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Tennt. Das ist ein tief betrübendes Zeichen norddeutscher Barbarei,| Jetzt ist das Tiezinnische Zeitalter angebrochen und die publizistische und ich fühle mich als erhabener Kulturträger wie mur irgend ein Pflicht huldigt dem neuen Herrn, der durch Konserven die Landwirts Khalifrieger, wenn ich meiner Weisheit die norddeutschen Brüder teil- schaft und durch 10 Pfennig- Romane die Kunst rettet. Tiez stellt haftig werden lasse. Also höre! So Ta ein großes Glas nimmst und füllest noch mehr Hummermajonnaise, Kaviarbrötchen und Sett der es zu zwei Dritteln mit Hellem Wein, ihuest aber ein Drittel ge- publizistischen Pflicht zur Verfügung, feine Schaufenster das fäuerten Wassers hinzu, dann hast Du ein Stempelblättchen. Wischest eigentliche Haus steht in einem Glaskasten find noch größer, seine Du aber Wein und gefäuertes Wasser je zur Hälfte, so gewinnest Warenbaufen höher, seine Glühlichter und Bogenlampen zahlreicher Du ein Schorlemorle, das den Leib erquickt und die Secle beflügelt. als bei Wertheim , bei dem auch keine Riesendirnen am Eingang Vor allem aber vergiß nicht, daß das Glas groß sei; sonsten ist es ihre folossale Nacktheit feilbieten. weder ein Stempelblättchen noch ein Schorlemorle, sondern eine Niederträchtigkeit...

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dm tod Berlin ist durch den Tiez- Bau wieder an jener lärmenden Architektur reicher geworden, welche die Stadt zu einer zoologischen Schaustellung durcheinander schreiender Vögel macht. Bei Wertheim hatte sich die vornehme Zweckmäßigkeit fast zu einer Art neuer Schönheit ges steigert, Tieß ist der Held des großen Einmaleins, der tünstlerische Größe auf dem Wege der Vervielfachung erzielen zu können zlaubt. So wird Berlin nach der Weise einer Auktion überbietend emporgetrieben, bis es am Ende doch die schönste Stadt der Welt wird, die nichts von Schönheit mehr weiß. Und die Männer der publizistischen Pflicht, die einst Wertheim priesen und jetzt Tiek vergöttern, werden sich wandeln mit jedem höheren Angebot und immer das letzte Welt Gula od 9 wunder mit geläufiger Goldfeder als den Gipfel bürgerlicher Herr lichkeit feiern.

End Holdes Bienchen, verrat es nicht, daß ich an einem Abend zwei Stempelblättchen getrunken und Dir eine blasie Rose mit zvei Blüten und vier Knospen geschenkt habe sonsten muß ich es morgen in der" Post" oder der Staatsbürger- Zeitung" lesen, wie umjtätig focialdemokratische Hetzer schvelgen und schmarogen unter dem Vorwand eines Barteitags. Allerdings verspürte ich eine ge­wiffe fittliche Verpflichtung, mich an der Aufräumung der noch vor handenen Weinvorräte zu beteiligen, um Platz zu schaffen für den Segen dieses Herbstes, der der reichste sein soll seit Menschen gedenken.

Es ist schlimm, aber ehrenvoll, wenn man vaterlandslos ist. Aber es ist eine Qual, vaterstadtfos zu sein. Auch ich bin ein Berliner, das heißt: ich bin vaterstadtlos; denn dieses Berlin fängt erst in der Gegend von Naumburg an erträglich zu werden. Wenn man ein paar Wochen draußen gewesen ist, begreift man nicht, wie eine menschliche Natur fähig sein kann, dieses Paradebrachfeld für schlechte Gerüche und üble Geräusche zu ertragen, wo man vor lanter Leben nichts erlebt.

Ich bekenne ohne weiteres: An Reichhaltigkeit abwechselnder Genüsse läßt sich die wäfirige Eintönigkeit der Nordsee und das weinige Behagen von Mainz nicht mit diesem weltstädtischen Titanen firmes vergleichen. Welle bleibt Welle, Wein bleibt Wein, vor wie nach Chriftus, aber Berlin ist ein Sprudel von Neuigkeiten, die uns das Leben darstellen.

