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laut und vernehmlich. Nur die Katze schmurrte. Ein ganz berwunschenes Haus!

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Leise öffnete er die Thür. Ah, pardon, ich wußte nicht, ich wollte nicht stören!"

Dort liegt der Stadtbahnhof. Noch ruht der Verkehr. Es fann noch zwei Stunden dauern, ehe von Westend und vom Schlesischen Bahnhof her die ersten Züge heranpaffen, um die ununterbrochene Kette des Berliner Stadtbahn - Verkehrs zu eröffnen, der vom Morgen Die Alte dort in ihrem Bett schien nichts zu hören. Sie Alexanderplatz hinausspeit. Jezt liegt der Bahnhof still da, in dem bia in die Nacht hinein Zehntausende von Menschen auf den lag ganz ruhig mit gefchloffenen Augen. Schlief sie so fest? ungewiffen Halbdunkel der Morgendämmerung wie ein toloffales Er betrachtete sie. Mußte: die alt sein! Runzel an Runzel! schlafendes Ungeheuer erscheinend, mit dem geöffneten dunklen Rachen Der Kopf ausgedörrt wie ein anatomisch präparierter Vogel- nach dem Play. fopf. So was Altes, Zerfallenes. hatte er noch nie gesehen. Sie lag immer noch mit geschlossenen Augen auf den Stiffen. Am Ende war sie tot?

Schon wollte er sich zurückziehen, da thaten sich die Augen langsam auf. Wie sonderbar das aussah. In diesem mumien­haften Gesicht auf einmal die kleinen, blauen Augen, die zur Decke starrten.

Verzeihen Sie," stammette Schäfer.

Die Alte bemerkte ihn immer noch nicht.

Er fuhr mit der Rechten zum Kneifer, der zu rutschen anfing. Durch die Armbewegung wurde die Frau aufmerksam. Nun sahen die Augen langsam auf ihn hin, aber ohne daß fich der Kopf auf den Kissen irgendwie bewegte. Unheimlich. Plötzlich fuhr ihr Oberkörper mit einem Ruck in die Höhe. Schäfer erschrat förmlich. Er hatte nicht erwartet, daß sie dazu noch fähig fei.

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Ach Herrjesses, acht Herriesses," kain es von den Lippen der Alten." Entschuldigen Sie nur, daß ich hier eingedrungen bin." Ach Herrjesses, Herrjesses!. Auf einmal lachte fie. Ich war e wint eingeschlafe. Sein Se nur nit bös." Sonderlich erstaunt über den Eindringling schien sie nicht. Komme Se doch e wink näher!" sagte sie jetzt. Schäfer that es mit Vorsicht.

Red, Gelle Se, Sie komme aus der Stadt?"

Das nun nicht".

Aber sie verstand ihn nicht, sie fuhr gleich fort: Ja, ja, die vornehme Herrschafte, all die vornehme Herrschafte besuche mich!" Nun hatte sie offenbar alle Gedanken wieder beisammen. Alfo zweiundneunzig bin ich alt." old

Zweiundneunzig?!"

" Ich hawe noch die Franzose hier erlebt, die Parlezvous!" Sie schwieg einen Augenblid erwartungsvoll. Sie lache ja gar net? Die annern Herrschafte lache immer, wann ich das fag'!"

Schäfer fühlte sich verpflichtet, zu lächeln, wenn er auch elgentlich nicht recht einsah, weshalb. Sie ist wohl nicht mehr iſt wohl nich ganz bei Verstand, dachte er.

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So tomme Se doch noch e wink näher, daß mer sich besser versteh kann, ich hör' net gut."

Schäfer that es zögernd.

