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Antage Tan
thn das Bewußtsein wund, unter einer entehrenden Anklage zu stehen. Brandstiftung er!-
Mit Prof. Bettentofer, der am Sonntag im hohen Alter Zuerst begriff er faum, wie einer sein eignes Haus anzünden könne. Aber das Wort Versicherung, was der An- bon mehr als 82 Jahren freiwillig aus dem Leben schied, ist ein Mann dahingegangen, dessen raftlose und erfolgreiche Lebensarbeit walt ihm nannte, klärte ihn auf; konnte Mindelheimer oder dem Wohle der gesamten Menschheit geweiht war. Ringelmann um der Versicherung willen Brand gelegt haben, In Bayeru geboren, brachte er den größten Teil feines Lebens so fonnte man ihm ja auch zumuten, daß er dabei infolge in München zu, wo er Medizin und Chemie studierte; auch auf den geheimer Abmachungen einen Gewinn im Auge gehabt habe. Universitäten in Würzburg und Gieffen, wo damals der große CheAber das alles empörte ihn gewaltig, und der Verteidiger miter Liebig lehrte, verbrachte er einige Zeit seiner Studienjahre. hatte bei jedem Besuch erst Not, ihn in Ruhe zu bringen, aber seit 1845 ließ er sich dauernd in München nieder, wo er bereits ehe er fachlichen Erörterungen zugänglich war. Endlich 1847 außerordentlicher, 1853 ordentlicher Professor der medizinischen Chemie wurde. fette fich in ihm ein so unerschütterliches Sicherheitsgefühl Ein wichtiger Teil von Bettenkofers Arbeiten war der genauen fest, daß er die Untersuchungshaft kaum mehr als solche Ergründung des menschlichen Stoffwechsels, der Feststellung des empfand. Wer war wohl unschuldiger als er?- Und solche menschlichen Nahrungsbedürfnisses gewidmet. Die Untersuchungen, Unschuld muß ja zu Tage kommen! Davon war er felfen- die er in Gemeinschaft mit Prof. Voit anstellte, dienten Jahrzehnte fest überzeugt. Die größere Mehrzahl aller, die in der Sache hindurch als die wissenschaftliche Grundlage der Nahrungsmittelbe- lehre; heute noch wird das Quantum an Eiweiß, Fett und Kohle zu thun hatten, stand auf seiner Seite. Die Stadt- sonders jeder, der ihn persönlich gekannt hatte, war von hydraten, das ein Mensch zur Erhaltung seiner Arbeitskraft täglich nach diesen Versuchen angegeben, obwohl
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seiner Unschuld überzeugt. Auch an der harten Energie und braucht, vielfach die Zahlen durch Versuche der letzten zwanzig Jahre
der pflichtgemäßen Stepfis des Staatsanwalts riß und lockerte in manchen Einzelheiten abgeändert worden sind. Aber und untergrub die allgemeine Meinung; es fragte sich nur Bettenkofers Verdienst bleibt es, dieses große und wichtige noch, ob vorherige Entlassung wegen Mangels an gra- Gebiet zuerst in wissenschaftlicher Weise behandelt und der wissen bierenden Resultaten in der Voruntersuchung oder Freischaftlichen Erforschung zugänglich gemacht zu haben. spruch bei der Verhandlung vor dem Schwurgericht.
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Mindelheimer beeilte sich, zu beweisen, daß er unschuldig war an allem, an jeder Unregelmäßigkeit, natürlich auch am Brande. Er war durch Ringelmanns faule Buchführung selbst schwer geschädigt, und seine Entrüstung über den oder die Verbrecher tannte nicht Maß noch Ziel.
Diese Untersuchungen stehen in engem Zusammenhang mit der Frau Ringelmann lebte ruhig, betrübt, wie es sich ganzen Geistesrichtung Bettentofers, die weit weniger darauf gerichtet versteht, aber still und bescheiden. Auch sie war nicht im war, einen ertranften Organismus zu heilen, als vielmehr einen Zu diesem Besige großer Summen. Aber daß große Summen in den gefunden Organismus vor Erkrankung zu schützen. lezten Tagen des Ludwigsbräu von der Verwaltung ein- Behuf muß man freilich die Bedingungen fennen, unter denen der menschliche Organismus gedeiht, und in diefer Richtung hat sich gezogen waren, daß eine angelangte Sendung Gerste am Bettenkofer unaufhörlich bemüht, nicht nur selbst zur Klarheit zu Bahnhof unter der Hand weiter verkauft war, und daß ähn- tommen, sondern auch klares Wiffen und die praktische Anwendung liche Manipulationen schon öfters vorgekommen waren, dafür desselben in der Bevölkerung zu verbreiten. Freilich kann die Masse waren die Beweise freiwillig von den Beschädigten erbracht. der arbeitenden und in unsrer unvernünftig eingerichteten GesellWo stedte nun das Geld? schaftsordnung grade deshalb zu dauernder Armut verurteilten Bevölkerung in dieser Richtung sehr wenig thun. Was nuzt zu wissen, daß ein enges Zusammenes dem Arbeiter, wohnen in fleinen, niedrigen, dumpfen Räumen gesundheitsvielmehr reichlich Luft und Licht zur schädlich ist, daß Erhaltung eines eines gesunden Körpers und frischen Geistes gehört, was nüßt ihm eine solche Kenntnis, wenn er für die Summe, bie er für eine Wohnung aufwenden kann, beim besten Willen keine gesunde Wohnung erhalten kann. Was nügt die Erkenntnis, daß schlecht gereinigtes Trinkwasser sehr gefährlich ist und die Ausbreitung von Epidemien außerordentlich erleichtert, wenn anderes als schlechtes Trinkwasser gar nicht zu haben ist. Gewiß fann der Einzelne in mancher Beziehung zu einem die Gefundheit fördernden Leben beitragen, in Bezug auf die Kleidung z. B., welche die Transpiration des Körpers gestatten muß, in Bezug auf die Lüftung der Wohnräume, und manche andrén llein erscheinenden Einzelheiten. Aber gerade in Bezug auf die wichtigsten Dinge steht der Einzelne den Verhältnissen ohnmächtig gegenüber, gerade da kann mir der größere Verband, die Kommune oder der Staat, regelnd und helfend eingreifen. Die Kommune muß für gute Grundwasserverhältnisse sorgen, sie muß eine Wasserleitung einrichten, in welcher das Wasser, bevor es zum Gebrauch kommt, genügend gereinigt wird, sie müßte die Bauthätigkeit in die Hand nehmen oder mindestens dafür Sorge treffen, daß daß der übermäßigen Ausnutzung des Bodens durch Errichtung vielstödiger Mietstafernen mit vielen engen Zimmern ein fräftiger Riegel vorgeschoben würde.
