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trachten, das hätte wohl mancher Maler festhalten mögen.] Ind mun gab's wieder einmal Gelegenheit, auf jentem Weg Sogar der Akademiker blinzelte oft genug hin, um nachher zwischen der gegenwärtigen und der seinerzeitigen ernst- tomischen in seinen Künstlerträumen diesen biegsamen Hals, diese Oper dort Halt zu machen, wo weithin sichtbar der Name des großen ruhigen Schultern und diefes föftliche Handgelenk wieder- laffiters" der französischen Operette steht, Jacques Offen bachs. Wenn jemals der Ausdruck höherer Blödsinn" zu einem zusehen. Und erst dieser Kopf! Lob werden konnte, so ist er dies jedenfalls geworden gegen

" Zum Lachen schön!" hatte Fräulein Betty gleich am über der Schönen Helena". Seit ihrer Erstaufführung 1864 ersten Tage erklärt, als Johanna fortgegangen war. Die ist sie bald zu einem Gemeingut europäischer Bildung" großen, braunen, sehnsüchtigen Augen leuchteten aus der dunklen geworden, zu einem in seiner Art klassischen Wert mit Gesichtsfarbe, und diese bräunlichen Wangen leuchteten doch historischen Darstellergrößen. Würdig dieses Interesses ist sie jeden wieder selbst, und zwischen den Lippen die Zähne, es war wirk- falls durch die originelle Parodistik und Burleskheit, mit der ihre lich zum Lachen schön. Da war der Fehler im Gesicht: die Textdichter Meilhac und Halévy aus der griechischen Mythologie so Enifernung zwischen Nase und Oberlippe war um einen Ge- unsterbliche Kerls herausgearbeitet haben wie diese fünf Könige und danken zu groß. Aber Fräulein Betty wettete ihren höchsten dem der Mikado" mun einmal nicht zu vergleichen ist. den Großaugur Kalchas, und mit der sie ein Etwas geschaffen haben, Die Musik Besitz, ihren großen Regenschirmt, darauf, daß niemand diesen spielt als solche nicht eben eine Rolle in der Geschichte der Ton­Fehler wegwünschen könnte. Man hätte zu diesem Kopfe fimft; für den Text paßt sie durch ihre chansonhafte Ober­schwarzes Haar vermutet, doch die Natur hatte recht, als sie flächlichkeit, Lebendigkeit. Ein solches Werk verleitet zit über diese flare Stirn die Fülle braunen Haares fette. der Meinung, es könne ebenso leichthin gegeben werden, Auf der Straße verbarg Johanna den Reichtum unter ihrem wie es aufgenommen wird. Judessen zeigen doch schon jene Hut, aber hier in der Fabrik konnte sie es nicht verhindern, daß Fräulein Betty jedesmal freudig zu lachen anfing, wenn der Hut abgenommen wurde, oder um die Mittagszeit die Sonnenstrahlen die braunen Fäden vergoldeten.

Der sehnsüchtige Ausdruck von Johannas Augen hatte sich verstärkt, als die Gesellschaft nach Malerbrauch einmal ein Stündchen von Rom geschwärmt hatte. Sie wurde sich nicht flar über die Gedanken und Bilder, die dabei vor ihr auf stiegen. Ihr guter Freund Richard Mettmann hatte vor Jahren, damals, Bilder von alten Bauten aus Italien mit gebracht. Und wenn sie einmal bewundernd wirklich vor der Peterskirche stand, da war gewiß wieder Richard Mettmann ihr Führer, dann...

( Fortsetzung folgt.)

