Interhaltungsblatt des Horwürks Nr. 26� Mittwoch, den 6 Februar ISO! »viaclidruck verboten.) Dev Vstlkl vonr Mollerüviitt. 2SZ Roman von R. von Seydlitz. So war's nun beschlossen und so ward's ausgeführt. Noch im Herbst fielen die„Herbergen" und WinkelhäuSchen, und der Neubau stieg empor. Es war übrigens kein Niesen- werk, der Umsatz der Ludwigsbrauerei kmmte höchstens dem des bisherigen Hollerbräu gleichkommen. Niemand war froher als der Bräumeister Hegebart, als endlich die Arbeit anfing und er wieder im alten Geleise schaffte. Denn die lange Ruhe war ihm lästig geworden. Zwar hatte er ja viel zu laufen, zu reden, zu besichtigen, zu entscheiden gehabt; dazwischen hatte er seinen Vater besucht. der schwer krank war, und hatte ihn begraben. Aber er sehnte sich nach Arbeit; denn alle andre Beschäftigung außer Brauen schien ihm keine Arbeit. Dazu war ihm das gesellige Leben nut den reichen Leuten, den Geldgebern, den Architekten, den Hopfen- und Gerstenhändlern eigentlich recht unbequem. Er, der einfache Mann, und in feiner-großen Jugend, sah sich auf einmal genötigt, Festessen mitzumachen, mit einem Cham - Pagnerglas in der Hand ein paar Worte an einer gedeckten Tafel zu sprechen, und gar einige Leute hier und da in einem Weinrestaurant zu bewirten. Ringelmanns Weltkenntnis half ihm darauf hin/ daß auch das Austerncjsen manchmal zum Geschäft gehört. Allmählich freilich zog auch die Gewohnheit an ein eüvas besseres Leben bei ihm ein. Aus dem Topf zu essen gab er auf, und fand es wohl in der Ordnung, wenn seine Wohnung in der neuen Brauerei etwas bunter und behaglicher ein- gerichtet wurde, als das öde Bnrschenzimmer, das er bisher bewofrnt hatte. Schon wegen der Leute mußte das doch sein! Aber nun ging wieder die Arbeit an. und da fühlte er sich wie ein Fisch im Wasser. Seine Leute wa�en im ganzen gut gewählt; Ringelmann hatte mitgeholfen, und dieser war froh, daß der Toni und sein Busenfreund Lutz definitiv verschollen schienen, er also seiner Versprechungen enthoben war. Von Haas war auch nichts zu hören. Aus Würzburg erhielt Ringelmann die Nachricht, daß Haas dort seine Weinstube verkauft habe und verzogen sei. Man munkelte auch allerlei über die Frau, aber der Korrespondent Ringelmanns konnte nicht versichern, daß dies Gerede wahr sei; mit seinem Neffen sprach Ringelmann überdies nie mehr von Haas, seit jenem Tag im Bräustübl. Die Arbeit ging also an; aber natürlich fehlte es zuerst hie und da; dazu hatte Ringelmann neue Maschinen ange- schafft, an denen auch Kastl zuerst etwas die Zähne ausbiß. Das Ding mochte ja gut sein, aber die Neuheit störte auch ihn. Da war eine Sortiermaschine, die viel Geld kostete, aber auch viel sparen sollte. Da war ein äußerst witzig konstruiertes Rührwerk in der Maischpfanne und eine hübsche Anfhackinaschine im Seihbottich, über dem eine lang- sam sich drehende Röhre der» heißen Wasserregen zürn An- schwaiizen ergoß. Alles das ging zuerst nicht recht glatt und es wurde umgeändert und gearbeitet, und ein paarmal ver- darb der ganze Sud. Die Burschen waren zumal den Maschinen nicht grün, und Kastl mußte lernen, seine Energie nicht nur auf Malz und Feuerung, sondern auch auf die störrischen Gesellen auzuwenden; und Befehlen ist nicht immer so leicht als niau es denkt. Unvernrerkt kam Kastl dabei von vornherein in den Ruf, ein harter Vorgesetzter zu sein. „So san's alle. Bal' s' mal obeik san, na schind'n s' di unteren," hieß es. Die gemütliche Gleichheit im Verkebr niit den Burschen ging schnell verloren, und eine freie Stunde und gar den Sonntagnachniittag konnte der Bräumeister eben doch nur mit Ringelmann und deffen Frau oder mit ähnlichen Leuten verbringen. Hatte er sich einst als unterster Bursch vereinsamt gefühlt,— jetzt begann die Vereinsamung nach oben. Ein Interesse bewegte ihn durchaus und vor allem: der Stoff muß gut werden, und das Publikum muß ihn mit Freuden aufnehmen! Für alles Nebrige sorgte der Oheim. Aber wie man in München über das Getränk aus dem neuen Ludwigsbräu dachte, das war für Kastl von höchster Wichtig- keit. Er wäre am liebsten in