Anterhaltungsblait des Vorwärts
Nr. 7.
Donnerstag, den 10 Januar.
( Nachdruck verboten.)
Der Kaffl vom Hollerbräu.
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1901
die Art konnte es ja seiner Lebtag fortgehen, ohne Zunahme an Weisheit und Geld. Es war ein im ganzen freudloses Dasein, unterbrochen durch die Gelegenheiten, einen Gang zu machen, bei dem er einiges von der Stadt sehen konnte, und durch die paar freien Stunden des Sonntags, die er am liebsten mit Schlafen verbrachte, wo er aber zuweilen auch nach Hause schrieb und von seinen Schicksalen das berichtete, was ihm geeignet dünfte. Vom Vater hatte er bereits eine Dem Kastl kam das furze Gebrumm aber wie eine rechte zufriedene Antwort, und auf die war er nicht wenig ſtolz. Himmelsbotschaft vor. Das hatte er in seinem wieder Eines Sonnabends wurde er aufs Comptoir beschieden
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Roman von N. von Seydlik.
und erhielt dort von einem schwarzbärtigen Buchhalter, der hinter einem Drahtgitter saß, einen Brief zu schleuniger Be
Weißt die Wohnung vom Herrn Ebelein?" Kastl schüttelte den Kopf.
Aber den Herrn selber kennst doch?" Staftl verneinte abermals.
erstarkten Verstande schon gemerkt: wenn ein Münchener, oder eine dicke Münchenerin, auch bärengrob thut, hinterdrein spürt man die gute Meinung und ein warmes freund- sorgung: liches Menschenherz. Darum ging er getröstet mit dem andern durch die wimmelnden Gassen, bis sie in einem finstern Thorbogen und von da über einen engen Hof in ein winkliges altes Gebäude traten, aus dem der dicke Dampf zu hohen Fenstern hervorquoll; also ins Sudhaus. Dort wurde der Ringsum, die andren Herren im Comptoir hörten mit Staftl einem andren Gestrengen vorgezeigt, der ihn auch ihrem Geschreibe auf und lachten unter sich. musterte, aber wieder kein Wort sprach; es war der Ober- Stennt feinen eignen Brotherrn nicht! bursch, wie Kastl nachmals erfuhr. Dann ging's wieder in bist denn hier?" andre Räume, wo neben der Sudfeuerung ein dritter Ge- Staftl rechnete:„ Achtzehn Tage." strenger stand und einen Burschen unfreundlich abkanzelte; und dies war der Herr Bräumeister selbst.
Raftl dachte, es sei der Besitzer der Brauerei, etwa wie der Rekrut über den Herrn Obersten hinaus nicht mehr recht unterscheiden fann.
Hier ging nun ein drittes Inspizieren, Anschauen, Fragen und peinlich langes Nachdenken an; endlich fiel von den Lippen des Bräumeisters das große Wort:
Von mir aus! Auf an Haberfelder mehr oder weniger geht's bei uns net zanun."
Und mit diesen unverständlichen Worten war des Kastl fermeres Lebensschicksal endgültig entschieden. Er war nun mehr in die unterste Stufe brautechnischer Hierarchie eingereiht, die man im Bereich der Münchener Brauwelt halb spöttisch nuit„ Haberfelder" bezeichnet.
Das neue Leben begann mit feinem Umzug ins Burschenquartier, mit polizeilicher Anmeldung und Vorzeigung des Heimatscheins im Comptoir der Brauerei und diversen Bekanntschaften mit seinen jezigen Schicksalsgenossen, denen er natürlich sogleich die schwersten Arbeiten abnehmen und daneben zur Zielscheibe von allerlei Wiz und Bosheit dienen mußte.
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Wie lange
-Na, also, paß auf! Herr Ebelein ist Dein Dienst Herr, denn den gehört die Brauerei. Verstanden?- Also, der Herr wohnt Schwabingerlandstraße- weißt, wo das is?"
Raftl schüttelte wieder.
,, Das is ein Original! Bo haben sie den nur aufgeklaubt!" murmelte der Herr Buchhalter; und dann gab er ihm einige Fingerzeige. Zuerst zum Marienplatz und dann die Weinstraße; und immer gradaus, bis er da angelangt sein würde, wohin der Brief lautete.
Das begriff Kastl und trabte darauf los. Er fand auch die Straße und die Hausnummer ziemlich schnell, aber es tam ihm hart an. Denn immer breiter und schöner wurde die Straße, immer prächtiger die Häuser; zuletzt standen sie gar einzeln in weiten, schönen Gärten! Sakra, das mußten reiche Leut' sein!
