Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 38.
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Freitag, den 22. Februar
( Nachdruck verboten.)
Der Kaffl vom Hollerbräu.
Roman von R. von Seydlik.
Das Agarl schien alles zu verstehen, was in dem Wort, in dem Ton lag. Ganz plöglich klammerten sich ihre Hände um seine Hand, er fühlte einen bebenden Druck, er hörte heftig aufatmen, er sah in dem mondbeschienenen, marmorbleichen Gesicht ein Zittern, er sah einen nachtschwarzen, sammetweichen
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Blick dann war alles vorbei.
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Sie trat schnell zur Thür, verabschiedete sich ganz unbefangen und freundlich, und trat ins Haus.
Hinter ihr brummite die Glasthüre in den Augeln und das Schloß schnappte ein; das Licht verzog sich nach innen.- Sie war fort; er stand immer noch.
Aber, Herr Hegebart?" fragte da Frau Roßberger; ,, wollen Sie denn da übernachten?"
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Da ging er mit. Aber er sprach kein Wort; Frau Roßberger eiferte gegen den Wein; der mache alle schläfrig und einfilbig in der kalten Luft, aber der einzige Ein silbige in der Gesellschaft hatte ganz andren Wein im Stopfe. Und Geld hat sie auch," rechnete er unterdessen. Und ich kann so leicht verdienen... Ich brauch keine Geldheirat, ich brauch keine Vivi, ich-
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Aber da blieb er stecken: Ja so der Haas!"
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VIL
1901
seltener Ausnahmefall gewesen sei. Sonst wäre ja jeder Agent Millionär! Also!
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Aber diese beiden„ Also" verhallten bald in der branden den See der berauschenden Thatsachen. So deutlich er's fühlte, daß sein Agathl ihn liebte, so deutlich empfand er's auch, daß er geboren sei, Erfolg zu haben; ihm mußte Glück und Reichtum vorbehalten sein, ihm unter tausenden. Er hätte' s nicht erzählen können, warum er's so genau wußte.; aber er wußte es.
Und bald tröpfelte von diesem inneren Uebermaß von Mut und Sicherheit auch nach außen etwas durch; der Schlaucher erlebte es eines, Morgens, als er die Fuhre zum Lagerfeller richtete, daß der Herr Bräumeister im Vorraum des Gärtellers stand und traumhaft mit einem Schlüffel am Gegenstromapparat herumhämmerte und dazu pfiff.
" Ja,' pfiffn hat er; wie'r a Bub." So erzählte der Mann den Bierfahrern, und diese standen erstaunt herum und schauten einander gedankenlos auf die blendend weißen Hemden und die fitzbeschuhten Hände, als hätte wer soeben berichtet, der Papst wäre im Centralbahnhof angelangt. Jeder mann war so gewohnt, den Bräumeister wie eine Art Uhrwerk zu betrachten, das, ohne eine Bewegung zu viel. unfehlbar feinen Zweck erfüllt. Aber daß der harte, fanatisch genaue Mann auch nebenbei so etwas wie eine Menschenseele haben könnte!
Er hatte sich solche Unkenntnis freilich selbst zuzuschreiben; einen rechten innerlichen Gemütsverkehr hatte er mit feinem gepflegt. Roßberger, zu den er aus einer Art Gewohnheit, weil's der Nachfolger seines früheren Beraters war, noch das meiste Zutrauen hatte, Roßberger selbst wußte von ihm wenig; mit Stannen sah er an Hegebart das täglich wiederholte Schauspiel unerschütterlichen Fleißes, auch in den kaufmännischen Studien; er sah gern, daß der glückliche Fall mit dem Brauereiverkauf den Kastl ersichtlich mutiger machte; er entdeckte spekulative Talente an ihm; er flößte ihn sorgfältig und schonend den Gedanken an eine Heirat ein, und war zufrieden, zu sehen, daß Kastl gegen Viv: nicht geradezu feindlich sich benahm. Aber von dem Sturm in dent bisher öden Herzen des stillen Manus, dem Sturm, den die blasse Frau Haas in ihm erregt, davon ahnte er nichts: desto mehr die Frau.
