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Um neun Uhr erst kam Kastl von der Arbeit los; er Holte sich eine Maß an der Schenke und schlich dann zuerst in den Thorweg, wo oft um die Zeit ein Blumenmädchen im Dunkel stand, er wollte um eine Biermarke eine oder mehrere Rosen erstehen. Denn mit Kaufen fängt's an in der Liebe. Aber die Verkäuferin war nicht da, und so trabte er im Rahenschritt bis an die Küchenfenster, um hinein zu spionieren. Auch hier hatte er Pech, denn sie" war nirgends zu sehen.

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Er beschloß nun zunächst, zu der voraus bestimmten Bank zu wandern und dort beim Bier nachzusinnen, wie er die Agathe irgendwo erwischen möchte. Er durcheilte den ersten Hof, kami durch's Quergebäude und wandte sich links in den zweiten Hof. Dort, mur vom Sternenlicht geführt, begab er sich zu dem versteckten Platz am verrosteten Pförtchen.

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Als er um die Ecke trat, bemerkte er, daß die Bank besetzt war. Etwas Hellgekleidetes bewegte sich und stand auf. Er trat heran, denn wozu sollte er das vermutliche Liebespaar ungestört lassen? Aber da bemerkte er, daß das Hellgekleidete" allein dagesessen und, was ihn bei­nahe erschreckte, daß es das Agathl selbst war.

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Mei!" rief er, aber nicht allzu laut, und auch sie wußte im Moment nichts Gescheidteres zu bemerken.

Das war ein Zufall! Und es ergab sich, daß der stille Winkel Agathes bevorzugtes Plätzchen war.

,, Alle Abend fizz i da, auf a halb's Stündl." Raftl setzte seinen Maßkrug ans Ende der Bank und er­flärte resolut: Weißt, i mein, die Bank is lang gnua für zwei. Heut mußt mi schon da derleiden. Ii fez mi ans End, na' haft Platz gnua. Oder wartst eppa auf wem?" War net übi. Auf wem denn?"

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Tierleben in Taifun.*)

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Es war am 26. Mai 1899, an einem Freitag. Vor drei Tagen hatten wir Japans Küste verlassen, und noch stand frisch und unvers blaßt die Erinnerung an das anmutig reizvolle Land vor meiner Seele. Jezt befanden wir uns in der Straße von Formosa und hatten gehofft, noch in den Vormittagsstunden Hongkong zu erreichen. Schon vor Tagesanbruch wurde ich durch stärkere Bewegung des Schiffs ertvedt und als ich mich nach 6 Uhr erhob, mußte ich mich bald überzeugen, daß sehr schlechtes Wetter eingetreten war. Düfter grau hing der Himmel über der aufgeregten See, deren stumpffarbig glanzlose Wogen, von heftigem Regen gepeitscht, zu uns mit weißen Wellenkämmen heranbrandeten, die wie blinkende Zähne uns zu drohen schienen. Eine dicke, schwere Luft Hemmte den Blid in die Ferne, doch war gerade vor uns eine besonders undurch dringliche Wetterwand zu unterscheiden.

Dieses und mehrere andre sichere Zeichen machten es uns zur Gewißheit, daß wir uns einem Taifun näherten; einem jener in den chinesischen Meeren leider nicht seltenen Wirbelstürme, welche schon viele Opfer gefordert haben. Charakteristisch ist für den Taifun, daß er eine doppelte Bewegung hat, außer der meist rasend schnellen Vorwärtsbewegung findet eine ständige Rotation um ein Centrum statt. beidrehen und den Kurs wieder zurüd, auf Japan zu, nehmen. Um dem gefürchteten Sturme zu entgehen, ließ der Kapitän

Vergebens, in furzer Zeit hatte der Taifun uns eingeholt und ein ganz fürchterliches Unwetter brach los.

Schauerlich heult und pfeift der Sturm in höchsten Tönen, donnerud und krachend stürzen die hochaufgetürmten Wogen heran, unser starkes Schiff wie einen kleinen Kahn hin- und herwerfend. Ein gewaltiger Regen flatscht hernieder und vermehrt das unbe schreibliche, finnenbetäubende Getöse. Rings ein aufs äußerste aufs geregtes, graues Chaos, in welchem der Himmel von dem Meer nicht zu trennen ist.

So geht es unendlich lange und bange Stunden. Aber es wird nicht besser, sondern schlechter; immer ärger wird das Wüten der Elemente und von 3 Uhr ab erreicht es eine fast unmöglich er

" mein halt." Dabei sette er sich. Sie stand noch scheinende Höhe. Die Gewalt des Orkans und der ständig auf das unschlüssig, die Hände unter der Brust verschränkt.

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Sett Di net nieder?- thu' Der nir."

Wegen dem!" entgegnete fie schnippisch.

Wegen dem, wegen meiner! Jetzt fetz' Di nieder! Sie setzte sich. Aber weit genug; und kalt und fremd starrte sie über die Mauer hinweg, wo die pechschwarzen Baumzweige im leisen Nachtwinde sich bewegten und über die glitzernden Sterne hin- und herfuhren.

Was thust denn nachher da?" begann er, nach einem Verlegenheitsschluck aus dem Krug.

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Nir. Ident halt so allerlei, Und weil's gar so stad is ringsum, sing i mir ans, daß d' Zeit vergeht." " Singst? da alleinig?- Du, weißt; ich fag Der was, paß auf, Agathl." Und nach diesen rhetorischen Eingangsworten wagte er feine Bitte: Lehr mi a singen, weißt? Nachher fing'n mer miteinand da am Abend."