Und nun trat er durch's Gitterthor ein und sah eine elegante Gesellschaft, Herren und Damen, auf dem Rasenplatz Ball spielen.
Jemand nahm ihm seinen Brief ab, und er wartete auf Antwort. Während der Zeit fand er Gelegenheit, mit einem Dienstmädchen eine Unterhaltung anzuknüpfen und er Da er kein Geld hatte, so durfte er sich arg plagen, um fuhr von ihr gar mancherlei. Der dort hinten, der Herr im durch Dienstleistung freiwilliger Art sich sein Brot und sein Rohrstuhl, war der Herr Ebelein selbst; die starke Dame in Auskommen zu erwerben. Gelegenheit zum Erneuern seines schwarzer Seide war die guädige Frau. Und die junge Dame anfänglichen Bumunellebens war nicht vorhanden; denn die im rosa Gewand, die jezt unterm blühenden Strauch stand Arbeit ging beinahe Tag und Nacht fort, darin hatte die und mit dem Offizier sprach, das war die Tochter, Fräulein Lisi recht gehabt; er meinte zuerst manchmal, die Knochen Vivi. Kastl staunte das Fräulein mit ehrlicher Bewunderung möchten ihm auseinander fallen, wenn er so unablässig an, denn sie war so prächtig geschmückt, wie er noch nie Fässer waschen mußte von früh bis Abend, und dazwischen etwas gesehen hatte." Mei", das Geschmeide! Mergern für den und jenen eine Extraarbeit besorgen und einen that's ihn nur, daß sie eine fremde Sprache schwaßte. Gang machen durfte, wofür er dann Essen oder eine Bier- Ja, die spricht eben französisch alle feinen Damen", marte einheimite. Die Kürze des Nachtschlafs schien ihm das erklärte die Magd. Und Kastl ben einen Widerwillen ärgfte, feine junge Natur hätte das Dreifache gebraucht. Aber da galt fein Seufzen; die althergebrachten Wechworte des Oberburschen:
,, Auf in Gott's Namen!" wirkten auf ihn in der ersten Zeit wie ein Peitschenhieb, der einen armen gequälten Gaul zu neuer Schinderei treibt. Aber da hieß es fein stad sein und willig und rührig, und dankbar noch obendrein! Denn aus Gnade war er aufgenommen und jeden Tag konnten sie ihn, wenn ein geschickter Bursch um Arbeit zusprach, wieder durchs Thor hinausjagen auf die Straße.
gegen diese Sprache zu fühlen, ohne zu wissen, warum. Die Magd steckte ihm ein großes Stück Suchen zu, da sie grade den Kaffeetisch abräumte, der unter einer blühenden Linde gedeckt gewesen war; und Staftls Herz neigte sich plöglich entschieden der Magd zu, obwohl diese ein dürftiges Gewand trug.
Herr Ebelein hatte lange über den Brief studiert, dann trat er in höchsteigner Person auf Kastl zu, der mit abgezogener Stappe geduldig im Sonnenbrand stand und wartete. Er gab Kastl die Antwort, die er auf den Brief selbst in Eile mit Bleistift geschrieben, und fragte ihn einiges: Bist wohl ein Frischer? So, und woher denn? Aus Cham oder aus Rösting denn wo anders her kommt ja kein Bräubursch? Was, aus Franken! Das is was Neues. Na, führ' Dich nur ordentlich auf. Gefallt's Dir bet uns, hm?"
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Mit der Zeit gewöhnte er sich an das Schwere der Arbeit. Aber dann, als er in währendem Schaffen mehr Zeit zum Nachdenken fand, bemerkte er mit Ungeduld, daß er auf diese Art vom Brauen eigentlich nichts lernte. Ein Faß waschen, ein Kühlschiff in Filzschuhen betreten und ausbürsten, an der Fenerung dem Bräumeister oder dem gerade beschäftigten Biersieder behilflich sein, für einen der vielen Burschen um zehn Pfennig Wurft holen oder, wenn einer einen freien Tag hatte, ihm die Sonntagsstiefel pugen das schien ihm nicht der Weg, in die tiefsten Brangeheimnisse einzudringen. Auf taffen."
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Blöglich faßte der Kastl sich ein Herz: Wenn ich was bitten dürft' begann er, wann's möglich wär, daß ich bald was was Rechts lernen könnt!" " Oho, no, das kommt schon mit der Zeit. Nur Zeit
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