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Der Dorfschulze indes erklärte den Befimmungslosen zunächst sein! Zum Erst eu: lies vorher das Textbuch aufmerksam durch und Aftionsprogramm wie folgt: womöglich auch irgend eine„ Einleitung" oder dergleichen, die dich über die geschichtliche Stellung der betreffenden Oper unterrichtet, nicht aber eine fritische Auslaffung über sie. Die besten Textbücher sind die von Karl Friedrich Wittmann in Reclams Universal Bibliothek; darunter auch der Barbier".
In diesem Fall laffen harte Interessengegenfäße wider einander. Es ist die Pflicht der Obrigkeit, in diesem Widerstreit der Intereffen ansgleichend, versöhnend zu wirken. Wir müssen die Diagonale ziehen"
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Wir müssen die Sprite ziehen," jammerten die Nachbarn. Zum Zweiten: solltest du einen musikalischen Bekannten Nein, die Diagonale", fuhr der Schulze unbeirrt fort. Da ist besigen, so laß dich von ihm, doch stets mit Beziehung zum Text, zunächst das Jutereffe des Hausbesizers. Er ist gut verfichert, also auf wichtigere musikalische Bestandteile der Oper aufmerksam machen, liegt ihm daran, daß das Gehöft ganz niederbrennt; bermutlich hat mit Hilfe des Klaviers, nötigenfalls der Geige oder des Gesangs; der Schuft das Feuer selbst angelegt. Auf der andren Seite macht er mag dir Melodien, Motive daraus zu Gehör bringen, insbesondere fich das Interesse der Feuerversicherungs- Gesellschaft geltend; es ist wo solche vorhanden find Leitmotive", d. i. charakteristisch für sie sicherlich eine Unannehmlichkeit, für das verbrannte Haus be wiederkehrende Tongestalten; er mag dir zeigen, welche Bestand zahlen zu müssen. Ihr, liebe Nachbarn, habt Eure Amvesen nicht teile der Oper schon in der Ouverture" vorausklingen, welche Art versichert. Das ist sehr leichtsinnig. Ich verstehe aber Euer Interesse des Gesangs die einzelnen Personen auszeichnet und dergl. mehr. an der Löschung des Feuers. Doch bitte ich zu bedenken, wenn ein Solltest du selber musikalisch sein, so werden dir Blicke in die gutes Stück des Dorfs abbrennt, dann giebt es Arbeit für die( freilich meist schwer zu bekommende) Partitur", d. i. die vollZimmerleute, Maurer und Glaser; diese Leute haben das Interesse, ständige Aufzeichnung sämtlicher Stimmen, wertvoller sein, als jede daß möglichst viel von der Feuersbrunst zerstört werde." andre Hilfe. Nimmmst du dir dagegen einen Klavierauszug, so sei es einer mit Text"; richtig wiedergegebene einzelne Stellen können dir ebenfalls nügen, nicht aber sogenannte Phantasien", Potpourris"," Transstriptionen". Auch die seit einiger Zeit vorkommenden Opernführer"," thematischen Leitfäden" u. dgl. sind im allgemeinen zu empfehlen; in den( allerdings sehr dürftigen) von Woffidlo ist auch der" Barbier" vertreten.
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Das mag sein" versetzte der Schulze dann ist also in ihnen selbst ein Interessenkonflift vorhanden. Um so schwieriger ist es und um so größere Sorgfalt erheischt es, die richtige und gerechte Diagonale zu ziehen. Außerdem ist noch zu erwägen, daß der Gemeindewald Holzlieferungen bekommt, wenn das Dorf brennt, und damit wird die Gemeindekasse gefüllt und Ihr alle habt Vorteil davon. Auf der andern Seite verkenne ich nicht, daß das Staatsinteresse gebietet, verbrecherische Brandstiftungen im Reime zu er stiden."
Also löschen wir," flehten die Nachbarn.
