Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 188

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Die Fanfare.

Freitag, den 28. September.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Frit Mauthner.

Jekt mußte Achim seinen Gegner Richard Mettmann zurückhalten, daß er sich nicht auf Haffner stürzte. Haffner, der an allen Gliedern schlotterte und ab und zu ungeschickte Bewegungen machte, sah ängstlich von einem zum andern.

Habe ich die Wahrheit gefagt?" fragte Achim. Haffner sah die beiden Männer vor sich stehen und würgte in Todesangst an einer Erklärung; endlich famt ein tonlofes Ja!" hervor.

"

Lieber Herr Mettmann," fuhr Achim fort, führen Sie doch den Mann an den Tisch und lassen Sie ihn schreiben: Ich war Zeuge, wie Disselhof ohne Wissen des Fräuleins Johanna von Havenow- Trienih deren Bild malte, und habe dazu geschwiegen. Ich bin ein Schurke, der Prügel ver­dient. Das soll er unterschreiben, ferner eine Quittung über das Geld, das dort auf dem Tische liegt."

Haffner zögerte ein Weilchen, als er aber den Ernst der beiden jungen Männer sah, beeilte er sich, ihren Willen zu thun. Achim ging unterdessen aufgeregt auf und nieder. Als Haffner sich zierte, das Geld einzustecken, trat der Lientenant plöglich mit einem wilden Zorn auf ihn zu; da raffte Haffner die Banknoten zusammen.

Herr Mettmann  ," rief Achim, fagen Sie selbst, kann man sich mit so einem Lumpentert schlagen?"

Richard wies mit bitterem Lächeln nach der Thür, Haffner war soeben verschwunden.

" Herr Mettmann," rief Achim, wollen Sie noch etwas von mir wissen, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich diesen Menschen nie für etwas Ordentliches gehalten habe und ihm dennoch meine Schwester geben wollte? Bin ich dann in Ihren Augen nicht auch so ciner, mit dem man sich nicht schlägt?"

"

Richard streckte dem Aufgeregten die Hand entgegen. Richard!" rief der Lieutenant mit bebender Stimme. Ich fühle meine Ehre wieder hergestellt; willst Du Dich jetzt mit mir schlagen?"

Und weit breitete er seine Arme aus.

ia XIX.

1900

Es war nach Mitternacht  , als die beiden Schwäger Arm in Arm das Haus in der Alvenslebenstraße verließen und unter herzlichen Gesprächen dem Tiergarten zuschritten; Richard wollte volle Klarheit schaffen und seinem Vater Rede stehen. Die beiden jungen Leute hatten ihre helle Freude an einander.

Als sie Arm in Arm die immer noch belebte Potsdamer­straße hinunterschritten, wurden sie doch einmal gezwungen, aufzublicken und ein kleines Nachtbild wahrzunehmen. Ein un­bestimmbares kleines weibliches Wesen in einem langen, nach­Lässig gefnophen Regenmantel war eben an ihnen vorbei­gestürzt; es mußte durch seinen großen Rembrandthut und durch seine mächtig ausschreitenden Schritte auffallen. Dicht an den Fersen des eiligen Weibchens hielt sich ein Bummler, der die Verfolgte zu überholen suchte. Da, beim Scheine der nächsten Gaslaterne, drehte sich das Frauenzimmer scharf um, wies dem Manne ihr lachendes altes Gesicht, um welches unordentliche graue Haare flogen, und rief mit tiefer Stimme: So sehe ich aus, und min gute Nacht, Sie Dumm topf!" Der Bummler entfloh, aber schon war Richard an ihrer Seite. and your sinsin!! Fräulein Betty, nicht wahr?" rief er. Was bestehen Sie für Abenteuer!"

Auch die Malerin erkannte ihn sofort wieder; sie war in bester Stimmung und nahm mit einem verschämten Knig seinen Arm an. Achim hatte verdugt daneben gestanden, war aber ritterlich an ihrer andern Seite, als Richard kurz und bündig die Vorstellung ausführte:

big sonse

Johannas Bruder Johannas Freundin!" tille Fräulein Betty tam zu so später Stunde von der kranken Frau Bode; sie sollte erzählen, wie es dort ging. pi ,, Sehen Sie dort oben den Vollmond an, wie er den Mund breit zieht vor Vergnügen. Es ist gut."