Um den Bahnhof haftet bereits ein Tautes Leben. Unaufhörlich biegen in die Straße An der Stadtbahn in scharfem Trabe die Ge­schirre der Schlächter ein, leicht erkenntlich nicht nur an der Form des Wagens und den weißen, langen Schürzen der Leute, sondern plangedeckte Bauernwagen, deren staubigen, ermüdeten Pferden man auch an den flinken Pferden. Schwerfällig schieben sich dazwischen ansieht, daß sie, weit herkommend, wohl die ganze Nacht ges laufen sind. Auch schwer mit Säcken und Körben beladene Hande wagen kommen daher und trotzdem es noch fast dunkel ist, herrscht an der Stadtbahn ein solcher Wagenverkehr, daß man sich schleunigst auf das Trottoir retten muß, soll einem nicht ein Unglüd zustoßen. Die Budiken und größeren Restaurants an der Häuserfront find die rasch ein Stehseidel leeren, eine Taffe Staffee, eine Stulle ver bereits oder noch hell erleuchtet. Es wimmelt darin von Gästen, zehren. Auch einzelne Läden, in denen allerlei Bedarfsartikel verkauft werden, Ein- und Verkaufsgeschäfte haben bereits geöffnet. Berittene und Fußschuhleute stehen umher und über die Straße rennen geschäftig Fleischer und Fleischergesellen, Marktfrauen, Lastträger, Händler aller Art, und ihr gellendes Borsicht"," Achtung", zwingt uns fortgesetzt auszuweichen. Indem wir weiter gehen, scheint sich plöglich der ganze Berkehr wie vor einem riesenhaften unüberwindlichen Hinders nis zu stauen. Die Wagen füllen den ganzen Fahrdamm. Von der bahnbogen her, die ganze Neue Friedrichstraße durch bis über die Ecke der Münzstraße durch die ganze Nochstraße, unter dem Stadt: Straße Spandauerbrüde und tief in die Klosterstraße hinein, durch Die Kaiser Wilhelmstraße bis zur Münzstraße, um das Panorama herum, die Gontardstraße hinunter an der Stadtbahn entlang stehen nicht Hunderte, nein, Tausende von Lastwagen, Bauerns Planwagen, Obst- und Gemüse- Transportwagen und vorherrschend Fleisch- Transportwagen. Sie stehen so dicht beisammen, daß sie die Fahrdämme der sämtlichen bezeichneten Straßen gänzlich füllen, fo Es ist denn auch nur langsam und mit großer Vorsicht möglich. daß ein Hinein oder Herausfahren absolut unmöglich zu sein scheint. Die Kutscher toben und fluchen, aber es geht schließlich doch, und so wickelt sich durch die frühen Tagesstunden, von morgens vier bis fieben Uhr, hier der großartige Verkehr ab, der das ewig gleiche Vorspiel für die tägliche Lebensmittel- Versorgung Berlins ist. Denn der alle und inmitten dieses Lärms der abfahrenden Wagen, der rufenden und fluchenden Wagenlenker, der die Rinder Sunderte von Körben und Säcken schleppenden Laftträger, der viertel und Schweinehälften schleppenden Fleischergesellen, der Gemüse- und Früchtehändler, der Agenten, der Kaufleute, der Markt­frauen, der müßigen Gaffer liegen in massiger Ruhe zwei riesige Hallen, die Central- Martthallen, keine Brunkbauten, aber doch von der größten Wichtigkeit für das tägliche Leben Berlins . toj

Es ist außerordentlich schwierig, von dem bewegten Treiben in der Central- Markthalle, in welcher sich der Engros- Verkehr abwickelt, ein kurzes, packendes und dabei doch erschöpfendes Bild zu geben.

Hierher! Da stehn die Herrschafte immer, wann se mich unerhalb der Halle ist der Lärm womöglich noch größer als auf besuche!"

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

An der Lebensmittelguelle

Berlins .