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historischen Darstellergrößen, was aus ihm zu machen ist. Wie überhaupt Offenbach von Paris herüber in Wien den besten deutschen Boden fand, so war speciell auch die schöne Helena" durch die dortigen Sterne der Operettenbühne, durch eine Geiſtinger, einen Girardi u. a., erst recht denkwürdig geworden. Wenn nun ein deutsches Operettenensemble diese Musikfarce neuerdings hervor­zieht, so kann man es von einer gewissen Verantwortlich feit gegen eine groß gewordene Tradition nicht frei sprechen. Seit Sonnabend hat fich das im Theater des Westens spielende Nebenensemble des Centraltheaters des Stüdes bemächtigt, am Ende einer zumeist auf das Amusement wird das Urteil des Kunstreferenten von Abend zu Abend nach­In einer solchen Zeit von Reisenden angelegten Sommersaison. fichtiger. Allein wenn auch dieses Urteil sich nicht mehr befriedigen fann, so muß die Aufführung schon recht bedenklich sein. In der That: die Größe eigener Art, die dieser mit verlangt und auch wirklich gefunden hat, scheint diesmal niemandem zum Bewußtsein gekommen zu sein. Die glatte Verbindung von hellenischer Liebesgrazie und modernem Chansonnettentum, welche die Titelrolle erfordert, war von Frl. Kitty Cornelli( vom Prager Deutschen Landestheater) nicht so imposant erreicht, wie es möglich wäre; aber Aus der musikalischen Woche. dennoch leistete diefe gut gebildete Sängerin ganz Respektables. Von der Operettenkunst der letzten Jahre, die uns eben lebhaft Herrn Rudolf Ander fehlt zwar nicht dummerliche und unters beschäftigte, wenden wir uns rückwärts, hinauf in die frühere Ge- haltliche, wohl aber die künstlerisch feine Komik, die in die schichte der musikalischen Dramatik. Bir gelangen zu der französischen Kalchas- Rolle gelegt werden kann; und auch Max Bilzer Operette eines Lecocq, eines Offenbach , eines Hervé. Von da geht spielte guten Menelaus zwar in cigenartiger Anf­als mit farifaturartig der es weiter zu den Ausläufern der französischen Komischen Oper, einem faffung, aber doch mehr Bazin, einem Adam. Abermals einen Schritt zurüd, Tragikomit des jämmerlich Leidenden. Luise Albes hatte als und wir stehen bei der Blütezeit dieser Oper unter Auber Clytämnestra eine zu kleine Rolle, als daß ihre Vorzüge wieder und Boieldieu, von wo wir weiter hinauf zu den An- genügend hervortreten konnten. Gesungen wurde, mit Ausnahme fängen dieser Gattung und endlich zu den Anfängen der der erwähnten Trägerin der Titelpartie, meist herzzerreißend schlecht; italienischen Komischen Oper gelangen. Allerdings befagt in Frank Chor und Ensemble wantten, als gälte es, das Stüd unzubringen. reich bei dieser Gaffung der Ausdruck komisch" nicht das, was wir Die Anfängerkräfte, die bei einer folchen Gelegenheit losgelassen uns darunter denken; deutlicher wirkt für uns die, ähnliches be- werden, würden wahrlich eine bessere Führung auf ihrem Ent­fagende, Bezeichnung Spieloper". Als gewöhnliches lluterscheidungs- wicklungsweg verdienen. merkmal der ernsten" oder großen" und der tomischen" Oper be= trachtet man dies, daß jene durchweg komponiert ist, bei diefer jedoch Tomponierte Teile mit gesprochenem Dialog abwechseln. Indessen kommt natürlich auch der etwas leichtere, fröhlichere, etwa auch realistischere Ton der einen und der gewichtigere, herbere, nach mehr idealisieren­dem und grandiosem Stil strebende Ton der andren in Betracht; oe. Zu Grabe. Tiefblau lachender Sommerhimmel, die und der Tenorbitffo" und der Baßbuffo" vollenden den Typus der Regenwolken des frühen Morgens haben sich verzogen, golden blitt Komischen". Doch ist auch diese reich an Tragischem und die Sonne auf Straßen und Plätze, auf die wogenden Menschen Idealistisch- Phantastischem. So hat, an der Seite jener Haupt maffen, die alle nur einem Ziel zustreben, in deren Herzen nur ein Klassiker der französischen Opéra comique " und aufs beste Gedanke lebt: Nach Friedrichsfelde ." Endlos ist der Zug. In von ihnen unterstützt, auch 2. J. F. Herold( 1791-1833) ganzen Scharen kommen sie. Männer, Frauen, Greise, Kinder, zu feine Opern geschaffen. Unter ihnen ist" 8ampa oder Fuß, zu Wagen 8ampa oder Fuß, zu Wagen Und was für Wagen sind da unterwegs! Die. die Marmorbrant" wohl am bekanntesten und beliebtesten Pferdebahnen reichen nicht, die Droschten reichen nicht, auf Stremsern geworden; sie wurde 1831 in Paris , 1832 in Berlin auf Möbelwagen kommen sie, die schlechteste Bretterkarre, sie gilt zum erstenmal aufgeführt. Auch sie ist eines von den musikalischen heute Gold, die zimperlichsten Mädchen, sie lassen sich drücken und Bühnenwerken, gegen die sich die musikdramatische Moderne keines- drängen, sie nehmen fürlieb mit dem härtesten Blaz, wenn sie nur wegs so wendet, wie sie es namentlich gegen die hochpathetische Un- überhaupt noch hinkommen:" Nach Friedrichsfelde ." natur der seriösen" Oper thut. Zwar ist auch hier Folge von Nummern" und von den Sprüngen zwischen Dialog und Gesang nicht zu sprechen- allzuvieles im Gewebe der Fabel ge­tünstelt. Allein das Grundmotiv, die Niederbeugung und Vernichtung des Corsaren 8ampa durch die Statue eines von ihm verlassenen Mädchens, die sich vor ihm bewegt und ihn bezwingt: dieses zir Theaterlächerlichkeit neigende Motiv ist doch so treffend aus der Stimmung der Beteiligten und der Umgebung herausgearbeitet und so passend in den sonst recht unsicheren dramatischen Zusammenhang hineingewoben, daß wir uns ihm willig hingeben fönnen.

