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und wohl auch in heftige Auseinandersetzungen über den Wert ge- 1 raten. Währenddem wird bald aus diesem, bald aus jenent Stand Vieh fortgeschafft; ein fortwährendes Kommen und Gehen, ein un­unterbrochenes Handeln wickelt sich vor uns ab.

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Kleines Feuilleton.

für die Tiere warmer Kleietrant hergerichtet, der den Kälvern ent- davon sprachen sie nicht, auch Sälfte riß nicht von den fürchterlichen

B

r. Der schwarze Tag an der Berliner Börse  . O dieser Tag! Dieser grauenvolle Tag! Sie werden noch alle an ihn Hinter der Halle liegen nicht weniger als 16 Rinderställe. Sie denken, die ihre kühnsten Hoffnungen zertrümmert sahen. Entsetzlich find gegenwärtig ziemlich leer, während wir jedoch an den über- war es! Schon als sich um 3/412 die Riesenhallen füllten, legte sich wölbten Abteilungen, deren jede 30 Rindern Raum bietet und von ein schule Schweigen über den ganzen Raum. Hier und da denen die Stallungen 164 umfassen, vorbeigehen, erfahren wir, daß tauchte ein Gerücht von einer neuen Krisis auf, aber nur in An­diese Stallungen etwa 5000 Rinder aufzunehmen im stande sind. deutungen. Aber diese Stimmung füllte die drei Säle mit ihrem Auch hier wie überall dieselbe Sauberkeit; Wasserhähne und Ent- schweren, dumpfen Dunste, jedem fühlbar. Es wurde nicht gebrüllt wässerungsgullies besorgen die Spülung der Ställe. und geschrieen, wie sonst; es lief nur wie ein Summen, von einer In einiger Entfernung hinter den Ställen sehen wir die Dinger- Ecke zur andern. Aber die Ecken warfen den Schall nicht verstärkt Tadestätte, von wo die 350 000 Centner Dünger, die der Schlacht- und zurück wie sonst; die tausend Stimmen schienen sich verkriechen zu wollen in alle Winkelchen, zu den Thüren hinaus, irgend wohin! Nur nicht Viehhof liefert, meist mit der Eisenbahn versandt werden. Daneben liegt die Desinfektionsanstalt, die Häutesalzerei, der hier bleiben! Draußen im Garten zwischen den Linden rieselte ein Seuchenhof. Wir gehen um die Rinderställe herum und betreten die gleichförmiger, warmer Regen. Das bleiche Licht, das aus den am Bahnperron sich ausstreckende Kälberhalle. Sie ist zugleich mächtigen Fenstern herunterquoll, glänzte auf den weißen, schweißigen Stallung und Verkaufshalle und hat im Souterrain einen Reserve- Stirnen der entsegten Spekulanten. Es war heiß und feucht; eine raum für 3000 Hammel und 1000 Kälber. Jn zwei Küchen wird drückende Luft, wie in einer Badestube. Alle fühlten sie das; aber weder in Krippen, oder den ganz kleinen mit der Flasche verabreicht Kursstürzen. Nein, die eine Hälfte riß fürchterliche Wize wird. Zahlreiche Angestellte hantieren zwischen den Käufern und über die allgemeine Pleite", die andere stöhnte im ruhelosen Berkäufern in dem großen Raum. Hin und Herlaufen: Das Unglück kann doch nicht ewig Wir sind wieder um das Börsengebäude herumgegangen und dauern! Das muß doch bald ein Ende nehmen!" Und als endlich gelangen nun zurüd in die Hammelhalle, neben der eine gleich große allen die fürchterliche Gewißheit fam, als sie hörten, daß ihre mit und hinter der noch eine kleinere Schweinehalle liegt. Vor diesen angstvoller Liebe gehüteten Papiere um 10, um 20, um 30 Prozent Hallen, nach der Eldenaerstraße zu, befinden sich noch vier Hammel- geworfen würden, da wurde nur noch das Allernötigste gesprochen; Freunde saben sich hilflos an und fragten einander ställe, Verkaufsläden für Tabak und Cigarren, Arbeiteranzüge, gute Blicken: Was mit stummen mun?" Und dann tam Schlächtergeräte, Peitschen und dergl. mehr, das Direktionsgebände eine furchtbare Angst über alle: Nette sich, wer kann!- des Viehhofs und ein eignes, wie wir sehen, stark in Anspruch ge- Aber troz alledem waren sie alle fest überzeugt, daß Deutschland  nommenes Poft- und Telegraphenamt. ruhmreich aus dem dem chinesischen Krieg hervorgehen müßte und daß dann die richtige gute Konjunktur erst losgehen würde; wenigstens logen sie sich's vor. Sie glauben ja alle an eine beffere Beit, diese Börsenjunker und Börsenschnorrer, sie hoffen alle, daß in nicht ferner Zeit das Schlaraffenland der Börse ents stehen werde, zu dem jeder noch so bankrotte Jobber sich durch eine Riefenmauer von leichten aber großen Gewinnsten hindurchfreffen taun. Das glückliche Land, in dem niemand seine Differenzen zu zahlen braucht, in dem jedem ein Abonnement auf ein Dutzend Tänzerinnen am Anfang jeden Monats eingehändigt wird, wo jeder Börsenmann seine Equipagen in der Remise, seine zehn Renupferde im Stall, seine Segel- yacht auf dem Wannsee   befißt und fünf Offiziere seine Schwiegersöhne nenut. Alle träumen sie von dieser neuen Aera: auch jene, die immerfort davon zu reden wissen, daß die günstige Konjunktur einmal ein Ende nehmen müsse. Und darum haben sie jetzt alle, oder fast alle ihr, ach wie mühsam! erjobbertes Geld verloren oder sind auf dem geraden Weg dazu. Sie haben alle im tiefsten Grund des Herzens eine Stimme, die ihnen leise zuraunt: Die Karre rennt den Berg hinunter und muß in den Sumpf stürzen; aber sie preisen die offizielle Vorsehung und zahlen- wenn auch unter Wehtlagen die erhöhten Steuern und treten dem Flottenverein bei.