Ich aber gedenke, fern von Tieß und Wertheim und Jandorf und derer, die da kommen werden, des friesischen Strohhauses auf der Sylter Heide, dem der Sturm die Fenster flemmend zuhält, und fräume von einer Schönheit, die der Jahrtausende verwehender Neuigkeiten spottet..

Kleines Feuilleton.

Joc.

dr. Sein Haus. Hinter dem Buchenschlag lichtete sich der Wald. Das Unterholz hörte auf. Die Bäume wurden spärlicher, hier und da schimmerte bereits der Fluß durch das dichte Grün der Brombeerhecken. Man hörte die Wellen durch das Schilf plätschern, hörte das langgezogene Tuten der Dampfer. Ein frischer Wind strich vom Waffer her. Noch den niederen Hügel hinauf, wir haben unser Ziel vor uns.

Heiligensee !

Endlose Weiten. Bleigrau hängt der Herbsthimmel über Waffer und Wiesen. Die Felder leer. Rebhühner schwärmen durch die Stoppeln, in der Ferne zicht eine Stette wilder Enten. Ueber den Hütten im Dorf zittert blauer Rauch, sonst auch nicht eine Spur von Leben.

Das alte Fräulein schlug die Hände zusammen: Nein, ist das schön, ist das wunderschön!"

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Welche Fülle von stetig wechselnden Genüssen quilt allein an einem Tage aus so einem Vorwärts" hof. Was will die ewig gleiche staubfreie Luft des Nordseestrands gegen diese Sensationen rastlos wechselnder Luftsorten, besagen. Bald glaubt man sich auf einem ungeheuren Schlachtfeld, auf dem 10 000 Gänse gleichzeitig wohlduftig gefengt werden. Bald wähnt man sich in einem Buffan, der brennende Räucherkerzchen ausspeit. Eine Wolfe von holdem Schmierölatem umfängt zus jetzt lieblich, und im nächsten Augenblick schlürfen wir den föstlichen Hanch schwitzender Pferde oder die Lieb­lichkeiten sich zersetzender Stoffwechselprodukte. Ein Berliner Hof ist Langfam stiegen wir den Hang hinab. Bor uns ein schmaler unerschöpflich an tieffinnigen Einfällen. Er beschäftigt alle Damm, links der Fluß. rechts der Ece. Wasser und Wiese, wohin Sinne gleichermaßen und schafft förmlich eine leberbürdung das Auge blickt, ein Stüd Marschland mitten im märkischen Wald. mit Lebensgefühl. Ein Sängerfrieg, Ein Sängerfrieg, der plöglich zwischen Am Wege hin blühte das Heidekrant. einem auf die zwölfsache Wiederholung des Pariser Ein- Das alte Fräulein jog den würzigen Duft in vollen Zügen zugsmarsches cingeübten Leierlasten und einem am Fenster nach ein:" Es ist wie an der See hier schauen Sie, direkt wie an der 20-0-0-0- ra schreienden Papagei ausbricht, vermag das beschau- Sec, Waffer überall und diese wunderbare Stimmung, die über liche mit für eine halbe Stunde in interessanter Weise anzuregen. allem liegt. Diese graue Herbststimmung fie ist wie geschaffen Ist der Wettstreit zu Ende, so folgt als Ablösung ein Trompeten für die märkische Landschaft." Mit halblauter Stimme summmte fie: terzeit, das in stelig schwellender Wucht neue dekorative Harmonie­vignetten zu entdecken strebt, übertönt am Schluß von dem grandiosen Bifchen einer Maschine, deren Dampf freudig den Weg in die Freiheit fucht. Mählich kommt der Abendfrieden, dort an der granen Wand, an die die sinkende Sonne ein magisches Alpenglühen malt, Ich öffnen sich zugleich zwei Fenster: aus dem einen stürzt gleichsam mit gepanzertem Kehlkopf das Heldentenorlied Strömt herbei, ihr Völferscharen" die Generalprobe für die Darbietungen einer Variétéfucipe; aus dem andren wimmert wimmert verstört unter den letzten Zuckungen eines zufammenbrechenden Klaviers der schmachtende Liebeswalzer der kleinen Geisha. Während dessen schreibt drinnen in der mit dem Echo aller Dünste und Schreie au­gefüllten Stube, in tranter Nachbarschaft dröhnender Maschinen, ein Mann einen giftgeschwollenen Leitartikel über China ; sein Herz bebt noch von dem froben Stolz über eine vor ein paar Stunden rühm lich überstandene Todesgefahr, war er doch fühnlich die steinerne Redaktionstreppe emporgeftiegen, von deren Stufen jedwede einen Genicfbruch kündet.

