Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 145. digi

Scused

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Die Janfare.

Sonntag, den 29. Juli.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Frit Mauthner.

Wem von ihnen galt das schöne Lächeln, mit welchem Johanna sich noch einmal zurückbeugte, während der Lieutenant mit seinen freideweißen Militärhandschuhen winkte? 576 Die Zurückbleibenden standen unschlüssig. Da sagte Haffner- bon- Herne:

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zur Anerkennung ihrer raftlosen Thätigkeit für das öffentliche Wohl in die Kammer schickt. Der Abgeordnete ist nichts weiter als ein Journalist mit dem Mund, und Sie, Herr Richard Mettmann, müssen auch Politiker werden. hr Vater ist nicht reif, nein, er ist nicht reif. Er hat den Schliff nicht. Den Schliff erwirbt immer erst die zweite Generation. Die erste verdient nur Geld. Ihr Vater wird noch sehr viel Geld verdienen und wird sich freuen, wenn Sie sich und ihm damit einen Namen machen. Bei uns war es ebenso, Mein Vater hat uns die große Brauerei hinterlassen, ich bin von der zweiten Generation, auf einem Faß werde ich ins Parlament einreiten."

" Fräulein Johanna hat meiner nicht etwa gespottet, als Sie mir Interesse auch für Ihre Wissenschaft zusprach. Ich bin nicht einseitig. Uebrigens sind Sie mir auch sonst nicht Herr Haffner erzählte noch mancherlei aus seinem öffent­fremd, Sie Pfeudonymus. Sie sind doch der Bode, der für lichen und aus seinem bürgerlichen Leben. Die Herren hatten uns, ich meine für die Fanfare" unfres Mettmann  , mit sich inzwischen dem Thiergartenviertel genähert. Sie schritten unter so schöne Leitartikel schreibt? Da werden Sie ebenso an den öden Holzstätten des Lützowplatzes vorüber, wo der wie wir bei dem heutigen Feste erwartet. Schließen Sie fünftige Abgeordnete sich selbst mit einer Rede über Berliner  sich uns nicht an? Das Haffnersche Kraftbier   allein ist der Neubauten unterbrach; sie passierten den Kanal, wobei es Mühe wert." nicht ohne einen Vortrag über die Bedeutung der Wasser­

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Haffner- von- Herne bemühte sich, reines Hochdeutsch zu straßen abging, und gelangten bald rechts von der Friedrich sprechen, wie sich das für den künftigen Abgeordneten schickte. Wilhelmstraße zu der großen Gartenwirtschaft- Nur As an der Kreuzung der Potsdamerstraße ein Gewirr Haffnersches Kraftbier" welche heute für geladene Gäste von Pferdebahnwagen und Droschfen die Schritte hemmte, und die Vertreter der Presse eröffnet werden sollte. Noch hielt der Doktor Bode einen unvorsichtigen Flachskopf luftig war außer den Kellnern kein Mensch zu erblicken. Doch Herrn beim Schopf zurück. ation golicarpio ang Haffner- von- Hernes Anwesenheit war notwendig; er mußte Der Junge schoß wie ein Pfeil davon, ohne auch nur zu sich heimlich als echter Haffner um das Bier kümmern und Teinem Netter aufzublicken. Bode wandte sich lachend feinen als von Herne   seine große Festrede überlegen. Mit der Begleitern zu und bemerkte erst jetzt, daß sie schweigsam und Bitte, die Herren möchten etwa in einer Stunde wieder­in sich gekehrt geblieben waren. Er verstand nicht, warum dieser kommen, verließ er sie und schritt durch den buntbewimpelten Haffner- von- Herne den Herrn Mettmann   so eifersüchtig und Thorweg in den Garten. Die Kellner neigten sich in Ehr­mißtrauisch von der Seite ansah, und er verstand noch furcht vor Haffner- von- Herne. pb mimpi und weniger, warum der letztere ihn selbst, den unschuldigen Doktor Richard Mettmann blieb neben Bode unschlüssig stehen. Bode, mit demselben Blick heimlich musterte. Plöglich fiel Wer wollte ihn zwingen, diesem Menschen noch länger Ge­ihm ein, daß er beide, und vielleicht als Nebenbuhler, bei sellschaft zu leisten, einem halb vergessenen Schulmeister, der Fräulein Johanna von Havenow gefunden hatte, und er chnisch von einem heiligen Beruf sprach und der vielleicht mußte lustig auflachen. Wäre es möglich, daß der trockene ebenso chnisch über Johanna von Havenow dachte,