einer inmitten

der

Die Hammelhalle ist ebenso groß wie die Rinder- Verkaufshalle, 217 Meter lang, 72 Meter breit. Heute ist sie nicht ganz gefüllt, doch wenn dies der Fall ist, befinden sich in den 307 Buchten circa 30 000 Schafe. Ueberall hängen an den Säulen die Firmenschilder der Viehhandlungen, und vor den Buchten stehen die Gruppen der Kauflustigen und prüfen und handeln. Bald hier, bald da wird eine Bucht geöffnet und von den Treibern eine Anzahl Hammel ab­getrieben, und das Geschrei dieser Treiber verbindet sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm, der die ganze Halle erfüllt. Der Handel endet regelmäßig regelmäßig vor Halle neben einem kleinen Häuschen gelegenen Bucht, in die man die Tiere hineintreibt und deren Boden eine Centesimalwage ist. Hier wird das Gewicht der Schlachttiere festgestellt und dann geht's hinüber zum Schlachthof. Das größte Leben herrscht aber doch in der Schweineverkaufshalle. Ihre 600 Buchten gewähren 10 000 Schweinen Unterkunft, während eine kleinere Halle, die als Reserve dient, noch 2000 Schweine aufnehmen kann. In diefer Halle find allein elf große Wagen vorhanden und fortgesetzt wird durch die Triftstraßen die quickende und grunzende Gesellschaft zu ihnen hingetrieben, um dann in den Schlachthof zu gelangen. Sezt ist ein großer Teil der Buchten bereits leer; in einzelnen nur liegt ein halbes Dutzend der fettglänzenden Schlachttiere auf dem Stroh, alle Viere von sich gestreckt und die Vorübergehenden aus Halbgeschlossen Augen träge anblinzelnd... sie wissen noch nicht, was ihnen droht.

einst

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Litterarisches.

Schleswig Holsteiner Landleute von Selexe Boigt. Leipzig   bei G. H. Meyer.

Das erfahreu fie erst, wenn sie herübergeführt sind auf den Schlachthof, der sich nordwestlich, weit über die Thaerstraße hinaus, bis zur Schleswig- Holstein   ist meine Heimat. Seiner Heimat steht man Landsberger Allee   erstreckt. Für die Schweine ist ein besonderer Schlacht- nicht objektiv gegenüber und also auch keinem Buch, in dem die hof mit getrenntem Uebergang oben an den Bahngeleisen vorhanden, Heimat lebt. Der freundliche Osten Schleswig- Holsteins  , wo die während die Rinder, Kälber und Hammel durch das große füdliche Buchenwälder auf die blane Ostsee hinausblinken; der magere Thor eingetrieben werden. Man muß sich vorsehen, nicht plöglich träumende Mittelrücken; die Marschstrecken des Westens von einem Treiberzug überrant zu werden, denn ununterbrochen wirft auf mich stärker

werden die Herden der verkauften Schlachttiere durch das Thor ge- braucht die Bilder nicht etwa auf einen Berliner  .