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Ich liebe die grauen Tage,

Die grauen, grauen Tage

Glauben Sie nicht, daß bier einmal Wenden ansässig waren? glaube es sicher, der Ort ist wie geschaffen für die Wenden." Schon möglich, das Dorf ist sehr alt."

" Und der Name deutet direkt auf eine ehemalige Kulturstätte" sie fah nachdenklich auf das Wasser, das düster und grau zu ihrer Rechten lag- Heiligensee es ist vielleicht ein Tempel darin versunken oder ein altes Gögenbild. oder ein

Oder ein alter Gaul wie der da" und ich wies auf das Bild, das sich bei der Wegbiegung unfrem Auge bot.

Eine schmale Brücke über den Graben gespannt, der Fluß und Sec verbindet, der Boden darauf ein schwarzer Morast, und in dem Mioraft ein Mann, ein Pferd und ein Wagen. Der Wagen stat fest und der Mann schimpfte: So' ne verfluchte Zucht, fon' Dreck hier aufzufahren. Bei jedem Regen wird es flictschig und man bleibt driu stecken, nee, jone Schafstöppe... somme er brach ab; er Das ist in schwacher Andeutung der Lebensreichtum eines halte uns gesehen und nun nahm er die Müge ab: Ne, eut­einzigen Berliner Hofs, auf dem man zudem weder hausieren, noch schuldigen Se man, meine Damens, aber da tam man doch wirklich musizieren, noch die Pferde füttern darf. 1. mm multipliziere wild werden, machen sie hier den Boden hoch mit son schwarzen man die Vergnüglichkeiten aller Höfe, Straßen, Zimmer Berlins , Dreck, der bei jedem Regen' n dider Matsch wird fone und man wird einen matten Abglanz ahnen der virklichen Größe. Gjels Er nahm das Pferd beim Zügel und versuchte es vor Ein Glück ist's noch, daß die Erzeugnisse dieser Welt höchstens wärts zu ziehen. eine Woche im Gehirn der Großstädter aufgespeichert werden. Sonst Das alte Fräulein nahm den Kleiderrod hoch und tänzelte zier würde es der aufhörlichen Steinigung durch die sensationellen lich durch den Morast: Zichen Sie doch dem Gaul eins über, dann Neuigkeiten schnell erliegen. Alle paar Tage ist großer Näuntungs- wird er ja schon gehen." Ausverlauf des Gedächtnisses, und feine Erinnerung darf bei einem an- Schlagen?"" Der Mann drehte sich unt, mit seinen großen ständigen Bürger weiter zuriidreichen als einen Monat wasserblanen Augen starrte er sie an:" Schlagen?" Ach nee id Freilich ist mit solcher Schnellverdonung eine gewisse Indants wer doch meinen Haus nich schlagen!" barkeit verfuiipft. Ich habe mit Schandern bemerkt, wie pietätlos die Bresse in dem blutigen Weltfrieg der Berliner Barenhäuser weise. verfährt, der die Sensation dieser Woche ist und alle Zeitungs- ,, Na, dett is ja möglich, wenn ic son' jungen Nacker habe, der verleger begeistert. Noch flingen mir in den Ohren die journalistischen seine Riden aufsetzt, denn hau' ich auch zu. Aber meinen ollen Lobgejänge, die man einst auf Wertheim anstimmte. Vergessen ist, Hans? Nee, Du triegst feene Steile, nich wahr mein Oller?" Er day man auch bei ihm einst festlich Hummermajounaise. Kaviar- flopste das Pferd beinah zärtlich an den Hals dann wandte er brötchen und Teft vertifgte, ter publizistischen Pflicht genügend. sich wieder zu uns: Nee sehn Se, id hab'n in all zwölf Jahre und

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Alle Pferde werden geschlagen," sagte das alte Fräulein