mal an seinem Glase Rheinwein in kleinen Schlucken, mitKennerzunge Schlückchen für Schlückchen langsam hinten amGaumen zerdrückend.„Da sind wir wenigstens einig", lachte Otto, der ihn de-obachtet hatte.„Haft recht", gab Schäfer zu.„Sie lieben gewiß Moselanl meisten, gnädige Frau?"„In der Tbat. Aber warum meinen Sie?"„Mosel steht Ihnen besser. Rheinwein ist zu wuchtig,Mosel graziös... Rheinwein ist wie Böcklin, Mosel wie Fidusund Hans Thoma. Was für weiße Kleider und weiße Seelen,während Rheinwein..."„Nu hör aus," rief Otto. Alle drei lachten.„Sag mal, was treibt Dich eigentlich gerade hierher?"fragte Otto.„Ach will eiilen Roman schreiben."„O jerum, dacht ich's doch!"„Und zwar einen socialen. Aber nicht ans der Groß-stadt, das ist schou oft genug da gewesen. Wenn auch nichtim Deutschen, so doch im Französischen."„Zola, der Mann mit dem Dreysus und der Nana."„Herrgott, Du machst ja immer noch diese schrecklichenWitze", rief Schäfer.„Nur weiter!" sagte Otto.„Ein socialer Roman, der zugleich mehr in ländlicherGegend spielt, also noch Erdgeruch hat, wie das heute heißtund hoch im Preise steht.... Man schwimmt nicht mehrgegen den Strom. Man macht solche Moden mit, wenn Erd-geruch auch eigentlich nicht meine Passion ist."„Warum sagen Sie das so? l" fragte Magda geärgert.„So spöttisch, meinen Sie? Weil ich immer so rede,wenn mir was nahe geht. Weil ich sonst ein ganz sentimen-taler Schafskopf werde, was das gräßlichste ist, was es giebt.Sentimentalität, brrr I!"„Du redest wie ein Buch."Schäfer schwieg einen Augenblick, dann sagte' er bitter:„Leider nicht wie ein Buch. Darunter versteh' ich wasGroßes, wie Goethe, Shakespeare und so. Wir reden nichtmehr wie em Buch, höchstens wie ein Feuilleton. Das istunser Genre. Pfui Teufel!"„Bald wird mirs schwül im Hirn."„Da siehst Du, was ich durchmache. So ist's mir immer."Schäfer zerdrückte die Cigarette heftig über dem Aschenbecher.„Reden wir was Vernünftigeres. Die Schreiberei ekelt michan. Wenn ich denke, wie man sich quält und bringt dochnichts zu stände, was der Mühe wert ist."„Ich denke mir, das ist ähnlich, wie wenn unsereiner nenJammer hat," weinte Otto interessiert.„Stimmt auffallend. Nicht nur der Alkohol macht übel,auch die Tinte. Ist das ein Geschäft!"„Warum läßt Du's da nicht?"„Tu unschuldsvollcr Engel Du! Wenn ich's könnte, wiegern. Ich wüßte mir nichts Lieberes. Gäb's ein Christkind,stände das jedes Jahr zu oberst auf meinem Wunschzettel:Bitte, bitte, nicht mehr schreiben müssen."„Ja... aber..."Hat sich was, ja aber. Hast Du schon mal nen Trinkergesehn?„Ab und zu wohl schon."„Dem ist's gewiß nicht selten auch totübel. Aber er säuftdoch immer wieder. So geht's uns mit Tinte, Feder undPapier."(Fortsetzung folgt.)Näkho«(Berliner Theater.)In den ersten Akten sah es fast aus. als ob wir ein Unglückerleben sollten. Die naive Art, mit der Frau Meyer-Förstcr Dingesagte, die wir ernst nehme« sollten, wirkte unfreiwillig komisch, unddie Berliner Lust am Ulk begann sich bereits bedenklich im Parkettzu regen. Man lachte, wo das Stück Ernst verlangte undwar schon drauf und dran, ein wenig mitzuspielen. In denletzten beiden Akten traten jedoch die Absichten der Dichterinklarer hervor, und da sah man freilich, daß man es mit einem ansich interessanten Konflikt zu thun hatte. Da die beiden Akte auchdramatisch sehr viel besser gelungen waren, wich allmählich die ge«fährliche Scherzstiinimnig. und es kam schließlich doch em Erfolg zustände— nicht eben ein aufregender, aber doch ein frenndlicher,hübscher Erfolg. Das Stück besaß am letzten Ende doch ge-pügend littcrar'ische Qualitäten, um die Aufführung zu rechtfertigen.Der Inhalt des Stücks ist etwa folgender: Ein Kanfnlann, dermehr Gcinütsnlensch ist, als eigentlich gut ist— ein Gemütsathlet.sagt der Berliner— hat das Unglück, seine Fran zu verlieren. Vondem Tage an geht im Hause alles verkehrt: die Schilderung dieseszerstörten Hauswesens war es, die der Verfasserin die unfveiwilligeirHeiterkeitserfolge einbrachte. Die Köchin hat sich einen impertinentenTon angewöhnt, zerschlägt das Geschirr und treibt auchsonst allerlei Unfug. Es schien einen Augenblick, alsob wir die Tragik dcS Stücks in zerbrochenen Tellern undhäuslichen Sceuen suchen sollten. Die Welt etwa gesehen mitden Auge» einer Hausfrau, die ihr Geschirr liebt und vorlauteKöchinnen für ein Unglück hält. Das rief natürlich eine gewissewohlwollende Heiterkeit hervor. Besonders eine alte Großmutter,die in den ersten Akten herumlief und mit düsterem Symbolismusklagte, daß in diesem Hause„alles zerbrochen" werde, reizte denSpott. Erst ganz spät sieht man, daß sie im Grunde eine