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fleht man ein paar Fremde, die Trauer und Teilnahme schon in der Mitte. Wenn man überdies in diesen Häusern für seine, den ersten Morgenstunden getrieben, und die nun ausharren wollen Kleidung wie für andre Sachen von Wert Geld vorgeschossen er bis zum Ende. halten kann, so ist das allerdings vielen Chinesen ebenso angenehm

An der Leichenhalle plötzlich ein verändertes Bild. Die Ruhe wie manchen deutschen Studenten. Die Gebäude, worin die des Tods ist gebrochen, in ganzen Scharen wogen die Trauernden Pfandleihgeschäfte untergebracht sind, erheben sich meistens über die auf und ab. Wie ein schwarzer Strom flutet es durch die grünen sonstige einstödige Einförmigkeit chinesischer Wohnungen. Zudem sind. Alleen. Und dieser Strom schwillt, schwillt von Minute zu Minute. sie viel größer, und zum Schuge gegen Feuer und Einbrecher viel Am Rande des Wegs begimit es zu leuchten, in das schlichte Grün massiver gebaut als diefe. Ihre ganze Erscheinung und besonders des Rafens mischen sich rote Georginen, leuchtende Geranien, der Umstand, daß die schmalen Fenster genau wie Schießscharteit brennende Rosen, hier liegen die Kränze. aussehen, legen die Vermutung nahe, es feien Festungswerke. Ein Fremder, der zum erstenmal eine Chinesenstadt besucht, glaubt dies auch gewöhnlich und ist ziemlich erstaunt, wenn er von der wahren Bedeutung der auffälligen Gebäude unterrichtet wird. Die für das vorgestreckte Geld verlangten Zinsen betragen bei kleineren Summen gewöhnlich drei Prozent monatlich, bei größeren weniger. Der niedrigste mir bekannt gewordene Sazz ist zehn Prozent jährlich. Die verpfändeten Gegenstände sollen gesetzlich erst nach drei Jahren verfallen, aber gewöhnlich werden sie bereits nach zwei Jahren und drei Monaten verkauft. Nicht selten lassen gebrachten Sachen wieder einzulösen, die dort erhaltenen Marken öffentlich ausbieten; der Käufer hat dann das Recht der Einlösung.

Und ein Kranz gefellt sich zum andern, immer neue, immer mehr, hundert, zweihundert, fünfhundert, gar nicht mehr zu zählen, bis in die Tausende wachsen sie. Wie Feuerbäche rieseln die roten Schleifenbänder durch das frische Gras. Neben dem prächtigen Blumenbau der Gewerkschaft liegt das bescheidene Kränzchen der Proletarierfrau.

Und weiter und weiter schreitet die Zeit, es wird Nachmittag, es geht zum Abend; wieder spricht man vom Bug". Nun muß er bald heran sein!"

Ein alter Herr, der voran gefahren ist, beginnt zu erzählen: Personen, die nicht die genügenden Mittel haben, ihre aufs Leihhaus Mindestens Hunderttausend gehen mit."

"

Ach, das ist ja gar nicht möglich."

" Der sechste Wahlkreis geht voran und das sind allein dreißig Jm allgemeinen haben die Befißer der größeren Leihhäuser, die bis tausend."

find.

Co etivas hat Berlin noch nie gesehen!"

" Dann können wir man warten bis zum Abend, ehe fie ran schäfts einen Erlaubnisschein von der Regierung haben, die ihnen

"

Sa, zehn Uhr wird's werden, ehe alles, vorbei ist."

Na, ich bleibe aber doch bis zu Ende!"

Und sie bleiben und warten weiter, aber tiefe Erschöpfung malt fich auf manchem Gesicht. Heiß ist der Tag, und man ist auf dem Friedhof, es giebt hier weder Speise noch Trant, seit dem frühen Vormittag hat man nichts genossen.

Wasser, Wasser!"

In der Gießkanne schleppt man das Tabende Naß herbei, ein Blumentopf ersetzt den Becher. In das Grün des Rafens lagern sich schwarze Gestalten, man famt nicht mehr. Dann endlich in der sechsten Stunde naht der Zug. Zuerst nur Vorläufer, eine junge Frau fommt an, leichenblaß, kaum daß sie sich auf den Beinen hält. Feitschen gab er dann endlich seine Einwilligung gegen Zahlung Von der Kantstraße bis zum Friedhof ist sie mitgegangen, den schweren Kranz am Arm.