Und die kleine Malerin, welche ganz unten an Richards Arm hing und wie ein kluger guter Zwerg zwischen den beiden stattlichen Männern einherstampfte, blinzelte zu Richard hinauf und schielte nach Achim   und bemerkte, daß die beiden einander duzten, und hatte nicht übel Lust, mit ihrer gräulichen Stimme den Dessauer Marsch anzustimmen; sie hatte es noch nie vor Menschenohren gethan, aber wenn es einmal notwendig werden sollte, dann fürchtete sie sich " Ich bin heute der Vertrauensmann zweier unglücklich vor keinem Schußmann und vor keinem Nachtwächter, Liebenden geworden," sagte der Lieutenant; ich weiß jezi und jetzt lag etwas in der Luft wie der Dessauer Marsch, alles besser, als jeder von beiden. Richard, liebst Du meine und nach dem unhörbaren Zakt des Lieds marschierte sie Schwester noch immer?" tapfer weiter, daß die beiden Herren unwillkürlich Schritt

Als sie wieder von einander ließen, war Nichard so auf­geregt, daß er nicht gleich wußte, warum Achim so zuversicht­lich lächelte.

zeihen!"

ch liebe sie und bin frei, aber sie kann mir nicht verhalten mußten.

Das wollen wir sehen; warte ein Weilchen!" Und Achim tappte sich wieder in das Schlafzimmer zu rück, wo Johanna die verängstigte Mutter zu beruhigen suchte.

,, Kleine Schwester," sagte er, Du weißt, heute abend follte Verlobung gefeiert werden, es ist doch alles in Küche und Keller vorbereitet? Der Bräutigam ist da, und ich befehle Dir als Dein großer Bruder, ihm entgegen zu gehen!"

Die Mutter verstand ihn nicht, Johanna aber faßte sich mit beiden Händen an den Schläfen und rief: Richard!"

,, Er glaubt nicht, daß Du ihm verzeihen kannst," sagte Achim; aber schon war Johanna hinausgeeilt, wie Richard ihr aus der hellen Stube in den öden, finstern Raum des Salons entgegenschritt.

Achim schloß die Thür des Schlafzimmers ab und setzte sich neben die Mutter auf den Bettrand nieder.

" Ich bitte Dich," sagte er zärtlich wie zu einem Kinde, den Bräutigam Deiner Tochter, Herrn Richard Mettmann, freundlich willkommen zu heißen; er wird sie glücklich machen und alles wird gut werden."

Das also ist das Ende?" schluchzte die verwitwete Kriegsrätin mit gerungenen Händen. ,, Ein bürgerlicher Schwiegersohn!"

An der Potsdamter Brücke sagte sie: Gute Nacht!" Die Herren sollten den Kanal entlang gehen und sie getrost nach dem Berliner   Norden ziehen lassen. Es entspann sich ein höflicher Wettkampf zwischen ihr und dem Lieutenant, der sie durchaus nicht allein gehen lassen wollte. Sie blieb Siegerin, dann zögerte sie wieder und fragte mit dem innigsten Brummbaß:

,, Nicht wahr, Sie sagen es mir? Ist alles in Ordnung?" Achim legte die Hand an den Helin und sagte im Ton einer dienstlichen Meldung:

Herr Richard Mettmann und Fräulein Johanna von Havenow- Trieniz empfehlen sich Ihnen als Verlobte!" Fräulein Betty rief:

,, Da hat sich der Mond die Ohren abgebissen!" Dann riß sie ohne jeden Anlaß den großen Rembrandt vom Kopfe und steckte eilig einen grauen Zopf fest. Während sie ernsthaft den Hut wieder auffette, rief, sie etwas heiser:

hut

" Jungens, Jungens, seid froh, daß ich so klein bin, ich hätte sonst jeden von Euch unversehens abgefüßt! Bande! Aber jekt dürft Ihr mich noch ein paar Schritte begleiten, ich muß! Die Leute sollen glauben, es ist einer von Euch, der so singt."

Und sie hing sich Richard in den rechten und dem Lieutenant in den finken Arm und stimmte, nicht mit voller Laß mur, liebe Mutter," sagte Achim, er ist Reserve- Straft, aber aus voller Ueberzeugung an: So leben wir, ſo Offizier!"

leben wir alle Tage."