ganzverständige Frau in einem ganz verständigen Stuck ist. Die kieineKäthe, die dem Stuck den Titel gegeben hat, ist die 14jährigeTochter des Witwers. Ihr Dasein erschöpft sich in schwärmerischerLiebe für den Papa und in schwärmerischer Verehrung der totenMutter. Als der Plan anftancht, eine Repräsentantin ins Hans znnehmen, ist sie instinktiv dagegen. Sie haßt die Frau. die an derStelle ihrer Mutter schalten soll, noch ehe sie sie sieht, und wirdvon der alten Großmutter in ihrem Haß unterstützt. Der eigent-liche Urheber des Plans ist ein etlvas leichtsinniger Freund' desManns. Er hat mit genialem Scharfblick erkannt, daß dieGeschichte so nicht weiter geht. Auf Grund seiner etwasnaturalistischen Betrachtimgsweise kommt er zn dem Nesulat,daß sein Freund vor allem wieder ein forsches Weib braucht, unddieses forsche Weib glaubt er in der neuen Repräsentantin gesundenzu haben. In seinem Sinn hat er sie auch gesunden. Die neueRepräsentantin war früher die Frau eines Hoteliers und hat'"alssolche eine gewisse Vorliebe für den Ton recht freier Herrenabendegehabt. Ein gewisses Verständnis für die schwachen Seilender Männer hat sie sich damals auch angeeignet; sie er-scheint somit in hervorragender Weise befähigt, den geknicktenWitlver zu trösten. Erst im dritten Akt merkt man, Ivo die Ver-fasserin mit dieser Figur hinaus ivill. Sie will zeigen, wie einhübsches und kokettes, aber schales und gewissenloses Weib einenallzu gemütvollen Mann einfängt und sich nnterwirft. Die kleineKäthe' wird das erste Opfer der neuen Ehe. Der Mann erkenntschließlicb, was für eine Dmne er geheiraiet hat, und schickt dieKäthe mit der Großmutter aus dem Hause, da sie die unreine Lustdes neue» HcimS nicht atmen darf. Er selbst scheint sich mit dervergnügten Hotelierswitwe abfinden zu wollen.Der Konflikt an sich ist interessant. Wenn zn der sinnlichenKraft der Frau, um die es sich handelt, auch die sinnliche Prachtgekommen wäre, hätte er sogar Größe haben können. Ein gesundesWeib, das in seiner ungebrochenen Kraft mit einem energielosenGemütsmenschen fertig wird nnd dabei mit Menschcnschicksalen wiemit Bettlerpfennigen spielt, dnS könnte allerdings— je nach derBetrachtungsiveise— sowohl eine grimmige Satire, als einegrausige Tragödie ergeben. In» letzteren Fall durste der Dichteres sich allerdings nicht ganz so leicht machen, wie Fran Meyer-Förster es sich leider gemacht hat. Schließlich entsteht keine Tragödie,wenn der Held uns keine Achtung abringt. Der blasse, energieloseund schlaffe Kaufmann aber, den Frau Mcyer-Körster gezeichnet hat,kann höchstens unser Mitleid in Anspruch nehmen— die Achtungmüssen wir ihm mit höflicher Entschiedenheit versagen. Es ist bc-dauerlich, daß er unter die Fuchtel seiner liebreizenden Frankommt, tragisch aber ist es nicht. In der Tragödiemuß ein Leben zu Grunde gehen, an dem etwasliegt. Hier muß ich mein ganzes bißchen Moral zusammen»nehmen, um mich nicht unbedingt ans feiten der fidelen und welt-gewandten Hotelicrsgattin zu stellen. Hauptmann hat in seinem„Fuhrmann Henschel" im Grunde dasselbe Stück geschrieben, undwie sehr er im letzten Akt die Tiefe der Vetrackitung veinnssen läßt— ein gut Stück weiter, als Frau Meyer-Förster ist er doch� gekommen. Gegen seinen„Fuhrmann Henschel" und gegen seine„Hanne" wirken die entsprechenden Figuren in„Käthe" blaß undunbedeutend. Ich gflanbe zn wissen, daß Frau Meyer-Förster inihrem Schaffen nicht von Hauptmann abhängig war. Sie hat ihrenStosi gefunden und erlebt, bevor der„Fuhrmann Henschel" ge-schrieben wurde. Nichtsdestoweniger schadet ihr der Vergleich.Das Schlimmste an dem Stück ist der unklare Held. Er hättebedeutend sein können und bedeutend sein müssen, wenn er für dieernsthafte Kunst in Frage kommen sollte. Wie er nun einnialgezeichnet ist. versteht man nicht recht, warum er nichtseine angenehme Frau gehen läßt und daS Kind behält.Seine sinnliche Abhängigkeit von der hübschen Witwe hättestärker, rücksichtsloser, unerschrockener dargestellt werden müssen. FrauMeyer-Förster will offenbar hier und da durch kleine verfänglicheAnmerkungen ihren naturalistischen Mut beweisen. Es ist schade, daßihr Mut.nur für diese, immerhin recht fragwürdigen Kleinigkeitenausreichte. In der sinnlichen Abhängigkeit ihres Helden hätte sieden Stoff zu einem erottschen Kapitel gehabt, das endlich mal deSLesens wert gewesen wäre. So hat man leider nirgends den Ein-druck, daß sich eine dramattsche Kraft äußert. Wir habeneS offenbar wieder einmal mit einem litterarischen Talent zn thun,daS dem Glanz der Buhne nicht widerstehen konnte und so derstilleren epischen Kunst untreu wurde, der es im Grunde angehört.