" Ihr dürft aber auch nicht außer Acht laffen," fuhr der Schulze fort, daß es im Interesse der Spritze liegt, daß sie nicht zu sehr strapeziert wird; der Schlauch kann ohnehin nicht viel vertragen. Außerdem leiden wir unter Wassermangel; da ist es unser wohlverstandenes Intereffe, mit dem Wasser sparsam umzugehen." Wenn Ihr nicht schnell die Sprize holt, werden wir zu Bettlern," wimmerten die Nachbarn.
Gewiß, das vertenne ich nicht," erklärte der Schulze, Ihr habt das Interesse, Euren Besitz zu behalten und auch für die Gemeindeverwaltung wäre die Erhöhung der Armenverwaltung sehr un erwünscht. Wir werden also das Löschen auf diagonalem Mittelweg in crufte Erwägung ziehen müffen. Indessen, da entsteht gerade die Schwierigkeit"
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luser Bich verbrennt" schrien die Nachbarn. meinte der Schulze Hm, diese Möglichkeit" hat auch wieder ihre zwei Seiten. Wenn das Bieh verbrennt, werden die Fleischpreise in der Gegend teurer, und die Landwirtschaft hat ein Jutereffe an hohen Fleischpreisen. Es ist unbedingt notwendig, einen Ausgleich zwischen diesen, wie Ihr anerkennen müßt, entgegenstrebenden Juteressen zu finden, und die Diagonale
In diesem Augenblicke erfaßte die Flamme das Haus des Ortsfchulzen. Sie konnten noch gerade rechtzeitig fich ins Freie retten. Da gewahrten sie, daß das ganze Dorf im Feuer stand und daß nichts mehr zu löschen war, zumal auch das Spritzenhaus fröhlich brannte. Als in das Dorf in Asche lag, fam ein Gutsbesiger aus der Nähe, den es längst gelüftet hatte, das Dorf zur Bergrößerung feines Befizzes anzukaufen, aber bei den Bewohnern auf Widerstand gestoßen war. Jetzt erschien er als Retter und schlug den Dörflern vor, er volle den Grund und Boden kaufen. Es war zwar ein Spottpreis, den er bot, aber die ruinierten Leute hatten feine Wahl; fie nahmen das bare Geld und zogen von dannen.
Der Dorfschulze jedoch wurde Inspektor beim Grundbesitzer und triumphierend rief er aus: Das ist die Diagonalel
III.
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8um Dritten: betrachte jede Oper vor allem als ein Drama, auch wenn es die indramatischeste oder sonstwie schlechteste ist. Nichte zunächst deine ganze geschärfte Aufmerksamkeit auf die Vorgänge, Situationen, Ausdrucksbewegungen und Worte auf der Bühne, genau so, als ob du vor einem gesprochenen Theaterstüc fäßest. Die Mufit dazu darf dir nicht etwas sein, was du vom übrigen trennen müßtest, sondern nur eine Seite des Ganzen, die selber ohne das Ganze nichts wäre; sie soll ihre Bedeutung nicht für sich, sondern nur als das Material haben, in welchem sich das Drama noch ganz eigens formt.
Zum Vierten: hast du dieses Verhältnis zum Ganzen einmal eingenommen, so kannst du ebenso wie die Charakterzeichmmg, Sprache usw. der Figuren auch ihr Singen und das Spiel des Orchesters dazu eigens beachten. Hier merke wieder zuerst darauf, wie der Komponist die Vorlage des Dichters in seinem Material von Tönen formt, wie er die Personen ihr inneres Leben in Musik erklingen, ihren Charakter musikalisch färben läßt also auf den Ausdruck". Dazu gehört auch das Verhältnis zivischen Gesang und Orchester, ihr verschiedentliches Zusammenwirken zu ihrer gemein jamen Aufgabe. Dazu gehört aber auch, daß du nicht nur auf die Melodie" und nicht nur auf die„ oberste" Stimme im Orchester und in mehrstimmigen Gesangsstüden achtest, sondern auch sonst auf die Tongestalten der Justrumente und der Singstimmen. Insonderheit ist immer die tiefste" Stimme, meistens der" Baß", in Gefang und Orchester für den Zusammenklang wesentlich. Schlechte Mufit tennzeichnet sich fast immer durch einen einförmigen Baß.