Ich mache Ihnen mein Kompliment," sagt ein Herr; sie neigt verschämt das Köpfchen:

"

Ach, ich wußte ja, es würde anstrengend sein, aber es war doch für den alten Liebknecht!"

Die Sonne neigt sich zum Untergehen, länger und länger werden die Schalten im Park, da... entfernt... Musik... der Zug ist da. Die Träger eilen zu den Kränzen, eine Menschengasse bildet sich die Allee entlang, eine wunderbare Gasse.

Hoch über ihren Köpfen halten sie die Kränze empor, rot wie ein Blutstrom rieseln die Schleifen über das dunkle Grün des Lor­beers und der Eichen.

Und durch die rote Gasse geht der schwarze Zug....

Litterarisches.

Marcel Prévost : Flirt. München , Albert Langen . Liebesgeschichten und nichts als Liebesgeschichten. Berverse, pikante, gemeine aber immer Liebesgeschichten. Eine einzige kleine Stizze macht eine Ausnahme; sie erzählt einen fleinen Scherz, der mit Weibern nichts zu thun hat.

Das ganze Buch besteht übrigens aus Skizzen, aus oberflächlich hingeworfenen Stizzen, die gelegentlich( aber sehr selten!) raffiniert und effektvoll gemacht sind, aber immer litterarisch wertlos bleiben. Nirgends greift der Verfasser tiefer, nirgends auch nur ein Ansatz zu einer Novelle, nirgends poetische Qualitäten, die eine lebersetzung des Buchs rechtfertigen fönnten. Der Eindruck wäre trostlos, wenn die versteckte und offene Geilheit der Skizzen ihn nicht zu einem widerwärtigen machten. Auch ein an sich widerwärtiger Stoff, auch eine gemeine Liebesgeschichte, fant, richtig angepackt, ein wertvolles Kunstwerk ergeben. Hier aber kann von Kunstwerken gar keine Rede sein. Nichts bleibt übrig, als eine Summe von pikanten oder gemeinen Anspielungen. Man spürt keine fünstlerische Absicht, son­dern mir die Abficht, träge Sinne zu stacheln. Das mag ein Ge­werbe wie jedes andre sein, ein künstlerisches ist es keinesfalls, und wir persönlich halten es auch für kein anständiges.- E. S.

Völkerkunde.

