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zehn Nummern erschien und die vorlegte Nummer rot auf weißem Bapier gedruckt infolge gerichtlicher Berfolgungen Röttgens im Juni 1849 aufgegeben werden mußte. Röttgen verließ Bremen  ; er schloß sich später der Lassalleschen Bewegung an. Das nebenbei. Daß Allmers   jener ersten socialistischen Bewegung in Bremen   nahegestanden, darüber ist nichts bekannt. Es ist aber Er wohl anzunehmen, daß es nicht der Fall gewesen ist. trat auch später niemals im Dienste irgend einer Partei an die Oeffentlichkeit. Nur in Einzelfragen bon größerer Bedeutung trat er über den Rahmen seiner Wirksamkeit im engeren heimatlichen Kreise, dem er als Deich- und Gemeindevogt jahrelang diente, heraus.

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Eine solche Frage war der hannoversche Katechismus­streit von 1865. Mit einer streitbaren Schrift gegen den Zelotis­mus und das Pharifäertum der Kirche trat Allmers   auf den Plan. Er warf der Orthodorie das Wort entgegen: Frei muß die Kirche werden von ihren dreifachen Banden. Frei von der Staats gewalt, frei von der Priestergewalt, frei von der Buchstabengewalt; darin liegt alles." Seine Kirchlichkeit hatte nichts Frömmelndes. Die Kirche war ihm nichts als ein Mittel, die drei Sterne Freiheit, Wahrheit und Schönheit auf die Menschen wirken zu lassen. Seine Vorschläge zur Ausgestaltung des Gottesdienstes würden den Menschen nichts als Gelegenheit bieten, Kunstgenüsse, überhaupt geistige Genüffe edelster Art zu finden. Schönheitsdienst ist sein firchlicher Kultus. Wie er in Dingen der Religion denkt, lehrt das Versbuch Fromm und frei", das er 1889 als fast Siebzigjähriger erscheinen ließ. Im Eingang steht der Vers: Dein Thun darf richten jedermann; Dein Glaube, der geht keinen an". Die Orthodoxie fiel über dieses Buch mit grimmigem Beißen her. Das hat dem Alten keine Qual bereitet. Er, der Freund Häckels seit den fünfziger Jahren, denkt monistisch  , er füllt den Begriff Gott   mit eiguem Juhalt. In sich selbst gefestet, ruft er aus:

Was Du sollst thun, was Du sollst lassen, Es ist so einfach und so leicht zu fassen: Laß alle Dinge, die bei stetem Ueben Dein Wohl, wie das der Menschheit untergrüben, Dent immer Dich nur als des Ganzen Teil, Streb immer denkend nach des Ganzen Heil! Ein höheres Gebot ist denkbar nicht,

Auch Dir sei dieses denn die erste Pflicht."

In diesen Zeilen liegt Allmers  ' Lebensgrundsatz. Ernsthaft war fein Bemühen, der Kunst eine Pflegstätte im Volfe felbst zu bereiten, die fehlende Wechselwirkung zwischen Künstler und Volk zu schaffen, ohne die eine tiefwurzelude und breitzweigende Kunstent wicklung unmöglich ist. Schon in den sechziger Jahren erhob er so feine Stimme. Er wetterte über die Salonkunst und forderte die Bildung von Kunstgenossenschaften, die durch billig gestellte Preise jeden die Teilnahme an ihren Veranstaltungen ermöglichen sollten. Er selber ging in seiner engeren Marschenheimat mit gutem Beispiel voran, und es schreckte ihn nicht, daß man ihn stichelnd den Marschen bildungspeter" nannte.

Diese urivichfige Ehrlichkeit seiner ganzen Natur hat ihm die Achtung aller Kreise eingetragen. Als eine letzte Säule ragt er aus einer verrauschten Zeit in die Gegenwart herein. Er ist einer der wenigen, die ihren im vormärzlichen bürgerlichen radikalen Idealismus wurzeluden Anschauumgen treu geblieben sind. Stein mattes Bergreifen kennzeichnet seine letzten Jahrzehnte, er ist viel mehr frisch und jugendlich in seinem Wollen geblieben, ein Freund alles dessen, was sich kraftvoll und eigen geberdet. Und deshalb soll niemand, der vorwärts will, an seinem achtzigsten Geburtstage ohne Gedenken vorübergehen. Sein Leben hat es ehrlich verdient. Fr. D.

Kleines Feuilleton.

Friesengruß.

Ich grüße dich, mein Friesenland,

Wo der Nebel wallt, wo die Woge braust, Wo die Möwe schwebt und die Wildgans lärmt, Mein Friesenland, mein Heimatland!

Bom hohen Deiche schrankenlos Schweift hin der Blick über Land und Meer Hier ödes, weites, schlammiges Watt, Dort reicher Fluren sonnig Grün; Hier Mövenschrei, dort Taubenflug,

Hier das Fischerboot, dort das rasselude Nad; Und das Kirchlein dort uralt und erust

Und wetterbraun auf kahler Wurt, Und Rinderlaut und Sensentlang

Um den reichen, stattlichen Bauernhof.

Ich grüße dich, mein Friesenvolt, Bolt alter Freiheit, alter Kraft, Das trozig mit den Wogen rang Und selber sich für Weib und Kind Den teuren Heimatsboden schuf, Das dieser Deiche starke Wehr

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Aufwerfend zu den Fluten spricht: " Bis hierher sollt ihr, weiter nicht!" Das mit dem stolzen Gruß sich grüßt: , Eala frya Fresena",

Das seiner Freiheit Heiligtum Lang' gegen Pfaffenübermut si Und Adelsmacht verteidigte.