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Zum Fünften: was den Gesang der Sänger in der Oper betrifft, so fannst du auch ohne gefangstechnische Kenntnisse dich einigermaßen eines schönen" Gesangs freuen und einen unschönen einigermaßen als solchen erkennen. Wie ein sinnliches Genußmittel, a. B. eine Mandel, wohl schmecken, aber auch übel schmecken kann; wie eine Farbe sich wohlig, voll, rein, und eine andre sich unschön, getrübt darstellt; wie ein Hornist trübe, abstoßende, aber auch wohlklingende Töne seinem Instrument entloden tann: ebenso wird auch ein Gesangston entweder rauh, getrübt, herb, wie mit Fremdartigem vermischt, oder aber wohlig. voll, rein, mild flingen. Dazu gehört nun auch, daß der Ton den Eindruck des„ Natürlichen" mache, daß seine Kunst ebenso die Natur vervollkommne, wie es in gewisser Weise jede echte Kunst thut. Wir meisten Menschen haben den natürlichen" Ton im Sprechen und Singen verloren und durch keine Kunst wiedergewonnen; aber Kinder, die unbewacht fingen, ohne durch das Schulsingen verkünftelt
Ein Straßenräuber überfiel einen Gentleman, der sehr zu sein, befizen ihn. Sie sprechen auch natürlich", flangvoll, höflich war.
Bitte, Deine Börse!"
Der Gentleman lächelte und gab fie.
Habe die Güte, und ziehe Deinen Rod aus."
Der Gentleman lächelte und reichte den Rod.
„ Und nun die Hosen, wenn es Dir teine Mühe macht!" Der Gentleman lächelte und opferte die Hosen.
„ Ich würde mich glücklich preisen, wenn ich Dir eine Ohrfeige geben dürfte."
Der Gentleman lächelte, hielt seine Wange hin, die alsbald siegelladfarben brannte.
Der Straßemäuber empfahl sich:" Du bist aber ein Efel!" Da ergrimmte der Gentleman in hehrem und edlem Zorn und bebend rief er aus:
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„ Sie sind unhöflich, mein Herr! Ich- ich ich halte es unter meiner Würde, darauf zu reagieren!" 72210 Joc .
Wie man eine Oper hört.
gnolo( Bum Barbier von Sevilla".)
frei und deutlich, wie wir es allermeistens, die Schauspieler ausgenommen, nicht mehr können. Und so wie ein solches Kind spricht, so muß auch im Gesang die Aussprache der Worte sein: deutlich und voll.
Zum Sech& sten: wenn du ein kritisches Urteil über die Leistungen aller Beteiligten gewinnen willst, so achte immer darauf, ob alles Einzelne fich als Glied des Ganzen ergiebt oder als abgesonderter Effekt für sich allein dasteht. Ein Komponist, der das Drama vergessen macht und es aufhält", indem er eine Musik dar bietet, die ebenso gut anderswo stehen tönnte; eine Sängerin, die mur dem Publikum etwas vorsingt; ein Sänger, der einzelne Possen reißt das alles wird dir in seiner Unnatur leicht bemerklich werden, wenn du dich immer an das Ganze hältst.
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Zum Siebenten und Lezten: auch du gehörst zu dem Ganzen, das da vor sich geht. Bist du auf deinem Plaz unruhig, geschwägig; erklärst du deinem Nachbar etwas; applaudierst du mitten in die offene Scene" hinein; wiegst du dich im Rhythmus hin und her, oder trittst du gar mit den Füßen Tatt: so verfehlst du dich ebenso, sowie es ein Komponist oder Sänger thut, der durch Mangel an Hin gabe die Gesamtwirkung stört.
Wenn du, namentlich als muſikaliſch minder Bewanderter, eine Oper zu hören bekommst, so beachte folgende Weifungen:
didit
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