" Was Der net ei'fallt," entgegnete sie lachend. Aber sie blieb still danach. Und dann redeten sie weiter in recht ruhigem Ton, bis er plöglich unterbrach:" Also jekt sing mer was, daß i was lern' vo' Dir."

Und er griff nach ihrer Hand. Sie schien den Druck gar nicht zu fühlen, sie ließ ihm die Hand, aber sie sagte dazu immer abgewandt nach der Mauer und den Bäumen starrend:

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,, Sonst fallt Der nir ei'?"

., Geh, sei lieb," bat er wieder, diesmal mit warmem Ausdruck und rückte näher.

Bleib nur da, wo D' bist!" rief sie. Set Dein Stein zwischen uns, daß D' Respekt vor mir behaltst."

Aber er war erst in Zug gekommen, jetzt brach er los,- je heißer desto leiser:

,, Magst mi denn gar net a bissel? Sag!"

Ja!" sagte fie, wie im Scherz. Aber bleib da an Deinem End."

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Und so parlamentierten sie fort. Er war nicht im ringſten zufrieden, einen Meter entfernt zu sein, aber er hielt ihre Hand; endlich kam ein Vertrag zu stande:

"

Wenn D' jetzt fei stad bist, sing i Der was. Aber stad sei' mußt. Laß mei Hand los-"

,, Net um a Noß!"

"

A so tann i net singen," meinte sie und versuchte die gefangene Hand mit der andren zu befreien. Aber sofort hielt er auch die zweite Hand fest, und es begann ein fräftiges Ringen, bei dem beide unterdrückt ticherten.

" Sei stad, sonst sing' i net. Nachher muß i' nein," er­flärte sie endlich.

( Fortsetzung folgt.)

Deck stürzenden Wassermassen wird so groß, daß das Schiff nicht mehr dem Steuer gehorcht. Wir treiben langsam ab und haben die sehr hohe See bereits seitlich.

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Schon ist die Windstärke auf 11-12 der Skala( sie zählt bis 12) gestiegen, als um 1/26 Uhr plötzlich ein ganz unvermittelter, von den Seeleuten zwar vermuteter, aber dennoch höchst merkwürdiger Um schwung eintrat. Mit einem Mal wird es fast windstill, die Wind­stärke fällt rasch, so daß sie nach kaum einer Stunde gleich Null ist. Der Regen hört auf und durch die hellere Luft blickt man auf eine nur mäßig bewegte See.

Es war das Centrum des Taifuns, in welchem wir uns nun be fanden, was uns auch das Barometer bewies, welches mit 724,7 jest den niedrigsten Stand erreichte.

Diese Erscheinung, ein barometrisches Minimum im Centrum des Taifuns, ist eine den Seeleuten wohlbekannte Thatsache. Ge­wöhnlich aber wütet hier der Orfan am ärgsten; bei manchen auss gedehnteren Taifunen jedoch heben die von allen Seiten nach dem Centrum hinströmenden Windrichtungen einander auf, so daß ein Kreis entsteht, innerhalb deffen die oben geschilderten Erscheinungen auftreten. In einem solchen Fall muß sich das Höhestadium des Taifuns furz vor dem Eintritt in die Windstille befinden, wie wir es in der That auch erlebten.

Wie wunderbar und merkwürdig auch dieser jähe Wechsel erschien, so war es doch hauptsächlich eine ihn begleitende Er scheinung von sehr seltsamer und ungewöhnlicher Art, die in mir eine unverlöschliche Erinnerung an dies gefährliche Erlebnis zurückließ.

Denn plöglich, zusammen mit dem Eintritt der Stille, war wie auf ein Zauberwort die Luft rings um das Schiff und über dem felben mit einer großen Menge fliegender Tiere erfüllt. Viele Hunderte von Vögeln der verschiedensten Größe und Form um flatterten ängstlich- schwerfälligen Flugs den Dampfer, ließen sich, fichtbar aufs äußerste erschöpft, auf dem Tauwerk oder dem Deck nieder und fielen schwer wie Blei ins Meer, um darin unter­zugehen. Ein ganz absonderlicher Anblick war es, dieses dunkle, viels gestaltige Gewimmel rings umher, aus welchem trotz der Menge der Individuen und Formen fein andrer Laut drang, als das Geräusch Da war fein fröhliches, der matten, langsamen Flügelschläge. lebensvolles Tummeln; aus dem ganzen Gebahren der Tiere ging hervor, daß sie gänzlich ermattet und ohne Willen um das Schiff umherirrten, daß Angst und Erschöpfung den meisten ein zwed­mäßiges Handeln und den Trieb zur Selbsterhaltung vollständig ge­raubi hatte. Die, welche sich auf dem Schiff niederließen oder viel mehr hier herabfielen, ließen sich ohne weiteres mit den Händen auf­nehmen oder machten mur ganz schwache, gewissermaßen reflektorische Versuche, sich den Händen zu entziehen, wobei augenscheinlich völlige Apathie, nicht etwa verminderte Scheu als Grund in Frage tamen. Andre erhoben sich nach kurzer Raft, um gewöhnlich dann ins Meer zu fallen. Es währte einige Zeit, bis ich mich von meinem Erstaunen über dieses Schauspiel soweit gefaßt hatte, daß ich versuchen konnte,

auf die verschiedenen Vogelarten zu achten.

Bunächst fielen große Seevögel auf, verschiedene Mövenarten

*) Aus der empfehlenswerten Wochenschrift Nerthus". ( Altona - Ottenfen. Chr. Adolff.)