Es ist noch früh am Morgen. Das wie ein brausender Strom dahinflutende Verkehrsleben Berlins schläft noch. Nur am Alexander­ platz hört man das Geflingel von Straßenbahnen, das Rasseln von Wagen, Pferdegetrappel, und steht man, in fast ununterbrochenen Trupps, Fußgänger dahineilen. An dieser Verkehrscentrale erstirbt das Leben der Weltstadt nie. Wenn die letzten Omnibusse sich ge­frenzt haben und schläfrig das Depot aufsuchen, kommen bereits die ersten Nachtwagen der Knieseschen Omnibus- Compagnie von der Bülowstraße her angerollt, und wenn der letzte Nachtwagen der Großen Berliner die Haltestelle passiert hat, kommen schon die Früh wagen vom Kreuzberg , aus dem Osten oder aus dem Norden.

Jnmitten des halbdunklen Blazes, auf welchem sich Gaslicht und der dämmernde Morgen um die Vorherrschaft streiten, haben die Arbeiter am Straßenbahngeleise den Asphalt aufgeriffen; die roten fladernden Benzinflammen, bei deren Beleuchtung fie arbeiten, ver­größern die Schatten zu riefigen Ungetümen. Rechts und links collen immerwährend Droschten und Transportwagen vorüber, eine Kolonne Straßenreiniger marschiert nach gethaner Arbeit vorbei, die verspäteten Nachtschwärmer, die erst unter den Passanten vorherrschten, berlieren sich, und vorbeihasten große Gruppen von Arbeitern, die, us dem Osten tommend, sich eilig nach dem Centrum an ihr Tage verk begeben.

deren wir

den angrenzenden Straßen. Wir versuchen von der Neuen Friedrichstraße einzutreten und zwar in den Teil, in welchem fich die Stände der Engrosschlächter befinden, die die Hälften und Viertel der von ihnen auf dem Central- Schlachthof an der Eldenaers straße geschlachteten Rinder, Schiveine und Hammel hierher geschafft haben und nun zum Verkauf bringen. Eintreten, das ist nicht so leicht gethan wie gesagt. Die ganze Einfahrt und der breite Durchs gang zwischen den Ständen der Fleischer in der Halle ist von Fleisc Transportwagen thatsächlich belagert. Es wäre lebensgefährlich, sich zwischen sie zu wagen. An den Seiten aber macht die lange Reihe der Fleischträger, die schwer beladen daherleuchen und die Namen draußen, der Ladenschlächter abrufend, Fuhrwerke suchen, den Eintritt fast unmöglich. Wenn uns dennoch durchgedrängt haben, heißt es, sich rasch vorwärts zwängen, denn aus allen Gängen eilen die Fleisch träger hervor, überall wird an den Ständen geprüft, gehandelt, so daß ein Aufenthalt zu dieser Zeit unmöglich ist. Dasselbe Bild bietet sich in den übrigen Teilen der Halle, die dem Obst, Gemüse-, Fisch- usw. Verkehr überlassen sind. Fortwährend läuft man Gefahr, von einem beladenen Handwagen angefahren oder einem Lastträger umgestoßen zu werden. Dieses ungeheure Leben, dieser ohrenbetäubende Lärm, diefes Menschengewirr, dieses Hin und Herrasseln der Wagen, während feitwärts, Stadtbahnbögen, während bon der Bahnrampe die hoch hoch mit Körben und isten beladenen Fahrstühle herabsausen, macht eine Einzels betrachtung vorläufig nicht möglich. Die Lebensversorgung der Riesenstadt vollzieht sich mit einer bewunderungswürdigen Bereits um 7 Uhr Schnelligkeit in diesen wenigen Morgenstunden. strömen die Berliner Hausfrauen, die Frau des Proletariers so gut wie die des Bourgeois, in die, Central- Detail- Markthalle wie in die Bezirks- Markthallen der einzelnen Stadtteile. Erst wenn der Details verkauf beginnt, wird es ruhiger in dem Engrosbetrieb. Das Wagen heer hat sich größtenteils nach allen Nichtungen aufgelöst, auch in

unter

den

immers