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Das war nun freilich ein neues Leben, was der Kaftt jetzt begann. Plötzlich, an einem Tage, hatten zwei tiefbewegende, neue Elemente sich bei ihm eingefunden, die ihm seine Kreise störten und sein Dasein in andre, wie ihm sajien, höhere Regionen versetten! So rasch waren die zwei blißschnell eingetretenen Ereignisse auf einander gefolgt, daß er sich gar nicht klar wurde, welches früher, welches später gekommen war. Hatte er das Verkaufsgeschäft für den Augsburger eigentlich zuerst eingefädelt und war dann die längst entschwundene Geliebte wieder aufgetaucht, oder war's umgekehrt gewesen? Genug, er hatte ein ganz phäno menales Stück Geld im Handumdrehen verdient und zugleich Frau Roßberger schaffte heute in der Wohnung, die im in die Augen gesehen, die ihm einft über alles lieb gewesen zweiten Stock des Vorderhauses lag, emsig umher. Dennt heute waren, wie er sich's jetzt nicht nur gestand, sondern ohne empfing fie große Staffeegesellschaft, die sie neulich im Rats. Not einredete die ihm diese ganzen Jahre hindurch über feller eingeladen. Und wie nun alle erschienen waren, alles lieb geblieben waren! Was hätte ihn denn die Zeit es waren feltnerher am Heiraten, an jeglicher Art Herzensgeschäft gehindert? weise auch Herren dabei fing zunächst die Kaffeeschlacht an, Eben doch nur Agathe! Und was hatte ihn die lange Zeit von der sich die vier anwesenden Herren bald geschickt ins über so dumpf und weh gedrückt, was hatte ihm zum Nebenzimmer drückten, um ein gemütliches Tarockerl zu vollen Dasein, zum Genuß seines Wesens und Wirkens ge machen. Aber da der Forstassistent, sobald er Vierter war, fehlt, als eben Agathe! Wie hatte er's nur ertragen zu seiner Braut entwich, so war's fein regelrechtes Festsitzen. fönnen, er fam sich jezt selbst recht erbärntlich vor, daß sondern die Herren schwirrten zwischen Kaffee und Spiel er's überhaupt ertragen, so ewige, ewige Zeit ohne sie, tisch hin und her. Endlich fand sich auch Kastl neben dem ohne ja wie's nur sagen, wie's nur ausdrücken, so ganz Stuhl von Frau Haas und ließ sich gern in ein Gespräch Herzinnig... ohne's Agathl halt!' s Agerl! fangen.
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Wie Frühlingssturm brach's über ihn herein, und überall Frau Noßberger wußte es so zu machen, daß Agathe den um ihn verwandelte sich alles. Wie einem Buben von sieb- Wunsch äußerte, die Brauerei zu sehen, die ja seit jenen alten zehn Jahren war ihm zu Mut; er konnte nicht essen, nicht Beiten so gewaltig verändert war. Und was tonute Hegebart schlafen. Er that seine Arbeit, aber wie im Traum. Aeußerlich andres thun, als ihr seine Führung anzubieten? Das kam sollte man ihm nichts anmerken. In den wenigen Momenten so einfach und selbstverständlich. Er fand sich gleich mit der Nüchternheit stieg freilich der Gedanke auf: Was is der ihr auf dem Weg, und erst als er sie über alte wintelige denn eigentlich, Stafti? Was willst denn überhaupts?"
Denn wie er neulich abend ganz richtig erkannt: Der Haas, ihr Mann, war ja auf der Welt! Also!
Und dann das andre: das Geschäft. Das ging alles durch einander mit der Liebesgeschichte. Eine blendende Perspektive in eine Welt voll Reichtum und Macht, ein verwirrendes Bewußtsein, daß nun endlich die letzte Schranke der Erkenntnis gefallen sei, daß er nun an den Vorstufen zur Erfüllung seines Lebenszieles stehe; ja, das war ja zum Lachen, so leicht und glatt ging's, so nahe war's! Jezt hatte er's ja, das große Geheimnis Jett hatte er's!
Hie und da allerdings fiel ihm auch wohl ein, daß nicht alle Tage eine Brauerei zu verkaufen ist, nicht alle Tage besonders durch seine Vermittlung; daß dies gar vielleicht ein
Treppen, neben denen überall Weichstöcke eingebaut waren, hinauf nach dem Sudhaus führte, fiel ihm ein, daß es ja doch nur Frau Roßbergers Schuld sei, wenn er jetzt höflich und gehalten neben der einstmaligen Geliebten einherschritt. old son dit hold( bind ., Aber der Haas! var der zweite Gedanke, der sich daran schloß. Inzwischen erklärte er ihr alles mit einer Redseligkeit, die an ihm neu war. Etwas wie Verlegenheit lugte daraus hervor. Unermüdlich schleifte er sie umher. Bis in die Schäfflerei, wo großer Lärm herrschte.
"
Die Exportfässer werden gepicht, sehen Sie hier die Rollmaschine." Und er wies ihr die langen horizontalen Stangen, über denen die Fässer lustig tanzten. Agathe lachte.ding