Nicht Männer zogen nur zum Streit, Auch hohe Jungfrau'n ernst und mild, Und sanken bleich und blutend hin, Gedenkend, als der Stahl sie traf, Des Friesenspruchs:" Lieber tot als Sflab!

Du prächtig Wort: Lieber tot als Gtlab!* O, brause du wie Nordlandssturm Durch alle deutschen   Herzen hin, Bom meerbefpülten Friesenland Bis zu der Alpen Hochgebirg, Und von den Alpen bis ans Meer Erdröhne donnernd wieder her, Rings alles rüttelnd aus dem Schlaf, Du stolzes Wort: Lieber tot als Stlab!"

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Ich grüße dich, mein Friesenland, Wo der Nebel wallt, wo die Woge braust; Ich grüße dich, mein Friesenvolk, Wo noch Mannestraft und Freiheit haust. Hermann Allmers  .

Erziehung und Unterricht.

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Die hohe Entwicklung der technischen Kultur in unsrer Zeit trägt die Gefahr in sich, daß sie eine gewisse Dreistigkeit selbst des Fach manns und nun erst recht des Unbewanderten hervorruft, und daß sie uns immer mehr von der Natur entfremdet; man denke beispiels weise an die mitteleuropäische Einheitszeit, durch die an den West­grenzen Deutschlands   ein Unterschied zwischen dem natürlichen und dem technischen Mittag bis zu 53 Minuten besteht. Daß in diesen Zwiespalt die Astronomie vermittelnd einzugreifen vermag, war der Ausgangspunkt eines Vortrags, den vor kurzem zu Berlin   Professor Wilhelm Förster  , Direktor der Sternwarte, unter dem Titel der Pädagogik in Astronomie" gehalten Die die Astronomie in die Technik hat. Er zeigte, daß uns der Natur blicken läßt und uns Musterbilder von zahlreichen Energievorgängen darbietet, die wir in unsrer Technik brauchen und die uns auch sonst vorbildlich belehren. Diese erzieherische und bildende Bedeutung der Astronomie kommt jedoch zu ihrem vollen Wert erst durch pädagogische Bemühungen in ihr. Vor allem sollen, was ja zum Teil bereits geschieht, die Kinder der unteren Schulen ins Freie geführt werden, um astronomische Beobachtung und An­schauung zu gewinnen, freilich vorerst mit Verzicht auf eine Erklärung des umnittelbaren Eindrucks, auf das copernikanische Weltbild, und hierdurch in Uebereinstimmung mit der dem findlichen Gemüt viel näher liegenden Astronomie der Urzeit. Die Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Phyfit" hat in dieser Be­ziehung bereits Wertvolles geleistet durch Heranziehung der Schulen und der Lehrer, durch Darbietung von Lehrmitteln usw. Die Kinder werden, event. in eiguen Beobachtungsgruppen, zum Beobachten( z. B. der Sternschnuppen im August), zu graphischen lebungen u. dgl. m. heran­gezogen; Direktor Stoppe in Berlin   nahm die schon in ältesten Zeiten geläufigen Beobachtungen von Schatten lothrechter Säulen wieder auf; auch die Konstruktion des einfachsten Fernrohrs ohne Gläser ( Sonnenbild, durch eine Oeffnung auf eine dunkle Wand geworfen) ist hier bereits zu zeigen. Eine derartige Herrschaft über die mifro­tosmische" Welt führt zur Freude an der makrokosmischen". Auf den Univerfitäten fragt es sich, wie die fünftigen naturwissenschaft­lichen Lehrer am richtigsten heranzuziehen seien. Hier erscheint nun die Astronomie ebenfalls als musterbildlich und zwar für das ge­schichtliche und theoretische Verständnis unsres Erkennens. Auch be­sigt sie gegenüber dem Bedrängenden, Bedrückenden der in andren 3. B. chemischen Laboratorien erreichten Technit eine pädagogisch wert­volle Einfachheit und Stufenmäßigkeit; fie bietet Uebungen der von den elementarsten Problemen an bis zu den feinsten. Allerdings wird es auch die schwierige Aufgabe gelten, zu dieser Erkenntnis­bildung die verschiedenen daran beteiligten Hochschullehrer zu ver­einigen. Sollte der Verdacht entsteheit, daß der Astronom hier nur eben, wie es sonst geschieht, nur seine Ware lobt, so ist zu ver­weisen auf die Erfolge dieser astronomisch- pädagogischen Gedanken­gänge und selbst auf das spontane Entstehen von solchen auch in nicht- aftronomischen Kreisen. Profeffor Förster hat Fragebogen jener und zwar Vereinigung zum Anstellen von Beobachtungen auch

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in mehreren tausend Exemplaren an Schulen senden lassen; es war dabei sogar gelungen, die Provinzial- Schulkollegien soweit dafür zu interessieren, daß fie die Uebersendung gerne vermittelten. Bietet schließlich die Astronomie gegen das Verstandesmäßige in der mo dernen Technik fein volles Gegengewicht dar, so bleibt ihr doch jedenfalls dies, daß sie durch ihre der Erde entrückten Objekte den Erkenntnistrieb und den reinwissenschaftlichen Sinn so fördert, wvie H. S. es kaum wieder anderswo möglich ist.-