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Die Morwig Oper, die dieses Stück in den legten Tagen neu erivedte, hat dabei ein von uns bereits so mehrfach kritisiertes Bersonal ins Treffen geschickt, daß wir auf einzelne Nenungen vers gichten können. Doch dürfen die etwas undramatische Kürzung, des Textes und andrerseits die innerhalb des Kraftvorrates von Mortis imposanten Ausstattungen und Dekorationen letztere freilich mit einer schlimmen tunsthistorischen Anspruchslosigkeit nicht unerwähnt bleiben. Das allzulaute Epiel des Orchesters schließlich ist bei diesen Aufführungen ein jedesmal recht sehr störender Faltor.

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Kleines Feuilleton.

SZ.

Draußen am Friedhof lange Reihen; Mann bei Mann stehen sie, die Straße entlang; stehen stundenlang. Kein Laut stört. Mit ehrfurchtsvollem Schweigen laffen sie die Kranzträger vorbei. Nur hin und wieder cin Ruf der Bewunderung: Ach die wundervollen Stränge!"

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Drei Mann tragen an Einem!"

" Ja, wirklich, drei Mann!"

Na, es ist ja auch für' n alten Liebknecht."

Wie Jaitge wird er denn brauchen?"

Na, so drei Stunden!"

Ach wo, det reicht nich."

Wenn er man um sechse hier is. Der weite Weg!"

" Und wie die gehen müssen, Schritt für Schritt!"

" Eigentlich is' n dolles Stück."

Na, s gilt ja dem alten Liebluecht!"...

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Drinnen auf dem Friedhof tiefes Schweigen; eine Meise wispert im Gebüsch, sonst kein Laut. Die Wege sind leer. Echon seit dem Vormittag ist der Garten der Toten abgesperrt. Hier und da nur