weilen einzelne Personen, gewöhnlich jedoch Gesellschaften sind, eine ganz angesehene Stellung. Sie müssen zur Betreibung ihres Ges auch allerhand Vorschriften macht, durch die das Publikum vor Auss bentung bewahrt werden soll. Gleichwohl sehen die ärmeren Volkskreise in den Leihhäusern stets ihre Feinde, denen sie mit Frenden einen Schabernack anthunt. Smith erzählt in seinen " Chinese Characteristics" von einem Fall dieser Art. Die Mauer eines Leibhauses, die unmittelbar an ein fremdes Grundstück stieß, mußte ausgebeffert werden. Dies fonnte mun mur so geschehen, daß man das dazu nötige Gerüst auf dem Nachbargrundstück errichtete. Dessen Besizer aber lachte sich ins Fäustchen und dachte, sich die günstige Gelegenheit zu einem tüchtigen Schnitt nicht entgehen zur lassen. Als er um Erlaubnis zur Errichtung des Gerüstes gebeten wurde, schlug er die Bitte zuerst rundweg ab. Nach langem von beinahe tausend Mark! Smith teilt noch einen andern Fall mit, der die Abneigung des Volts gegen die Leihhäuser tenn zeichnet. Es handelte sich dabei um einige Kupferstücke im Werte von etwa zehn Pfennig, die das Leihhaus nicht annehmen wollte. Dies führte zunächst zu einem heftigen Wortwechsel, der bald in Thätlichkeiten überging. Der an die Luft beförderte Kunde kehrte aber mit Verstärkung zurück und unternahm einen regelrechten Angriff auf das Leishaus, das sich genötigt fah, den Bezirkss Mandarinen zu bitten, Truppen zur Wiederherstellung der Ordnung zu schicken. Wochenlang lag darauf das Geschäft des Leibhaufes fast ganz brach, weil das erbitterte Volt nichts mehr von ihm wissen wollte. Die konzessionierten Leihhäuser haben fast immer einen starken Rückhalt an Mandarinen und andern Notabeln ihres Bezirks, die Geld in diesem Geschäft stecken haben. Denn das gilt in ganz China nicht für anstößig. Im Gegenteil, die meisten hohen Würden träger besitzen Anteilscheine von Pfandleihgeschäften. In den Leih­häusern der großen Städte finden sich fast immer wundervolle alte Seidenstickereien, die sonst nur schwer zu erlangen find. Manche europäische Damen, die diese Sachen sammeln, setzen sich daher mit derartigen Geschäften in Verbindung. Unter gewöhnlichen Um­ständen würden sie sich mit Widerwillen abwenden, wenn man ihnen zumuten wollte, getragene chinesische Kleider in die Hand zu nehmen. Aber wenn der Sammeleifer ins Spiel fommt, heißt es auch hier: non olet. Neben den konzeffionierten Pfandleihgeschäften giebt es auch solche, die keine obrigkeitliche Erlaubnis habent. Aber die unteren Beamten drücken, wie in vielen ähnlichen Fällen, beide Augen zu, sobald man sie mur ordentlich für ihre Blindheit belohnt. Diese verbotenen Leihhäuser treiben meistens Wuchergeschäfte, indem sie minderwertige Sachen gegen sehr hohe Zinsen annehmen, während die reellen Leihhäuser alle nicht guten Sachen zurüdiveisen.

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Aus dem Tierleben.

Maas

Der große Wanderzug der Libellen durch Belgien im vergangenen Juni. Am 5. und 10. Juni hat sich in Belgien die merkwürdige Erscheinung ungeheurer Züge von Libellen( Libellula quadrimaculata) gezeigt in Gestalt von kompakten Massen dieser Insekten. Der Wanderflug der Libellen am 5. Juni machte sich bemerkbar in Form eines breiten Streifens, der sich über das ganze mittlere Belgien erstreckte, und zwar vom Norden Pfandleihen in China . Der Köln . 8tg." wird ge- der Provinz Antwerpen bis jenseits der französischen Grenze, fchrieben: In China steht bei einem bedeutenden Teile der Be - westlich von der Schelde bis östlich beinahe zur bölferung der mit der Kleidung getriebene Aufwand in einem ganz hin. Die Tiere flogen in unzähliger Menge alle in der andern Berhältnisse zu den sonstigen Lebensbedürfniffen als im Richtung von Südost nach Nordwest, und zwar gegen den Wind, mit Abendlande. Stellt der Chinese aus den mittleren Klassen durchweg erstaunlicher Regelmäßigkeit und ohne sich Ruhe zu gönnen. Ihren weit weniger Ansprüche an Kost und Wohnung als ein Bewohner Weg nahmen sie sehr niedrig am Boden, überstiegen aber doch von Mittel- und Nordeuropa in gleicher Lebenslage, so finden wir Hindernisse bis zu 10 oder 12 Meter Höhe und die Geschwindigkeit bei der Kleidung das Gegenteil. Die Folge davon ist, daß viele des Flugs wurde auf 5 Meter in der Sekunde, also 18 Kilometer Personen gar nicht in der Lage find, alle die Anzüge für die ver- in der Stunde geschätzt. Die ersten Libellen zeigten sich um 7 hr schiedenen Jahreszeiten, die sie und ihre Söhne befizen, in den morgens, die meisten erschienen zwischen 10 und 12 Uhr und die oft sehr beschränkten Wohnungen ordentlich vor Motten und anderm letzten gegen 2 oder 21/2 Uhr nachmittags. Nachzügler wurden Ungeziefer zu schützen. Schon aus diesem Grunde find Häuser, auch noch zwischen 4 und 5 Uhr gesehen. Am 10. Juni erschienen die diese Mühe übernehmen, eine notwendige Einrichtung im Reiche wiederum Libellenschwärme, aber nur an der belgischen und nieders