die Wirtschaften gegangen, die sein Bier führten, und hätte unerkannt die Tischnachbarn um ihre Meinung gefragt. An ihm fehlte es ja nicht, kein Sud kam zu und aus dem Lngerkeller, den er nicht durch alle Stadien des Werdens hindurch mit pein» lichster Sorgfalt, mit Tages- und Nachtarbeit gepflegt und vollendet hätte. Aber den Geschmack der Masse hätte er gern ergründet. Ringelmann tröstete ihn:„Dees merk'n mer na'm ersten Halbjahr!" Die Kunden der Ludwigsbrauerei waren meist kleinere Wirte, ein einziger großer war darunter; bei den kleinen fand man das Bier zu wässerig, bei dem großen tadelte man den Mangel an Schaum; und in der Vorstadt schimpften die Bauern, es sei zu hell. Die Schaumlosigkeit aber allein ärgerte den Bräumeister. Er ging selbst zu dem Wirt und sprach mit ihm. -„Hofbräu hat a wenig Schaum." Hofbräu trinken die Leut. und ivenn's grün ausschaut, Herr Bräumeister.— Uebrigens,— mag sein, daß sie sich bald gewöhnen. Wechseln möchte ich auch nicht gern, das be- greisen Sie; aber, andrerseits.. und so weiter. Und mit dem Halbjahr ging er doch ab. „Weißt, wo's feit, Kastl ?" sagte Ringelmann darauf. „D' Leut bab'n weniger an Schaum vermißt; aber er selber. — Begreifst denn nix?— Von wegen'm Einschenken!" Aber im allgemeinen war's ein sehr schmackhaftes Bier und Kenner lobten die Rundheit und Fülle des Geschmacks, die ja nur Folge einer sehr gediegenen Brauwcise sein kann; und wer einen Liter über den Durst trank, empfand am nächsten Morgen zu seiner Ueberraschung eine angenehme Freiheit und Schmerzlosigkeit des Schädels; und das war angesichts des langen Winters eine erfreuliche Entdeckung. Darum siedelten sich bald Gesellschaften im Ludwigsbräu an, obwohl keine eigentliche Restauration da war. Man brachte sein Geselchtes, seine Würste und dergleichen mit hinaus. Ein Musikkränzchen, eine Gruppe Studenten und eine zukneift aus Offizieren bestehende Gesellschaft bezogen die renovierte Kegelbahn. Kurz, München acceptierte das Ludwigsbräu. Für den Sommer wurde Eingeweihten und persönlich Bekannten ein noch befferes Gebräu in Aussicht gestellt; denn im Herbst hatte man in der Eile fertiges Malz kaufen müssen, aber jetzt wollte Kastl zeigen, wie er Malz machen konnte. Und dann war die Wafferfrage zu Ansang bö«. Zwar braute, wie die Sage ging, der Leist einmal eine Zeitlang mit der neuen Wasserleitung, und diese tapfere That erregte Bcwundcning, aber dem Kastl waren die neuen Kessel und Pfannen zu lieb, und man schaffte sich ein weicheres Wasser. Mit einem Wort— es ging. Und den beiden Leitern des Unternehmens wurde wohler und wohler. Mindclheimer durfte seinen Konsorten erklären, daß jeder Gedanke an ein anfängliches Deficit zu verwerfen sei. Und nun kam ja erst der Sommer I Für diesen hatte Ringelmann und er eine vortreffliche Idee: der Kellcrgarten wurde. sobald der Schnee wegging, mit einem Musikpavillon versehen und gut beleuchtet, statt der altväterischen Bänke gab es Stühle, statt der eingepflöckten laugen, schmalen Tafeln kleinere viereckige Tische; und auch für eine Küche ward gesorgt. Da mußte ja das Geschäft blühen! Anspruchslos ist ja der Münchener ,— bis auf die Qualität des Biers;— und wenn man ihm nun noch eine Kleinigkeit entgegenkam k Wenn Kastl einmal von der Stadt, abends beim Unter- gang der Sonne, nach Haus ging, so blieb er gern auf der langen Brücke stehen und sah auf die aufstrebenden Linien des Ncubaus, auf die Schlote, die sich schon schwärzten, und die zwei breiten Dunstschläilche über den neuen Dächern. Vor Zeiten hatte das anders ausgesehen, damals bei seinem Einzug in München I Als ihm die wilde Begleiterin die vielen Brauereien wies, hatte er kaum aus die Namen und Formen geachtet, verwirrt durch so vieles Nene und gefesselt durch das hastige Rauschen des Flusses. Damals träumte er wohl etwas von dem, was jetzt war, aber nicht gerade diese Stelle hatte sein Traum ihm gewiesen. Und wie stolz daS alles aussah! Vorn, unten, die siühere
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18 (6.2.1901) 26
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