Als ihm vom Richter die Frage vorgelegt wurde, ob er neben Ringelmann auch Hegebart im Verdacht habe, blieb er zunächst eine Zeit nachdenklich, stumm; dann sagte er: " Kann's nicht glauben. Von dem nicht. Hätt' ich morgen wieder eine Brauerei ich nähm' den Hegebart
wieder."
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" Das wäre doch- etwas zu viel behauptet," entgegnete der Richter, der die warme Verteidigung verdächtig fand.
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Warum zu viel behauptet? Brauen kann er wie feiner; und hätt er jetzt ja eine Dummheit gemacht, zum zweitenmal macht er sie nicht. Gebrannt Kind scheut's Feuer, heißt's hier mit doppeltem Recht. Außerdem, wenn sich fein Geld borfindet, ist er ebenso geschädigt wie andre. Fragen Sie doch, wo Ringelmann das kleine Vermögen des Neffen hingethan hat? Und er ist kein Verschwender, der Hegebart, hat teine noblen Passionen; wohingegen Ringelmann na, das werden Sie ja selbst wissen."
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Der Richter wußte noch wenig von Fräulein Kreszenz Damhuber; aber er erfuhr jetzt einiges und beschloß, ihre angenehme Bekanntschaft zu machen.
Unhöflich, wie Amtsleute manchmal gegen die feinsten und hübschesten Damen sind, ließ er sie bitten, ihn zu besuchen, statt selbst eine Antrittsvisite zu machen. Aber der Bote fand den Laden zu und den Vogel ausgeflogen. Man unterfuchte also im Laden wie in der eleganten Wohnung alles genau, aber ohne jeden Erfolg. Daß hier nicht die unterschlagenen Geldsummen lagen, konnte man sich sagen. Aber es fand sich auch keine geschriebene Zeile, am wenigsten von Ringelmann.
In diesen Richtungen ist Pettentofer bahnbrechend gewesen, so daß man ihn getrost als den Begründer der modernen Hygiene bezeichnen fann. Schon anfangs der fünfziger Jahre begann er mit Unterfuchungen über die Ventilationsverhältnisse der Wohnungen, sowie über die Einflüsse der Kleidung auf die Gesundheit, und bereits 1855 wandte er sich dem Studium der Cholera zu, die mit kurzen Unterbrechungen immer wieder in Deutschland aufgetreten war. Bettentofer untersuchte namentlich die Beziehungen des Grundwassers zu dieser Seuche, und kam zu dem Schluß, daß die Grundwasserverhältnisse von der größten Bedeutung für die Ausbreitung der Seuche feien; niedriger Grundwasserstand und große Trockenheit begünstigen nach Bettenkofer die Verbreitung der Epidemie. Als 1883 der Komma- oder Cholerabacillus von Robert Koch entdeckt wurde, hielt Bettenkofer an seiner Meinung fest; weil dieser Bacillus stets im Darm von Cholerakranken gefunden wurde, hielt man ihn für den direkten Erreger der Krankheit, der auf keinen Fall in den menschlichen Magen und von da in den Darm gelangen dürfe. Pettenkofer vertrat demgegenüber entschieden die Anficht, daß der Cholerateim immer erst im Boden die günstigen Bes dingungen treffen müsse, um sich zu voller Giftigkeit zu ents fo daß ein Schutz bor der Verbreitung nicht in Sebaldus Ringelmann!" redete der Untersuchungsrichter wickeln, in allgemein Absperrungsmaßregeln zu suchen sei, sondern ihn an;„ Sie stehen im Verdacht der falschen Buchführung, günstiger Gestaltung der Boden- und Wasserverhältnisse. Um des wiederholten Vertrauensbruchs, der Unterschlagung von die Richtigkeit seiner Meinung zu beweisen, nahm er als Geldern und der Brandstiftung. - Was haben Sie zu ent- 74 jähriger, als die Cholera fo plötzlich und verherend Hamburg ausbrach, Jahre 1892, eine Menge gegnen?" Cholerabacillen zu sich. Er sowie sein Freund Professor Emery, der sich an dem Experiment beteiligte, wurden von
Mit diesem gestalteten sich die Verhöre für die beteiligten Personen lustig genug. Denn die Lage Ringelmanns war für ein Organ der öffentlichen Rechtspflege geradezu klassisch. Der Mann war vermutlich der Hauptschuldige. Er war im entscheidenden Moment gezwungen gewesen, den Kranken zu spielen, und durfte oder konnte daher von Kastls Schidfalen seit der Katastrophe nichts wissen.
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( Fortsetzung folgt.)
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