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also nimm Dich zusammen und sei vernünftig. Ich will mir auch Mühe geben.

Sie sah ihn an. Das war ein ganz ungewohnter Ton aus feinem Munde.

Was ist denn Dein Freund?"

Federfuchser. Schreibt allen möglichen Kram. Ich kenne das Zeug nicht."

Dichter?"

Auch dazu halte ich ihn für fähig. Jedenfalls ist er ganz anders als ich.... Vielleicht gefällt er Dir. Also set fidel!" Er ging wieder.

Ganz anders ist er, dachte sie, ganz anders. Wie denn wohl?

Vielleicht weiß der einen Rat für mich, schoß es ihr durch den Kopf. Sie lächelte matt. Er war ja doch ein Freund ihres Manns, da würde er schon nicht gar zu anders sein.

Draußen fnarrten die Stiefel immer noch. Jetzt hielten fie einen Augenblick ein.

Der Abendschnellzug saufte vorbei.

Er flog nur so, daß er ihn ja nicht verfehle, den Anschluß nach Hamburg .

II.

Am andern Morgen, es war ein Sonnabend, lagen die Nebel so dicht im Thal, daß es gar nicht Tag werden konnte. Sie bewegten sich nicht mehr schwerfällig über die ab­gemähten Wiesen, sie eilten auch nicht, vor den Sonnenstrahlen zu entfliehen, denn es kamen feine.. Sie standen fest und ruhig und füllten das ganze Thal mit dichtem, grauweißem Dunst, der nach dem Eisenwerk roch.

Nicht drei Schritte weit fonnte man sehen. Menschen tauchten draußen wohl einen Augenblick auf, verschwanden aber sofort wieder im Nebel. Man hörte wohl noch eine Weile einen schweren Tritt, aber sehen konnte man nichts mehr.

Das ganze Dorf war so über Nacht gleichsam blind ge­worden.

சாமம்

( 200

( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplandevei.

Freinde! Es geschehen jetzt Geschichten,

Daß ich reimen muß beziehungsweise dichten, Um meiner Seele Aufregung

Zu bringen in patriotischen Schwung!

Glaubt Ihr, ich werde den Bülow preisen­

Oder die andren Chinaweisen,

Die durch Blei in Bäuchen und Schädeln Die gelbe Rasse haufenweis veredeln?

Auch dem Waldersee wird's nicht gelingen, Mich zu veranlassen, ihn anzufingen, Obzivar er mit fühnem Zapfenstreich Niederhaut ganz China zur Leich'; Der Mann ist mir leider zu asbesten, Ich kann ihn in meinem Liede nicht rösten. Aber überhaupt ich stimme meine Leier Gar nicht zu einer Freudenfeier. Vielmehr muß ich betweglich stöhnen. Mit des Freisinns besten Söhnen, Die mit den sämtlichen Jdealen. Leiden schmerzvolle Todesqualen. Zappelt nur noch

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verdorrt die Säfte.

Das freie Spiel der Freisinnskräfte, Aus ist's mit den Aktionären,

Die in hehren Santt, Manchester - Chören Preisen die beste aller Gemeinden

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-GO

Ein Schrecken den roten und blauen Feinden 1 Aus ist's mit dem Bürgerstolz,

Das grüne Reis ward dürres Holz,

Und sogar der große Spinola

Erstarrte zu einer Kassandra ,

Die dieser liberalen Welt

Den Grabsprich in die Ohren gellt:

O meine Weltstadt, o Berlin

Dein Glanz ist hin!

Aber ich will der Reihe nach weinen,

Was ich eigentlich thi" meinen.

Also hört, Ihr trüben Geister,

Bon dem undankbaren Bürgermeister,

Brinkmann, dessen Mind mid Ras

Schauen tönnt Ihr in der Leipzigerstraß

Bronzegold photostulpiért,.. Sündenschwer und ungeniert. Aus dem dunkel dustervollsten Osten Bum Berliner Bügermeisterpoften

Brinkmann ward ans Licht gebracht, Wie die Kohle aus dem Schacht. Jeder Mann war voll Vertrauen, Daß er ließe sich gut verdauen, Weil er doch verpflicht't zu Dant Für das große Avancement,

Und kein Mensch so bar ist von Gemüt, Daß er nicht für freie Bürger glüht. Trefflich auch ward's erst erledigt, Schnelle ward der Mann bestätigt, Weil selbst Herr von Rheinebaben Wollte diesen Brinkmann haben.