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Herr mit den aufgeklebten Bartfeßen den jungen Mettmann   Richard hätte fürs Leben gern gewußt, was die beiden fürchtete, und Mettmann   wieder den armen Doktor Bode, mit einander Gemeinsames und Geheimes hatten; doch war der im Begriff stand, einen der unvernünftigsten Streiche er für sich und für Johanna zu ftolz, um Neugierde zu ver feines Lebens zu machen und sich aus Mitleid zu verraten. Und wenn er jetzt nicht mit einem höflichen Gruße Heiraten? bon dannen ging, wenn er plaudernd nach der Tiergarten­Richard fragte etwas, weil ihn das Lachen Bodes ver- straße einbog und es als selbstverständlich annahm, daß legt hatte. o propio sulle die aufs neue bekannt gewordenen Herren den Abend wie Snd Sie sind Zeitungsschreiber geworden?" alte Bekannte mit einander verbrachten, so hatte er nicht im entferntesten die Absicht, Bode über Johanna auszuholen. wirklich nicht. Und wenn ein Zufall dennoch eine Mitteilung herbeiführte, so war ihm Richard wenigstens nicht zu Hilfe gekommen,

Als der Sohn meines Verlegers hätten Sie was daran wenden und Journaliſt fagen können. Bis heute bin ich es nicht. Bis heute habe ich still für mich an einem gelehrten und vergnüglichen Buche gearbeitet, welches selbst Buch handel und Zeitungswesen im alten Rom   behandeln soll. Und so oft ich für meine Forschungen ein neues teures Wert brauchte, schrieb ich jedesmal eine Kleinigkeit für den Buch Handel oder das Zeitungswesen des neuen Berlin   und schimpfte nachher wie ein alter Römer über die kleinen Honorare. Heute habe ich die Absicht, mich Ihrem Papa zu vermieten. Er hat mir schon zweimal die Redaktion feines Blattes angeboten. Ich nehme an." cuiry

In Wahrheit ließ sich Richard Mettmann von einem unbestimmten freundschaftlichen Gefühle leiten, das ihn gegen seinen Willen dem jungen Gelehrten oder Journalisten näherte. Er hatte das Bedürfnis, die falschen Bilder zu zerstreuen, welche die Worte Haffners erweckt haben mochten. Bode sollte ja demnächst zum Vater und zu ihm selbst wieder in ein nahes Verhältnis treten; da wurden Mißverständnisse am besten gleich in der ersten Stunde beseitigt. Richard erzählte, wie Haffner hörte der legten Wendung des Gesprächs mit das Leben in den letzten Jahren mit ihm gespielt hatte. Tebhaftem Anteil zu. Jekt äußerte er seine Freude. Wie Unversehens tam er auf Herzenssachen zu sprechen. jemand, der persönlich beteiligt ist, sprach er über die Fan- Weil er feiner fünstlerischen Leidenschaft für die Musik fare" und ihre Zukunft. Die Zeitung war in den Händen zu viel Zeit opferte, darum so glaubte er hätte ihn eines vorzüglichen Geschäftsmannes, das Anzeigewesen wurde der Vater nach dem praktischen England geschickt. Richard von den unerschütterlichsten Agenten fleißig betrieben, nur bemühte sich, seinem Vater Recht zu geben und seine eignen lesen wollte das Blatt noch niemand. Es stand zu tief im idealistischen Neigungen mit Fronie zu behandeln. Doch Ansehen; wenn ein gebildeter Redacteur die Leitung über- Bode, der von Zeit zu Zeit mit herzlichem Anteil nach dem nahm und dem Blatte Leser verschaffte, so war der alte Begleiter zur Seite blickte, hörte eine tiefe Unzufriedenheit Mettmann   wie fein zweiter geeignet, es bis auf fünf, ja auf mit der gegenwärtigen Lage heraus. zehn Seiten Inferate zu bringen. Haffner regte sich ordentlich auf bei der Vorstellung, daß dem Blatte tägkich zehn Seiten bezahlter Inserate beigelegt würden.

Bode lachte laut auf.

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Sie wandelten seit einiger Zeit unter den hohen Bäumen am Saum des Tiergartens. Die Sonne war untergegangen, und über den Wipfeln schwammen auf dem weißlich- grünen Abendhimmel kleine Wolfen wie verstreute Rosenblätter. Sparen Sie Ihre Lunge für später, für den Reichstag  ," Bode wies mit dem Finger hin. Richard machte die Be­riefter. Wir sind meines Wiffens alle beide keine Ab- merkung, daß die Malerei bis jetzt solchen alltäglichen Er geordneten." ist da moscheinungen mit ihren paar Farben hilflos gegenüberstehe. ,, Sie fönnen es aber beide werden," erwiderte Haffner Schon waren sie in ein Kunstgespräch vertieft, und Bode ernsthaft. Sie als Journalist müssen es als den Gipfelpunkt hatte die Hand unter Richards Arm geschoben, ohne daß Ihrer Lebensbahn betrachten, daß ein deutscher Wahlkreis Siel diefer es bemerkte oder verhinderte.