das alles Man

einmal zu bringen, man braucht jagt. Hier ist für jedes überführte Tier eine Quittung über die mich nur an fie zu erinnern, um sofort mein Gefühl zu bereits gezahlte Schlacht- und Fleischschaugebühr abzugeben, zugleich erregen. Auf diese Weise also hat ein schleswig  - Holsteinischer Dichter eine Kontrolle über die Beschaffenheit des Viehes selbst, und dann leichtes Spiel bei mir. Aber auch nur auf diese Weise. Eben weil werden die Tiere nach den Ställen der Großschlächter herübergetrieben. ich die Heimat und die Natur meiner Heimat tenne und liebe, bint Die Einrichtung ist so praktisch wie nur möglich, und in ihren ich ein strenger Kritiker. Ich kenne sie genug, um jeden falschen Ton einzelnen Teilen auf die rasche und saubere Erledigung der blutigen im Bilde zu bemerken und liebe sie genug, um an die Wiedergabe Schlachtarbeit zugeschnitten. In Berlin   hat die fapitalistische Ent- ihrer Schönheit große Ansprüche zu stellen. Helene Boigt hat diese widelung auch in Schlächtergewerbe große Wandlungen hervor Schönheit nicht sehr lebendig dargestellt. Es fehlen die fatten gerufen. Die Schlächter, in deren Läden wir unser Fleisch kaufen, Farben und die eigenartige Betrachtung. Wenn man an Storm oder find zumeist Schlächter nur dem Namen nach. Sie sind richtiger: Liliencron   denkt, empfindet man einen weiten Abstand. Besser scheint Fleischhändler- Ladenschlächter" heißt die nicht ganz zutreffende mir die Dichterin den Menschenschlag Schleswig- Holsteins  Fachbezeichnung und schlachten längst nicht mehr selbst. Dies zu kennen. Troz ihrer Jugend hat sie manchem wortfargen Bauer ist das Gewerbe des Großschlächters, der die Schlachttiere auf dem tief ins Herz geschaut. Sie hat Verständnis für die herbe schleswig­Viehhof vom Viehhändler gekauft hat, fie in seiner Schlachtkammer holsteinische Art, die sich jeder weichen Regung schämt und sich lieber auf dem Schlachthof schlachtet, worauf von ihm der Ladenschlächter" die Zunge abbeißt, als das Wort zu sprechen, das jahrelangen Groll genannte Fleischhändler die einzelnen ganzen, halben oder viertel und jahrelanges Leid beseitigen könnte. Gleich die erste Novelle zeigt Tiere im Schlachthof oder am Alexanderplat kauft, sie sich in den die Dichterin von ihrer besten Seite. Die Art, wie hier refigniert Laden liefern läßt und dort an die Masse der Konsumenten ver- wird, ist echt schleswig- Holsteinisch und ist darüber hinaus auch rein pfundet. Dieselbe Entwicklung hat ja auch das Fleischergewerbe menschlich tief und start. Am höchsten stelle ich die Arbeit, die den in andren Städten durchgemacht, wenn auch nicht so cll- Titel, Vater" trägt. Hier ist das Können der jungen Dichterin gemein und so ausgeprägt wie in Berlin  . Wie mancher am reifsten und ihr Blick ins Menschenherz am tiefsten. Vor einem dieser Ladenschlächter, der stolz fich zum Mittelstand" rechnet, ist i. Experiment wie Mittagsstunde" sollte sie sich hüten. Sie Wirklichkeit nichts als ein Höriger des Großschlächters und wie verfügt nicht über die breite Kraft der Schilderung, die man haben mancher dieser Großschlächter ist wieder völlig abhängig von den muß, wenn man nur eine farbensatte Stimmung und nichts weiter Geldleuten, den Viehkommissionären, deren Kredit er in Anspruch geben will. Und dann noch eins: In der Erzählung Zwischen nehmen muß. Die Kleinproduktion in ihrer alten Form ist voll- Lipp' und Kelchesrand" steckt ein theaterhafter Zug, den die Dichterin ständig zerrieben worden. ( Schluß folgt.) wie die Best und Sudermann haffen muß, wenn sie ihrer Heimat