Und die Stadtverordneten voll Nührung, Warteten der amtlichen Einführung, Und sie schnalaten schon die Zungen, Wie bald werde ihr Lob gesungen, Wie sie aller Tugend Zierde Brannten nur in einziger Begierde, Opferwillig für das Wohl der Stadt Selbstlos sich zu rackern matt; Wie er, Brinkmann, dankbarlich Schäße glücklich, félig sich, Daß die Stadtväter gerad ihn Würdigten der Leitung von Berlin , Der erhab'nen Nesidenz,

Wo ein leuchtender Bürgerlenz, Bürgerstolz und Bürgerfreisint Schufen selbst im Junkerpreußen

Mittels Weisheit, warmem Herz und Fleiß Ein Gemeindeparadeis!

Also sie im Geiste lauschen

Ihres Ruhmes sanftem Rauschen. Und die große Stunde naht Jauchzet Brinkmann steht parat, Brinkmann redet

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Ruhe! Sezzen!

So, jetzt wird. er Euch ergeben:

"

"

-

Meine Herren!"( Bravo ) Brinkmann spricht,

Erwarten Sie von mir keine Rede nicht,

" Ich will Ihnen nur ganz bescheiden,

"

"

Ein paar Gedanken unterbreiten.

Meine Herren! Ich bin zwar aus Königsberg ,

" Halte Berlin aber doch für'n Zwerg.

Die freisinnige Wirtschaft hier zu Lande,

Das ist verzeihen Sie

-

" Sie tennen hier an der Spree

"

Noch nicht das sociale Abc.

' ne Schande.

Sie haben Ihre Pflicht in den schweren Nöten

Geradezu mit Füßen getreten.

Sie liefern die Armen und Aermisten an's Messer

Dein hausbefigenden Mietefrejser.

" Fürwahr, ich wurde vor Zoru blutrot

"

Ueber die schändliche Wohnungsnot.

" Sie ist Ihre Sünde, sie ist Ihre Schuld,

Warum hat man so viel Geduld,

" Diesen scheußlichen Wucher zu hehlen,

Und das Elend, selbst zu bestehlen,

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Die Luft zu rauben und das Licht der Erden " Ich sage Ihnen, das muß anders werden." So sprach Herr Brinkmann das giebt ein Staunen, Ein Blidewechseln, Wispern, Raunen. Der Singer und der Borgmann freuen Sich offenkundig über diesen Neuen, Die andren aber wegen die Stühle

diese schlimme Ottoberschwüle!- Und alle, so da Häuser besigen, Beginnen graufamlich zu schwvigen. Herr Brinkmann indessen mild und heiter, Spricht weiter:

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Bu zweit das heisch ich man brechen soll Der Straßenbahnen Raubmonopol. Die Stadt soll Herr sein auf ihren Wegen, Und sich nicht selber in Fesseln legen. Wir lassen uns nicht auf den Köpfen tanzen Von den Aktionären und ihren Schranzen. Es soll nicht fürder die Willkür gelten, Zu Tode zu schinden die Angestellten, Wir sind nicht der Herren Narren und Diener Nieder, ruf' ich, die Große Berliner !" Der Singer und der Borgmann grinsen; Die andern wimmern: Weh, unfre Zinsen! Wir sind verraten, wir sind: pleite

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Der Brintmann ist nicht for unsre Leutel Noch niemals so entgeistert sab

Man den Montmfen und den Spinola

Und selbsten sogar der Hugo Sachs

Fühlt sich wie ein begoff'ner Dachs.

Dann aber schioll der Entrüstung Flut, Und in gewaltigem Heldenmut Huben sie an ein wildes Rumoren Da hat der Redner. den Faden verloren. Zwar hat ihn noch mancherlei gejüdt,

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