! Auch meinen Kleinen fällt dieser dann die Beschreibung meiner Wenigkeit und nur in zwei Fällen Gegensatz auf. Sie empfinden ihn hier stärker, weil sie ihm hier